Hervé Poncharal (KTM): «Reifen sind keine Ausrede»

Von Günther Wiesinger
KTM-Tech-Teambesitzer Hervé Poncharal empfiehlt den MotoGP-Piloten von KTM, nicht den Vorderreifen von 2020 nachzutrauern. «Wir müssen mit dem Zeug schnell sein, das wir jetzt haben.»

Das KTM Tech3 Factory Racing-Team von Hervé Poncharal frohlockte nach ein paar heftigen Rückschlägen bei den ersten Grand Prix über einen klaren Aufwärtstrend beim Heim-GP in Le Mans. Denn in der MotoGP-Klasse eroberten Danilo Petrucci und Iker Lecuona die Plätze 5 und 9, und im Moto3-Rennen schafften Sasaki und Deniz Öncü kurioserweise ebenfalls die Ränge 5 und 9.

Hervé Poncharal war besonders mit dem 21-jährigen Iker Lecuona nach dem Portugal-GP (18. April) hart ins Gericht gegangen. Nach dem 15. Platz des KTM-Piloten in Portimão wetterte Poncharal: «Positiv war bei Iker eigentlich nur die Tatsache, dass er einen Punkt geholt hat. Aber ehrlich gesagt weiß ich im Moment nicht, was ich sagen soll. Ich bin sprachlos und ich glaube, er ist es auch. Iker war im Vorjahr voller Energie. Er hat zwar manchmal Fehler gemacht, aber er hat gepusht. Dieses Jahr funktioniert aus irgendeinem Grund nichts mehr. Es gibt keinen Funken mehr.»

Doch Lecuona ließ nach dieser Gardinenpredigt den Kopf nicht hängen – und nutzte in Le Mans den Regen geschickt für eine Rückkehr in die Top-Ten. «Dabei haben wir nach dem Bikewechsel gar nicht mitgekriegt, dass er in der ‚out lap‘ gestürzt ist, also in der ersten Runde nach dem Boxenstopp», berichtete Poncharal im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Alex Rins ist das auch passiert, aber sein Crash wurde von den TV-Kameras eingefangen, jener von Iker nicht. Iker hat es wie Acosta vorher im Moto3-Rennen gemacht. Er hat das Motorrad beim Sturz festgehalten und konnte dadurch rasch weiterfahren. Trotzdem hat er 25 bis 30 Sekunden verloren, sonst hätte er sehr nahe an die Top-5 rankommen können.»

«Wir haben diesen Crash erst mitgekriegt, als Iker nach dem Rennen mit dem demolierten Motorrad an die Box gekommen ist», schilderte Teambesitzer Poncharal im Gespräch mit SPEEDWEEK.com.

Bei den nächsten Rennen müssen die KTM-Piloten dringende ihre Performance im Qualifying verbessern. Bisher gelingt es auch Brad Binder und Miguel Oliveira im Red Bull KTM Factory Team nicht, über eine einzelne Runde das Maximum aus den neuen, weichen Reifen rauszuquetschen.

Zur Erinnerung: 2020 sorgte KTM mit Pol Espargaró (zweimal) und Miguel Oliveira (in Portugal) für drei Pole-Positions.

Die gegnerischen Teams führten damals einen Teil der KTM-Erfolge auf die emsigen privaten Testfahrten der KTM-Stammfahrer vor dem Saisonstart zurück. Diese waren 2021 nach dem Verlust des Concession-Status (zu viele Podestplätze im Vorjahr!) für KTM nicht mehr erlaubt.

«Sogar Brad Binder hat in diesem Jahr bisher in den Qualifyings Mühe. Miguel ist ein paarmal ins Q2 gekommen», hält Poncharal fest. «Dabei ist das Qualifying in der MotoGP wichtiger als in jeder anderen Klasse. In der Moto3-Klasse hat Acosta in Doha gezeigt, dass man sogar von der Boxengasse gewinnen kann. In der MotoGP-WM passiert so etwas nicht. Du musst ins Q2, das ist ausschlaggebend, kommen und in den ersten drei Startreihen stehen, wenn du im Rennen etwas ausrichten willst. Das Q2 ist ausschlaggebend. Aber unsere beiden MotoGP-Tech3-Fahrer waren in diesem Jahr noch nie im Q2.»

«Wir müssen uns mehr anstrengen. Mehr gibt es nicht zu sagen. Wir können nicht behaupten, unser Motorrad habe ein großes Problem. Wir müssen eine Reihe von Details verbessern, dann werden wir weiter nach vorne kommen», ist der Franzose überzeugt.

Die neue Reifenzuteilung von Michelin spielt KTM nicht in die Karten, ihr 2020 bevorzugter Vorderreifen existiert nicht mehr. Oliveira hat sich darüber bereits mehrmals bitter beschwert.

Poncharal verlangt ein Umdenken. «Im Rennsport geht es darum, Verständnis für die jeweilige Situation zu haben. Danach muss man Lösungen finden, um aus dem vorhandenen Material das Maximum herauszukitzeln. Im Racing geht es auch um Anpassungen. Bei der Reifen-Allocation hat sich von 2020 auf 2021 eine kleine Änderung ergeben. Wir haben Einheitsreifen, also muss Michelin Reifen entwickeln, die für alle sechs Hersteller brauchbar sind. Das haben sie mit Unterstützung der Fahrer getan. Ja, KTM hat die Concession-Privilegien verloren. Und der neue Vorderreifen unterscheidet sich in der Konstruktion etwas von der 2020-Version. Aber wir müssen uns an diese neue Situation anpassen. Wir müssen neue Settings ausprobieren, die Fahrer müssen vielleicht ihren Fahrstil umkrempeln.»

Poncharal weiter: «Brad Binder ist in Portimão ein unglaubliches Rennen gefahren und dort im April auf Platz 5 gelandet. Nachher hat er mir erzählt, dass er seine Fahrweise im Rennen etwas geändert hat, um mit dem Vorderreifen besser klarzukommen. Danach lief es besser. Man muss immer die richtige Antwort auf die Probleme finden, die auftauchen. Das ist die Essenz des Rennsports. Deshalb dürfen wir uns nicht einfach über die fehlenden Vorderreifen beklagen. Darauf darf nicht unser Fokus liegen. Wir müssen mit dem Zeug schnell sein, das wir haben.»

Ergebnisse MotoGP Le Mans/F, 16. Mai

1. Jack Miller, Ducati, 27 Runden in 47:25,473 min
2. Johann Zarco, Ducati, +3,970 sec
3. Fabio Quartararo, Yamaha, +14,468
4. Pecco Bagnaia, Ducati, +16,172
5. Danilo Petrucci, KTM, +21,430
6. Alex Márquez, Honda, +23,509
7. Takaaki Nakagami, Honda, +30,164
8. Pol Espargaró, Honda, +35,221
9. Iker Lecuona, KTM, +40,432
10. Maverick Viñales, Yamaha, +40,577
11. Valentino Rossi, Yamaha, +42,198
12. Luca Marini, Ducati, +52,408
13. Brad Binder, KTM, +59,377
14. Enea Bastianini, Ducati, +1:02,224 min
15. Tito Rabat, Ducati, +1:09,651
16. Franco Morbidelli, Yamaha, 4 Runden zurück
– Marc Márquez, Honda, 10 Runden zurück
– Aleix Espargaró, Aprilia, 12 Runden zurück
– Miguel Oliveira, KTM, 15 Runden zurück
– Alex Rins, Suzuki, 15 Runden zurück
– Lorenzo Savadori, Aprilia, 16 Runden zurück
– Joan Mir, Suzuki, 23 Runden zurück

Stand Fahrer-WM nach 5 Rennen:

1. Quartararo 80 Punkte. 2. Bagnaia 79. 3. Zarco 68. 4. Miller 64. 5. Viñales 56. 6. Mir 49. 7. Aleix Espargaró 35. 8. Morbidelli 33. 9. Nakagami 28. 10. Pol Espargaró 25. 11. Binder 24. 12. Rins 23. 13. Bastianini 20. 14. Alex Márquez 18. 15. Martin 17. 16. Petrucci 16. 17. Marc Marquez 16. 18. Bradl 11. 19. Rossi 9. 20. Oliveira 9. 21. Marini 9. 22. Lecuona 8. 23. Savadori 2. 24. Rabat 1.

Stand Konstrukteurs-WM:

1. Ducati 110 Punkte. 2. Yamaha 107. 3. Suzuki 53. 4. Honda 43. 5. KTM 38. 6. Aprilia 35.

Stand Team-WM:

1. Ducati Lenovo 143. 2. Monster Energy Yamaha 136 Punkte. 3. Pramac Racing 86. 4. Suzuki Ecstar 72. 5. Repsol Honda 48. 6. LCR-Honda 46. 7. Petronas Yamaha SRT 42. 8. Aprilia Racing Team Gresini 37. 9. Red Bull KTM Factory Racing 33. 10. Esponsorama Racing Ducati 29. 11. Tech3 KTM Factory Racing 24.

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