Ferrari ohne Hamilton-Hilfe, Leclerc-Pole verschenkt?

Lewis Hamilton in Monza
Der frühere Formel-1-Fahrer Timo Glock fasst ein grundsätzliches Problem des Ferrari so zusammen: «Zwischendurch ist dieses Auto wirklich schnell, vor allem mit Charles Leclerc. Aber das Handling ist nicht konstant genug, gute Runden wechseln sich ab mit Szenen, in welchen die Fahrer am Lenkrad sichtlich alle Hände voll zu tun haben.»
Glock weiter: «Wenn das so hoch und runter geht, nicht nur von Training zu Training, sondern oft von Runde zu Runde, manchmal gar von Kurve zu Kurve, dann ist es für den Piloten ganz schwierig, das notwendige Vertrauen ins Auto aufzubauen.»
In Monza ist der Monegasse Leclerc nur 215 Tausendstel von der Pole-Position entfernt, aber bei einem so dicht beisammen liegenden Feld ist das an diesem Tag eben nur Startplatz 4. Und aus der fünftschnellsten Zeit von Lewis Hamilton wird – wegen der Strafe aus Zandvoort – der zehnte Startplatz.
Ferrari-Teamchef Fred Vasseur ordnet das alles so ein: «Unser Tempo war gut. Charles stand nach dem ersten Versuch auf dem ersten Platz, aber dann kam es anders.»
«Die Abstände sind sehr klein. In Q2 lagen die ersten Zehn innerhalb von vier Zehntelsekunden. Lando wäre in Q2 beinahe ausgeschieden. Fast jeder im Feld wird sagen, dass er es heute besser hätte machen können.»
«Wir müssen uns einfach auf uns selbst konzentrieren. Von Platz 4 zu starten, mit so einer langen Geraden vor der ersten Kurve, das ist nicht die schlechteste Ausgangslage. Mal sehen, wie unsere Position nach Kurve 1 aussieht.»
«Dann ist da noch das Problem des Reifenabbaus, und am Sonntag sind wir in der Regel stärker als in der Quali. Letztes Jahr haben wir von der gleichen Position aus das Monza-Rennen gewonnen, also ist es möglich. Obwohl ich unser Auto lieber auf der Pole gesehen hätte.»
Wieso wurde bei Ferrari nicht darüber nachgedacht, dass Hamilton – ohnehin strafbelastet – dazu benutzt wird, um Leclerc einen Windschatten zu spendieren und so vielleicht die Pole zu schenken?
Vasseur: «Wir haben darüber durchaus nachgedacht. Aber ich denke, die richtige Entscheidung war, sich lieber auf die Reifenvorbereitung zu konzentrieren. Wir haben in dieser Saison ein paar Mal gesehen, dass eine gute oder eine schlechte Aufwärmrunde zu Leistungsschwankungen von mehreren Zehntelsekunden führen kann. Daher dachten wir, es wäre am besten, das so zu machen, statt ein Auto zu opfern. Ich weiss nicht, ob mit einem Windschatten die Pole drin gewesen wäre.»
«Charles hat auch nicht um eine solche Lösung gebeten. Wäre unser zweites Auto am Ende der Startaufstellung gewesen oder hätte Lewis sowieso aus der Boxengasse starten müssen, dann wäre das anders gewesen.»
Der erste Lauf von Leclerc im Q3 war sehr gut, aber dann konnte er sich nicht verbessern. Vasseur dazu: «Schon im ersten Sektor hat er bei der ersten Schikane etwas mehr als eine Zehntelsekunde verloren. Danach war es schwierig, das notwendige Tempo zu finden.»
«Wenn man als Fahrer weiss, dass man bereist nach der ersten Kurve mit dem Rücken zur Wand steht, so wird das ganz, ganz schwierig. Und meist steht oder fällt alles mit der Vorbereitung der Reifen. Wenn man zu stark attackiert oder zu wenig schnell fährt, kommt man nicht mehr ins beste Arbeitsfenster dieser Walzen.»
Ferrari sucht sein Heil mit einer hohen Top-Speed, also extrem flach gestellten Flügeln. Fred Vasseur dazu: «Es stimmt, wir haben eine aggressive Entscheidung getroffen, daher leiden wir in den Kurven mehr als die Gegner. Wir haben besonders in der Ascari zu kämpfen.»
«Aber wir wissen, dass auch das Reifen-Management am Limit sein wird. In Monza ist alles immer eine Frage des richtigen Kompromisses. Man hat bei den Flügeln zwei oder drei verschiedene Set-up zur Auswahl. Man kann, je nach Vorliebe, in den Kurven oder auf den Geraden schneller sein. Aber es hängt auch von den Entscheidungen der Fahrer ab, davon, mit welcher Lösung sie sich wohler fühlen. Letztlich müssen sie entscheiden, mit welcher Ausführung sie die beste Leistung bringen können. Wir haben die Entscheidungen gemeinsam getroffen, und wir werden sehen, wo uns das im Grand Prix hinführt.»
Qualifying, Italien
01. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing, 1:18,792 min
02. Lando Norris (GB), McLaren, 1:18,869
03. Oscar Piastri (AUS), McLaren, 1:18,982
04. Charles Leclerc (MC), Ferrari, 1:19,007
05. Lewis Hamilton (GB), Ferrari, 1:19,124 *
06. George Russell (GB), Mercedes, 1:19,157
07. Kimi Antonelli (I), Mercedes, 1:19,200
08. Gabriel Bortoleto (BR), Sauber, 1:19,390
09. Fernando Alonso (E), Aston Martin, 1:19,424
10. Yuki Tsunoda (J), Red Bull Racing, 1:19,519
11. Oliver Bearman (GB), Haas, 1:19,446
12. Nico Hülkenberg (D), Sauber, 1:19,498
13. Carlos Sainz (E), Williams, 1:19,528
14. Alex Albon (T), Williams, 1:19,583
15. Esteban Ocon (F), Haas, 1:19,707
16. Isack Hadjar (F), Racing Bulls, 1:19,917
17. Lance Stroll (CDN), Aston Martin, 1:19,948
18. Franco Colapinto (RA), Alpine, 1:19,992
19. Pierre Gasly (F), Alpine, 1:20,103
20. Liam Lawson (NZ), Racing Bulls, 1:20,279
* Rückversetzung um fünf Ränge fürs Rennen