Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Fausto Gresini: Ein Besessener des Motorradsports

Von Günther Wiesinger
Fausto Gresini gewann als Rennfahrer zwei Weltmeistertitel, noch erfolgreicher wurder er als Teambesitzer. Der an Covid-19 verstorbene Italiener hinterlässt im Paddock eine schmerzliche Lücke.

Vor drei Wochen ist Fausto Gresini an seiner Covid-19-Infektion gestorben, am 27. Dezember war der zweifache 125-ccm-Weltmeister (1985 und 1987 auf Garelli) ins Krankenhaus gebracht worden, wo er wochenlang im künstlichem Koma und auf der Intensivstation verbrachte, meist mit künstlicher Beatmung.

Inzwischen läuft der Betrieb bei Gresini Racing weiter. Die Mannschaft wird vom Kaufmännischen Direktor Carlo Merlini geführt. Faustos 23-jähriger Sohn Lorenzo wird vermehrt ins Geschehen eingreifen, um das Team im Sinne seines Vaters weiterzuführen. Gresini Racing hat inzwischen vor dem Saisonstart in den Klassen Moto3, Moto2, MotoE und MotoGP (mit Aprilia Racing) auf mehreren Schauplätzen getestet.

Fausto Gresini hat als Teambesitzer 2001 die 250er-WM mit Daijiro Kato die 250er-WM auf Honda gewonnen, mit Toni Elias 2010 die Moto2-WM (auf Moriwaki), danach 2018 die Moto3-WM mit Jorge Martin auf Honda. Er war also als Teaminhaber erfolgreicher als als Fahrer, und obendrein gewann seine Truppe 2019 noch den ersten MotoE-Weltcup mit Matteo Ferrari.

Da Gresinis aktive Laufbahn ca. 35 Jahre zurückliegt, sind die heutigen GP-Fans darüber nur mangelhaft informiert.

Der italienische Motorradrennfahrer hat zwischen 1983 und 1994 insgesamt 118 Rennen in der Motorrad-Weltmeisterschaft bestritten.

1985 verwies er Pierpaolo Bianchi und Gustl Auinger auf die WM-Plätze 2 und 3, zwei Jahre später setzte er sich gegen Bruno Casanova und Paolo Casoli durch. 1986 schnappte ihm sein junger Garelli-Teamkollege Luca Cadalora den Titel weg, der danach gleich in die 250er-WM aufstieg und auch in der Halbliter-WM Karriere machte. Danach wurde Gresini erfolgreicher Teambesitzer und ein wichtiger Bestandteil des Fahrerlagers und von Vermarkter Dorna.

Und da er als Rennfahrer in den Klassen 250 und 500 ccm nicht aktiv war, reizte ihn als Teamchef die «premier class» besonders.

Fausto machte deshalb den Anfang als Teamchef nicht in den kleinen Klassen, sondern 1997 mit einem «low budget» in der 500er-WM mit der neuen Honda NSR500-V2 und Alex Barros. Mit Sete Gibernau und Marco Melandri wurde er von 2003 bis 2005 dreimal in Serie Vizeweltmeister vor dem Repsol-Honda-Team – und immer hinter Valentino Rossi.

Fausto Gresini hat als Teambesitzer schwere Verluste ertragen müssen. Kato starb 2003 nach einem Unfall in Suzuka, Simoncelli in Sepang 2011. Diese Todesfälle haben beim 165 cm kleinen Italiener tiefe seelische Spuren hinterlassen. Nach Simoncellis Tod dachte er sogar ans Aufhören. Doch zwei Wochen nach dem Drama gewann Michele Pirro für Gresini den Valencia-GP. Fausto betrachtete diesen Erfolg als Wink Gottes und als Aufforderung zum Weitermachen.

Das Aufhören wäre dem ehrgeizigen und leidenschaftlichen Teamchef sowieso schwer gefallen. In seinen Adern und Venen pulsierte vermutlich mehr Treibstoff als Blut.

«Jetzt ist es anders, es ist schwieriger», seufzte Fausto vor der Saison 2012. «Der Tod von Marco hat viele Dinge verändert. Der Motorradrennsport ist nicht mehr meine große Liebe. Ich liebe diese Betätigung immer noch. Aber ich muss mich überwinden, zu einer Rennstrecke aufzubrechen. Das ist momentan mein Gefühl.» Später sagte er: «Es war ein langwieriger Prozess, bis ich an der Strecke wieder richtig Freude fand.»

Bald stürzte sich Gresini noch tiefer in die Arbeit. Er organisierte für Honda Italia sogar eine Honda-NSF-100-Renserie, in der auch Luca Marini mitwirkte.

Kein anderer Teambesitzer betrieb zuletzt Teams für vier GP-Klassen. Gresini war ein Besessener seines Sports.

Doch als er sein aufwändiges Honda-MotoGP-Team mit Bautista nach der Saison 2014 wegen es Rückzugs von Sponsor Go&Fun nicht mehr finanzieren konnte, verbündete er sich für vier und dann drei Jahre mit Aprilia Racing. Dieses Joint Venture geht nach 2021 zu Ende. Gresini Racing könnte ab 2022 mit Suzuki oder Ducati antreten.

Gresini war immer fasziniert von der modernen Motorradtechnik, er war aber selbst mit den urwüchsigen 125-ccm-Zweitaktern aufgewachsen.

Giancarlo Morbidelli, ein italienischer Unternehmer, war mit der Erzeugung von Holzbearbeitungsmaschinen reich geworden. Er war aber passionierter Motorsportler und finanzierte deshalb eine Rennabteilung, die später in den WM-Klassen 125, 250, 350 und 500 ccm aktiv wurde. Papa Graziano Rossi gewann zum Beispiel 1979 drei Grand Prix auf einer 250-ccm-Werks-Morbidelli.

Solche kostspieligen Hobbys von Millionären waren damals in Italien kein Einzelfall. Denn der Baulöwe Emilio Sanvenero baute Maschinen für die 125er- und 500er-WM und gewann in beiden Klassen. Und der Möbelhersteller Egido Piovaticci trat in der 50er- und 125er-WM mit Weltmeister Eugenio Lazzarini an und verkaufte seine Rennfirma später an Bultaco. Die Piovaticci war aus dem niederländischen Fabrikat Jamathi abgeleitet worden...

Fausto Gresini hat sein GP-Debüt im April 1983 in Monza auf einer MBA 125 gemacht. Das war ein Production Racer aus dem Hause Morbidelli. Das stand für Morbidelli Benelli Armi, weil diese erfolgreichen und beliebten Kundenmaschinen in der Waffenfirma Benelli erzeugt wurden.

Bald wurde das Garelli-Werksteam auf Gresini aufmerksam, beim Schweden-GP gelang ihm bei Debüt 1983 gleich ein zweiter Platz auf der überlegenen Werksmaschine des niederländischen Konstrukteurs Jan Thiel.

1987 gewann Gresini auf der unschlagbaren Garelli die ersten zehn Grand Prix. Aber er stürzte beim Finale in Jarama, dem Rennen Nummer 11, auf der Jagd nach Gustl Auinger.

1988 wurden die Zweizylinder-Maschinen verboten, Gresini musste 1989 auf einer der vielen Production-Honda umsteigen, denn die Einzylinder-Garelli erwies sich als Murks. Fausto kam 1988 damit über WM-Rang 21 nicht hinaus.

Gresini gewann drei Jahre lang kein Rennen, auch nicht 1990 im Marlboro-Honda-125-Pileri-Team, bei dem er Unterschlupf fand.

Teamkollege wurde der aufstrebende Loris Capirossi, der mit 16 Jahren 1990 auf Anhieb Weltmeister wurde und 1991 gleich den zweiten Titel absahnte.

Erst 1991 gelangen Gresini wieder GP-Siege (in Misano und auf dem Salzburgring) und der zweite WM-Rang hinter Capirossi.

1992 meisterte Fausto die 125er-WM als Zweiter hinter Aprilia-Werkspilot Alessandro Gramigni. In Donington feierte er im selben Jahr seinen 21. und letzten GP-Sieg.

Gresinis Erfolge als Rennfahrer:

1983 – 125-ccm-WM-9. auf MBA und Garelli
1984 – 125-ccm-WM-3. auf MBA und Garelli
1985 – 125-ccm-Weltmeister auf Garelli
1986 – 125-ccm-Vizeweltmeister auf Garelli
1987 – 125-ccm-Weltmeister auf Garelli
1988 – 125-ccm-WM-21. auf Garelli
1989 – 125-ccm-WM-5. auf Garelli
1990 – Italienischer 125-ccm-Meister auf Honda
1990 – 125-ccm-WM-7. auf Honda
1991 – 125-ccm-Vizeweltmeister auf Honda
1992 – 125-ccm-Vizeweltmeister auf Honda
1993 – 125-ccm-WM-11. auf Honda
1994 – 125-ccm-WM-16. auf Honda

21 Grand-Prix-Siege

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