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Ruf nach Tests in Wüste: Formel 1 aus Schaden dümmer

Von Mathias Brunner
​Die Wintertests 2014 bestanden aus vier Tagen Jerez und acht Tagen Bahrain. Die Teams und Pirelli hatten sich für Arabien starkgemacht. Später bereuten sie es. Nun soll erneut in der Wüste gefahren werden.

Hin und wieder drängt sich in der Formel 1 der Verdacht auf: Werden die Verantwortlichen aus Schaden dümmer? Denn erneut spricht Pirelli-Rennchef Paul Hembery davon, dass die Formel 1 Testfahrten in warmen Gefielden brauche, im fast wettersicheren Bahrain oder Abu Dhabi.

Pardon, hatten wir das nicht schon mal?

Zur Erinnerung: Formel-1-Alleinausrüster Pirelli hat zu Beginn der Saison 2013 nach den Wintertestfahrten geschimpft, man habe im viel zu kalten Jerez über die neuen Reifen so gut wie nichts lernen können. Und auch Barcelona war das Wetter unfreundlich.

Teamverantwortliche und Piloten stimmten munter in das Gezeter mit ein, man brauche unbedingt Probefahrten unter Wettersicherheit und Verhältnissen, wie sie später bei den Grossen Preisen von Australien oder Bahrain angetroffen werden. Mangelnde Erfahrung mit den Reifen wurde vor allem Spielverderber Petrus in die Schuhe geschoben.

Nach dem Aufgalopp in Andalusien Ende Januar 2014 wurde dann acht Tage lang in der Wüste Sakhir (Bahrain) getestet. Die Araber erwiesen sich als vorbildliche Gastgeber. Es gab Sonne satt, doch schon nach kurzer Zeit ging die Grummelei von vorne los.

Paul Hembery war offenbar inzwischen aufgefallen: «Bahrain ist viel weiter von allem entfernt als Spanien, also ist dieser Testort auch teurer. Logistisch ist Bahrain ein Alptraum. Wenn du ein Problem hast, dann nimmt es viel mehr Zeit in Anspruch, Teile auszufliegen oder neue kommen zu lassen. Der Flug dauert sechs Stunden und nicht zwei. Das hat bei Red Bull Racing und auch bei anderen Teams zu grossen Verzögerungen geführt.»

Entschuldigung, aber was genau davon war nicht zu erwarten?

Jeder Erstklässler hätte das den Teams erklären können, und zwar noch bevor Formel-1-Promoter mit Vertretern aus Dubai, Abu Dhabi und Bahrain verhandelte. Die Entfernung zu den Werken in Grossbritannien, Italien und in der Schweiz fiel den Rennställen doppelt schwer auf den Kopf, weil wir hier vom Beginn der Turbo-Ära sprechen, und die neuen Renner mehr in der Box zu sehen waren als auf der Rennstrecke.

Paul Hembery meinte nun: «Gut, hin und wieder kann es in Barcelona ein wenig feucht werden. Aber jetzt, so höre ich, haben wir dort Temperaturen von gegen 20 Grad, das wäre zum Testen ideal. Ich könnte mir vorstellen, dass Bahrain eine ganze Weile nicht mehr im Wintertestkalender auftauchen wird.»

Hinzu kam die Streckenmiete. Die lag in Bahrain bei rund 50.000 Euro pro Testtag, das ist ähnlich hoch wie in Barcelona. In Spanien jedoch werden die Teams mit 30 Prozent am Ticketverkauf beteiligt. In Jerez und Barcelona jubeln zahlreiche Fans ihren Idolen zu, in Bahrain fuhr die Formel 1 praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit.

Zudem hatte Bernie Ecclestone den Teams versprochen, dass es keinen Aufschlag geben würde für die Fracht, die in Bahrain stoppe und dann nach Melbourne weitergeflogen wird. Am Ende wurden aber für den Zwischenstopp 9,90 Dollar pro Kilogramm fällig. Zu allem Hohn zeigte ein Blick aufs Wetter: In Barcelona war es vergleichbar warm wie in Bahrain! Damit waren weitere Bahrain-Tests für 2015 vom Tisch.

Die Wintertests 2015 fanden erneut in Jerez statt (vier Tage), dann gab es zwei Viertagestests in Barcelona. Vor der Saison 2016 wurden die Wintertests auf acht Tage verringert, alle davon auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya.

Nun aber will Paul Hembery hinsichtlich der Umstellung auf fettere Reifen 2017 wieder in die Wüste zurück. Im Rahmen des Ungarn-GP haben sich einige leitende Formel-1-Techniker dazu geäussert.

Rémi Taffin, Operationsleiter von Renault: «Aber das hatten wir doch alles schon mal. Jeder weiss, welche finanziellen und personellen Ressourcen ein solcher Test bindet.»

Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn: «Es gab doch gute Gründe, wieso wir von solchen Testfahrten abgekommen sind. Wir versuchen, Kosten einzudämmen, dann wird die Möglichkeit eines solchen Tests in den Raum gestellt. Da frage ich mich schon, wohin dieser Sport sich bewegt. Als viele Autohersteller in der Formel 1 waren, schien Geld keine Rolle zu spielen, aber die Zeiten haben sich geändert. Wir sollten nichts unternehmen, was erneut die Gefahr mit sich bringt, dass Teams den Sport verlassen müssen.»

Williams-Technikchef Pat Symonds: «Keiner kann negieren, dass das einen Batzen Geld kosten würde. Ein Flug von London nach Barcelona kostete fünfzig Pfund. Ich glaube nicht, dass ich für diesen Betrag nach Abu Dhabi komme. Es wäre gescheiter, Tests an Rennen zu koppeln. Früher haben wir vor dem Saisonstart in Brasilien getestet. Das Gleiche wurde in Südafrika getan. Es wäre auch sinnvoll, beispielsweise nach dem Australien-GP einen Boxenstopp in Arabien zu machen, wenn also das Material gar nicht erst zurück nach England geht, nur um gleich wieder woanders hingeschickt zu werden.»

Jock Clear, leitender Ingenieur von Ferrari: «Ich kann die Position von Pirelli verstehen. Aber wir haben 21 Rennen. Wenn wir da noch einen Übersee-Reifentest hinzufügen, dann treiben wir die Belastung der Menschen über gewisse Grenzen hinaus. Es geht ja nicht nur um die Kosten. Es geht auch darum, dass die Mitarbeiter nicht endlos belastbar sind. Wir sind an einem kritischen Punkt angelangt, das alles in ein Jahr zu pressen.»

James Key, Technikchef von Toro Rosso: «Die Reifen spielen heute eine enorm grosse Rolle. Und wir lernen nunmal im kalten Barcelona zu wenig über die Reifen. Die Frage ist, ob wir nicht fürs Geld mehr bekommen, wenn wir bei wärmerem Wetter fahren. Pirelli steht vor einer schwierigen Aufgabe mit den neuen Reifen, da sollten sie auch Mittel und Wege erhalten, die 2017er Walzen unter Idealbedingungen zu testen.»

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