Finsternis, Geld & was beim Rennsport vergessen wird
MotoGP-Rennen in Katar – zwischen zwei Regenschauern
Es gab eine wichtige Demonstration der Wahrheit über modernen Rennsport in der Wüstennacht beim MotoGP-WM-Auftakt in Katar.
Nein, nicht die Überheblichkeit, die ein Rennen in der Wüste mit sich bringt, unnötigerweise in der Nacht, in einem Land, in dem das Interesse am Rennsport irgendwo zwischen Null und Nichts liegt; und dass das Rennen in der Königsklasse kurz vor dem Abbruch stand. Und auch nicht das katarische Geld, das die Dorna damit einsackte.
Na gut, auch all diese Punkte. Aber auch ein Nebenevent, der viel verrät.
Es war ein Produkt-Launch in der VIP-Area der Rennstrecke – einer der wenigen Orte in Katar, wo man ein Glas Bier bekommt. Das war – ehrlich gesagt – der Hauptgrund, warum ich dort teilgenommen habe. Die neue MotoGP-Version einer existierenden Cash-Back-Card hat das Interesse nicht entfacht.
Das Ganze hat mit einem Feel-Good-Film begonnen. Für mich hat es sich angefühlt, als würde der Film stundenlang dauern.
Jugendliche auf Surfboards, Mädels beim Shoppen, Frauen im Fitnesstudio, Dritte-Welt-Mütter, die ihre Babys umarmen, alle lächelnd... Ihr wisst, welche Art von Film ich meine.
Dann kamen wir zum Kern der Sache. Die neue MotoGP-Karte. Sie zeigt an, welche Einkäufer für Cash Back infrage kommen. In gewissen Shops.
Der Vorsitzende hielt eine kurze Rede. Der auffallende Punkt dieser Firma, sagte er, sei, «dass sie Menschen glücklich macht. Das wiederum macht die Community stärker.» Er sagte nichts über Geldverdienen. Er sprach nur vom der Sinn einer Welt, die durch Liebe und Glücklichsein zusammengehalten wird. Wegen ein paar sehr kleiner Rabatte.
Offensichtlich falsch. Aber was auffallend war, war die Tatsache, dass er vergessen hat, die Verbindung der Cashback-Karte zur MotoGP zu erwähnen. Nämlich, dass MotoGP-Tickets und Merchandise für diesen Rabatt von Nutzen sein sollen.
Der Kern der Übung wurde eher verfehlt.
Den Kern zu verfehlen ist mein Thema. Die Saison in Katar zu starten spielt da eine wichtige Rolle. Außer, wenn es ums Geld geht.
Wir schauen uns jetzt einen Fehler nach dem anderen an.
Da ist das Rennen in der Nacht. Das hat Sinn gemacht, als das Rennen im Oktober oder April stattfand, mitten im unerträglich heißen Sommer in Katar. Aber die Scheichs scheuen keine Kosten, damit sie die Rennsaison eröffnen können. Das Datum im März bedeutet, dass die Temperaturen um einiges milder sind.
Aber jetzt sind die Lichtquellen schon installiert. Darum muss das Rennen in der Nacht passieren. In dem kurzen Zeitfenster, nachdem die Dunkelheit einsetzt und bevor sich die Luftfeuchtigkeit über die Strecke niederlegt.
Sonst wäre es sinnlos, die Lichter anzuschalten, oder? (Ungefähr gleich sinnlos, wie die Gewohnheit der Streckenbetrreiber, die Lichter mitten am Nachmittag einzuschalten. Und – wenn ihr noch mehr Ironie wollt – dass am Rennwochenende Werbung für den World Wildlife Fund «Earth Hour» gemacht wurde, indem von 20.30 bis 21.30 Uhr aus Solidarität alle unnötigen Lichter ausgeschaltet wurden.)
Dann wurde die Entscheidung, dass es unmöglich sei, bei Flutlicht im Regen zu fahren, angezweifelt, weil Loris Capirossi im Februar mit einem 600-ccm-Bike Franco Uncini in einem Mietauto folgte, wobei die Strecke künstlich nass gemacht worden war.
Für die beiden war es okay. Das Rennfahren muss aber auch auf einer nassen Strecke voller richtiger Rennmotorräder ausprobiert werden. Aber die Möglichkeit, das in der Vorsaison zu versuchen, wurde verspielt.
Stattdessen hat man gewartet, dass während des Rennwochenendes ein wenig Regen fallen würde – bestenfalls beim Training, weil es da noch nicht um die Wurst geht. Nur zum Ausprobieren.
Wie wir wissen, ist Regen in Hülle und Fülle gefallen, aber nicht zu den passenden Zeiten.
Ganz im Gegenteil. Man konnte die Strecke nicht mehr entwässern, da die Anlage dafür designt wurde, mit durchschnittlichen oder gar keinen Niederschlägen klar zu kommen. Kein einziges Motorrad konnte während des ganzen Samstags auch nur ein Rad drehen – aber die Lichtquellen waren die ganze Zeit an.
Das gab uns viel Zeit, darüber nachzudenken, was wir an diesem lächerlichen Ort in dieser absurden Notlage eigentlich machen. Und die Antwort war nicht weit weg. Wobei es beim Rennsport früher um den Sport ging, geht es heute ums Geld.
Oder war es schon immer so?
Natürlich gab es Zeiten, in denen irgendwelche Streckenbesitzer oder Teamchefs den Enthusiasmus der Fahrer ausnutzten, indem sie zu wenig bezahlten, es verpassten, ihnen Startpositionen zu garantieren oder sie auf unglaublich gefährliche Strecken hinausschickten. Und die Verdienste steckten sie sich in die eigene Tasche.
Heutzutage hat die Dorna die Macht in diesem Business.
Garantierte Startplätze für die Teams, also für die Mitglieder dieser geschlossenen Gesellschaft, das ist eine Errungenschaft im Vergleich zu früher, wo die lokalen Veranstalter die Teams und Fahrer nach ihrem eigenen Gutdünken auswählten. Stark verbesserte Sicherheit, das ist ein anderer Aspekt, den wir der Dorna zu verdanken haben. Zusammen mit einer finanziellen Rentabilität, aber immerhin werden rund 50 Millionen im Jahr wieder an die Teams ausgeschüttet.
Früher bekamen die Teams und Fahrer unter der FIM nur Peanuts.
Ein hoch profitables Rennen wie Katar spielt nicht nur der Dorna in die Hände, sondern es lässt auch Spielraum für nicht so gut betuchte Strecken – wie beispielsweise Argentinien. Oder Brünn.
Tatsächlich finanziert das Rennen in Katar die ganze Rennserie mit.
Eine Dorna, die Profit macht, kann viel bewirken für diesen Sport.
Anstatt rumzumeckern sollten wir eigentlich dankbar sein und die Augen gegenüber der rücksichtslosen Gier hinter dem Katar-Rennen zudrücken.
Wir sollten einfach froh darüber sein, dass, durch reines Glück, die MotoGP-WM trotz des Wetters mit einem blauen Auge davonkam. Gerade noch so. Wir erlebten ein exzellentes MotoGP-Rennen, eng eingebunden zwischen zwei Regenschauern. Puh.
Weil es auch einen anderen Punkt gibt, der den Rennsport ausmacht. Nämlich den, ein Rennen zu haben.