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Maverick Viñales (Yamaha): Erwartungen nie erfüllt

Von Günther Wiesinger
Sieg in Misano 2020: Maverick Viñales

Sieg in Misano 2020: Maverick Viñales

Yamaha hat mit Maverick Viñales einen der besten MotoGP-Piloten unter Vertrag. Aber er hat in vier Jahren nie um den Titel gekämpft, denn er hat klare Schwächen. Trotzdem bekam er einen neuen Vertrag.

Maverick Viñales kam 2017 ins Movistar-Yamaha-Werksteam, nachdem er auf der Suzuki GSX-RR in Silverstone seinem ersten MotoGP-Sieg gefeiert hatte. Er siegte damals in Doha, Las Termas und Le Mans, also bei drei der ersten fünf Rennen, aber in der WM fiel er schließlich hinter Márquez und Dovizioso auf Platz 3 zurück.

2018 musste er in der WM Rossi den Vortritt lassen, auch 2019 lag er in der WM-Tabelle bis zum zweiten Platz beim Sachsenring-GP hinter Rossi. Am Ende reichte es für den dritten WM-Rang, knapp vor Rookie und Yamaha-Privatfahrer Fabio Quartararo, und auf den unschlagbaren Weltmeister Marc Márquez fehlten unbeschreibliche 209 Punkte.

Schon als Zarco und Folger 2017 als Tech3-Yamaha-Privatfahrer das Werksteam mit Rossi und Viñales oft demütigten, wirkte Viñales oft deprimiert, doch im Winter 2018/2019 dominierte er wieder einmal die Pre-Season-Testfahrten.

Man kann sich vorstellen, dass auch das Yamaha-Management schon 2018 und 2019 manchmal zweifelte, ob Maverick die geeignete neue Nummer 1 bei Yamaha sei, während sich Rossis Karriere dem Ende zuneigt.

Aber erst für 2021 wurde gehandelt und Fabio Quartaro statt Rossi ins Werksteam befördert.

«Man macht sich immer Sorgen, wenn du Fahrer siehst, die schwierige Zeiten durchmachen», sagt Lin Jarvis, Managing Director von Yamaha Motor Racing. «Im Fall von Maverick würde ich sagen, er hat seine Stärken und seine Schwächen… Seine Stärke ist: Selbst wenn er niedergeschlagen und deprimiert ist, kann er sich weiter enorm für das Training motivieren, sich weiter pushen, weiter kämpfen – und dann zurückkehren an die Spitze. Seine Schwäche besteht darin, dass er sich zu leicht in eine Negativspirale verwickeln lässt. Er fängt sich irgendwann – und landet dann ohne großen Aufwand in einer positiven Spirale. Er erreicht also unheimliche Höhen. Aber wenn Maverick einen schlechten Tag hat, ohne dass er sich wirklich am Ende der Welt befindet, wenn also alles halb so schlimm ist, dann zeigt sich bei ihm die Tendenz, dass seine Launen auf und ab wandern. Das halte ich für eine Schwäche. Denn du musst also Rennfahrer in der Lage sein, die Situation ins rechte Lot zu rücken und in der Zone zu bleiben, die zum Erfolg führt. Wenn es Maverick gelingt, in seiner Wohlfühlzone zu bleiben, kann er wirklich unglaubliche Leistungen abrufen.»

Braucht Maverick für die Phasen solcher Negativspiralen einen Mentaltrainer? Jarvis: «Ich weiß nicht, ob er einen hat. Die Fahrer betrachten alle Blinkwinkel ihrer Vorbereitung. Maverick hat jedenfalls an den Rennstrecken keinen Mentaltrainer dabei.»

Immerhin hat Viñales nach der Saison 2018 neben seiner Startnummer (12 statt 25) auch seinen Crew-Chief Ramon Forcada gegen seinen jüngeren Landsmann Esteban Garcia getauscht. Aber ein eklatanter Fortschritt ist ausgeblieben.

Und Forcada eilte 2020 mit Franco Morbidelli als Crew-Chief von Sieg zu Sieg.

Inzwischen hat das Team bemerkt, dass sich Viñales bisher beim Set-up Freitag und Samstag oft mehr um eine einzelne schnelle Runde als um die Rennpace gekümmert hat. Dieser Fehler sollte schon mehrmals ausgemerzt werden. Aber dauerhafte Erfolge durch eine vermehrte Konzentration auf die Rennpace sind bisher nicht zu erkennen.

Viñales hat noch eine Schwäche: Er kann seine fabelhaften Rundenzeiten nur vorzeigen, wenn er allein fährt, zum Beispiel im Training, weil er sonst den hohen Kurvenspeed nicht fahren kann, der zu seinen Stärken zählt. Im Zweikampf offenbart er seine Schwächen – wie einst Max Biaggi.

«Der neue Crew-Chief hat sich bei Maverick auf jeden Fall positiv ausgewirkt», ist Lin Jarvis überzeugt. «Klar, Ramon Forcada hat ein umfangreiches Wissen, enormes technisches Können und viel Erfahrung. Aber Ramons Schwachstelle ist die persönliche Kommunikation. Dazu kommt, dass er fast 40 Jahre älter ist als Maverick. Es gab also einen riesigen Generationenkonflikt und einen deutlichen Altersunterschied. Esteban Garcia ist einerseits jünger, außerdem hat er einen anderen Zugang zum Fahrer, einen menschlicheren Approach. Seine Ankunft im Team hat sich für Maverick sicher als Vorteil erwiesen. Und wir haben mit Julián Simón einen neuen ‚Track Analyst‘ gefunden. Er ist ein Spitzenmann. Die Kombination mit den neuen Teammitgliedern Esteban als Crew Chief und Julián als neuem Riding Coach hat sich für Maverick ausgezeichnet bewährt. Gleichzeitig hat das SIC-Yamaha-Team mit Wilco und Ramon durch diese personellen Wechsel profitiert.»

Jetzt hat Viñales vier Jahre im Yamaha-Werksteam hinter sich, aber er hat sich nie zum wahren Herausforderer von Marc Márquez gemausert und auch 2020 aus der Abwesenheit des Honda-Stars kein Kapital geschlagen. Er dominierte zwar immer Winter wieder einmal drei von vier Testfahrten, er schaffte zwar bei den ersten zwei Rennen in Jerez zwei zweite Plätze, er gewann den zweiten Misano-GP – aber in der WM-Tabelle stürzte er durch einige blamable Vorstellungen auf den sechsten Platz ab. Petronas-Yamaha-SRT-Privatfahrer Morbidelli schaffte den zweiten WM-Rang, drei Siege – und 26 Punkte mehr.

Viñales schien im Juli 2020 wie verwandelt. Aber obwohl er für 2020 sein Umfeld wieder einmal auf den Kopf gestellt hatte, fiel er bald wieder in alte Verhaltensmuster zurück. Er traf seltsame Reifenentscheidungen, er fuhr oft in der Anfangsphase viel zu langsam, suchte die Fehler selten bei sich selbst, wirkte oft wieder halb depressiv und äußerte seltsame Erklärungen für die schwachen Leistungen.

Bei Yamaha wird man sich inzwischen schon oft die Frage gestellt haben, ob es schlau war, den Viñales-Vertrag schon im Januar um zwei Jahre zu verlängern. Es wären bessere Kandidaten zur Verfügung gestanden – Morbidelli zum Beispiel oder Dovizioso.

Viñales wurde von Yamaha ganz klar als Rossi-Nachfolger und Márquez-Widersacher engagiert. Doch der Moto3-Weltmeister von 2013 (auf KTM) ist in vier Yamaha-Jahren nur zweimal WM-Dritter geworden – 2017 und 2019.

Suzuki hingegen hat besser eingekauft: Joan Mir und Alex Rins haben die WM 2020 mit der GSX-RR auf den Plätzen 1 und 3 beendet. Joan Mir ist gleich im zweiten Suzuki-Jahr MotoGP-Weltmeister geworden...

Die Yamaha-MotoGP-Fahrerpaarungen bisher:

2002: Carlos Checa, Max Biaggi
2003: Carlos Checa, Marco Melandri
2004: Valentino Rossi, Carlos Checa
2005: Valentino Rossi, Colin Edwards
2006: Valentino Rossi, Colin Edwards
2007: Valentino Rossi, Colin Edwards
2008: Valentino Rossi, Jorge Lorenzo
2010: Valentino Rossi, Jorge Lorenzo
2011: Jorge Lorenzo, Ben Spies
2012: Jorge Lorenzo, Ben Spies
2013: Jorge Lorenzo, Valentino Rossi
2014: Jorge Lorenzo, Valentino Rossi
2015: Jorge Lorenzo, Valentino Rossi
2016: Jorge Lorenzo, Valentino Rossi
2017: Valentino Rossi, Maverick Viñales
2018: Valentino Rossi, Maverick Viñales
2018: Valentino Rossi, Maverick Viñales
2019: Valentino Rossi, Maverick Viñales
2020: Valentino Rossi, Maverick Viñales
2021: Fabio Quartararo, Maverick Viñales

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