Sauber in Monza: Motorhome nach 20 Jahren in Rente

Das Sauber-Motorhome
Monza 2025 ist kein GP-Wochenende wie jedes andere für die Sauber-Mannschaft, denn die Schweizer verabschieden sich vom bewährten Hospitality-Gebäude im Zelt-Stil, das im traditionellen Paddock-Jargon noch immer als Motorhome bezeichnet wird.
Das aktuelle Hospitality-Gebäude wurde erstmals im April 2006 beim San Marino-GP in Imola in Betrieb genommen, als der viertälteste GP-Rennstall (nach Ferrari, McLaren und Williams) vom unabhängigen Team in den Besitz von BMW überging.
Es fühlt sich an, als würde sich mit diesem Schlusskapitel in Monza 2025 ein Kreis schliessen, während die Schweizer Mannschaft in die Audi-Ära eintritt – die brandneue Audi-Anlage wird dann im Juni 2026 in Monte Carlo erstmals zu sehen sein.
Das Sauber-Motorhome hat 20 volle Saisons lang gute Dienste geleistet – ein Rekord in einer Welt, in der einige andere Teams in diesem Zeitraum mehr als einmal modernisiert haben. Dass es so lange Bestand hatte, ist ein Beweis für das ursprüngliche effiziente und zeitlos elegante Design, das auch den Anforderungen der modernen Formel 1 noch immer gerecht wird. Es lässt sich jedoch nicht leugnen, dass sich die Zeiten geändert haben. Neuere Konstruktionen nutzen die den Teams zugewiesene Fläche im Fahrerlager effektiver aus: Sie verfügen über drei statt zwei Stockwerke und deutlich mehr Bürofläche.
Vor 2006 hatte Sauber, wie die meisten Teams, eine einfache Anordnung aus zwei Bussen, die durch ein Zelt verbunden waren. McLaren setzte mit dem ersten Mega-Fahrerlagergebäude des Sports neue Massstäbe, und andere Teams folgten bald.
Doch statt die Konkurrenz zu kopieren, hatte Peter Sauber seine eigenen Ideen. «Alle Anderen neigten dazu, ihre eigenen Gebäude aufzustocken», erinnert sich Beat Zehnder, der längjährige Team-Manager und und Sportdirektor von Sauber. «Wir haben nicht nach links und rechts geschaut. Die Grundidee für unser heutiges Gebäude stammt von Peter und mir und wurde Anfang der 2000er Jahre entwickelt.»
«Wir haben uns gesagt: Wenn wir das Geld für einen Neubau haben, dann sollte er geräumig und schön und sein, aber möglichst wenige LKWs für den Transport benötigen. Als wir im Juni 2005 von den neuen Eigentümern übernommen wurden, war eines der ersten Themen, die wir diskutierten, der Gästebereich. Wir hatten mehrere Treffen und versuchten, unsere Idee zu verkaufen. Und tatsächlich hat sie sehr gut gealtert.»
Unter der Projektleitung von Fritz Enzinger im Auftrag des Herstellers übernahm die Spezialfirma Bischoff + Scheck in Deutschland den Bau. Der Termin war Imola 2006. Beat Zehnder weiter: «Vom ersten Konzept an war es ein Riesenaufwand. Dann mussten wir statische Berechnungen durchführen, und am Ende musste das Ganze in sieben Monaten gebaut werden. Sie haben Tag und Nacht gearbeitet. Beim ersten Mal haben wir es noch vor Ort in Imola an der Rennstrecke gebaut – wir haben vom Freitag des Vortages bis Mittwoch gearbeitet.»
Als das Wochenende des Grand Prix von San Marino in Gang kam, wurde das neue Gebäude von den Stammgästen im Fahrerlager gut angenommen. «Wenn ich mich recht erinnere, waren alle überwältigt», sagt Beat. «Es war eine Schönheit, und es ist immer noch eine Schönheit. Ich finde, es ist immer noch eines der hübschesten Hospitality-Gebäude. Es ist offen, einladend, man kann hineinsehen, und es hat einen breiten Eingang.»
Das Konzept war einfach. Zwei ausfahrbare Trucks links und rechts beherbergen Räume für die Fahrer sowie Büros für Management, Kommunikation und Marketing. Ein dritter Truck hinten ist zu zwei Dritteln in einen Küchenbereich und zu einem Drittel für die Klimatisierung des gesamten Gebäudes unterteilt.
Der wirklich clevere Teil – basierend auf der ursprünglichen Idee von Peter und Beat – ist die zentrale Konstruktion, die von dem markanten, geschwungenen Vordach überdacht wird.
Zehnder weiter: «Für den mittleren Teil haben wir einen Rahmen. Wir kommen mit einem Spezial-Truck, holen ihn ab und setzen ihn auf hydraulischen Stützen. Dann klappen wir das obere Geschoss aus, das mit Scharnieren befestigt ist. Dann kommen die unteren Geschosse, die wir ebenfalls ausklappen. Und den Barbereich verlegen wir nach draussen. Wir haben hydraulische Stützen mit dem Vordach, das in den mittleren Teil eingewickelt ist. Dann wickeln wir es aus. Wir setzen zusätzliche Rahmen ein und setzen das Vordach darüber. Und im Grunde sind wir fertig.»
Das mag kompliziert klingen, ist aber deutlich schneller und unkomplizierter als der Bau modernerer und komplexerer Paddock-Gebäude und erfordert deutlich weniger Lkw für den Transport.
Zehnder: «Es ist immer noch eine der effektivsten Lösungen. Früher hatten wir sieben Lastwagen. Wir mussten auf acht erweitern, weil wir vor zwei Jahren die Innenbar umgebaut haben, also mit viel mehr Schränken und andere Möbeln. Und dann mussten wir noch zusätzliche Ausrüstung anschaffen, wie zusätzliche Generatoren und eine zusätzliche Klimaanlage, also sind wir auf neun gestiegen.»
In den 20 Jahren ihres Bestehens haben die Trucks Hunderttausende von Kilometern in ganz Europa zurückgelegt, sogar zum Grossen Preis von Türkei, der eine lange Fährfahrt erforderte. Zum Glück lief immer alles nach Plan.
Beat: «Wir hatten nie grössere Schwierigkeiten. Und das ist auch dem Aufbauteam zu verdanken, das Vordach ist, besonders bei starkem Wind, nicht so einfach aufzubauen. Ab und zu mussten sie ein paar Stunden warten, bevor sie mit dem Aufbau beginnen konnten. Aber wir haben nie ein Rennen verpasst, die Küche war immer voll funktionsfähig, wir hatten immer Essen, und die Duschen in den Fahrerkabinen funktionierten immer – das war eines der wichtigsten Dinge.»
Doch alles Gute hat ein Ende, und ein Gebäude, das über Jahre hinweg ein zweites Zuhause für Fahrer wie Robert Kubica, Nick Heidfeld, Jacques Villeneuve, Sebastian Vettel, Sergio Pérez, Charles Leclerc und Kimi Räikkönen sowie die aktuellen Fahrer Nico Hülkenberg und Gabriel Bortoleto war, wird nun einer neuen Nutzung zugeführt.
Beat Zehnder findet: «Es fehlt an Platz, denn heutzutage baut man die gesamte Grundfläche mit drei Stockwerken. Unsere Anlage ist aufgrund ihrer Weitläufigkeit und Offenheit definitiv nicht optimal genutzt. Sie ist eine alte Dame, immer noch eine schöne alte Dame, aber sie geht am Sonntag in Monza zu Ende. In gewisser Weise werde ich sie vermissen, und es ist herzzerreissend, sie verschwinden zu sehen. Andererseits freue ich mich sehr darauf, die neue Anlage fertigzustellen.»