Yamaha steht vor Einigung mit neuem Kundenteam

Neues Kapitel mit GASGAS: Die lange Tech3-Geschichte

Von Nora Lantschner
2023 tritt Hervé Poncharals Team erstmals als GASGAS Factory Racing Tech3 Team in der MotoGP-WM auf. Vor der offiziellen Präsentation am Samstag werfen wir einen Blick auf mehr als drei Jahrzehnte Tech3 im GP-Sport.

Das französische Tech3-Team zählt zu den erfahrensten im gesamten GP-Paddock: Hervé Poncharal gründete es 1989 gemeinsam mit Guy Coulon und Bernard Martignac. 1990 trat der Rennstall, der in Bormes-les-Mimosas in Südfrankreich zu Hause ist, mit Dominique Sarron erstmals in der 250er-WM an.

Zu Beginn noch auf Honda und Suzuki unterwegs, wurde Tech3 1999 zum offiziellen Yamaha-Team in der Viertelliterklasse. 20 Saisons lang sollte die erfolgreiche Zusammenarbeit andauern.

Einer dieser Erfolge war der Doppelsieg in der 250er-WM im Jahr 2000: Olivier Jacque setzte sich in einem dramatischen Finale gegen seinen Tech3-Teamkollegen Shinya Nakano durch und kürte sich mit einem Sieg auf Phillip Island zum Weltmeister – die beiden trennten im Ziel nur 0,014 sec, in der WM-Wertung sieben Punkte.

«Yamaha einen Titel zu schenken, war ein sehr starkes Gefühl. Das Ergebnis von 2000 hat es uns ermöglicht, einen Traum zu verwirklichen – in die Königsklasse aufzusteigen», erzählte Hervé Poncharal einmal.

Die Anfänge in der Königsklasse

Als Yamaha-Satellitenteam kam Tech3 2001 mit der erfolgreichen Fahrerpaarung aus der 250er-WM in die «premier class». Auf der YZR500 holte Nakano beim Deutschland-GP gleich im ersten Jahr das erste Podium für das Team von Poncharal. In den letzten Grand Prix des Jahres 2002 stand den Tech3-Yamaha-Piloten dann die konkurrenzfähigere M1 Viertakt-Maschine zur Verfügung.

Der Brasilianer Alex Barros nahm 2003 den Platz von Nakano ein und sorgte in Le Mans für das zweite Tech3-Podium in der höchsten Klasse. Der Italiener Marco Melandri schaffte es ein Jahr später zweimal unter die Top-3 (Montmeló und Assen).

In den nächsten Jahren wechselten die Stammfahrer Saison für Saison. Nicht weniger als zehn Piloten waren so von 2004 bis 2008 für Tech3 im Einsatz: Nach Norifumi Abe und Marco Melandri kamen und gingen Rubén Xaus, Toni Elias, Carlos Checa, James Ellison, Makoto Tamada und Sylvain Guintoli.

2008 hieß die Fahrerpaarung James Toseland und Colin Edwards. Der Texaner blieb vier Jahre und fuhr insgesamt vier Podestplätze ein. 2009 beendete er die Weltmeisterschaft auf Rang 5 und trug wesentlich dazu bei, dass Tech3 in der Teamwertung auf Platz 4 landete – als bestes Privatteam. «Wir haben ein sehr besonderes Verhältnis zu Colin. Er brachte viel Lebensfreude mit, hat gleichzeitig hart gearbeitet und er hatte enorm viel Erfahrung», schwärmt Poncharal.

Das Jahr 2010 brachte einige Veränderungen mit sich – unter anderem stieg Tech3 in die neue Moto2-Kategorie ein, die die Klasse 250ccm ersetzte. Die französische Truppe baute hierfür ein eigenes Chassis, das «Mistral 610» getauft wurde. Yuki Takahashi feierte noch im selben Jahr in Barcelona einen Sieg.

In der MotoGP-Klasse kam Superbike-Weltmeister Ben Spies für Toseland und fuhr bereits im vierten MotoGP-Rennen der Saison auf das Podest. Der Amerikaner schaffte es dank seiner starken Leistung 2011 in das Yamaha-Werksteam – MotoGP-Rookie Cal Crutchlow nahm seinen Platz bei Tech3 ein.

Die Glanzzeiten mit Yamaha

Gemeinsam mit Andrea Dovizioso sorgte der Engländer für eine herausragende Saison 2012: In acht der 18 Rennen stand ein Tech3-Yamaha-Pilot auf dem Podest – mit sechs Top-3-Ergebnissen in einer Saison war der Italiener der erfolgreichste Fahrer in der MotoGP-Geschichte des französischen Traditionsrennstalls. «Andrea und Cal haben uns geholfen zu wachsen. Und Cal ist ein richtiges Rennpferd», schmunzelte der Teamchef rückblickend.

Crutchlow blieb dem französischen Team für ein weiteres Jahr erhalten, er bekam seinen Landsmann und MotoGP-Rookie Bradley Smith zur Seite gestellt. Crutchlow glänzte 2013 mit zwei Pole-Positions (Assen und Brünn) und stand vier Mal auf dem Podium. In der WM-Wertung belegte er Platz 5.

Smith fuhr 2014 auf Phillip Island erstmals auf Rang 3, sein neuer Teamkollege Pol Espargaró, der als Moto2-Weltmeister in die MotoGP-Klasse kam, beendete seine Rookie-Saison auf Gesamtrang 6 – als bester Satelliten-Fahrer und Rookie des Jahres.

In den folgenden zwei Jahren blieb die Fahrerpaarung unverändert, beim Misano-GP 2015 sorgte Smith mit Platz 2 für den einzigen Podestplatz. Trotzdem beendete Tech3 die Saison 2016 zum fünften Mal in Folge als das bestplatzierte Independent-Team in der WM-Wertung.

2017 setzte Poncharal auf zwei MotoGP-Rookies – den zweifachen Moto2-Weltmeister Johann Zarco und den deutschen Hoffnungsträger Jonas Folger. Die Entscheidung sollte sich bezahlt machen: Der Franzose beeindruckte mit zwei Pole-Positions und drei Podestplätzen. Als WM-Sechster war er nicht nur der schnellste Rookie sondern auch der erste Independent-Fahrer.

Folger fuhr bei seinem Heim-GP auf dem Sachsenring auf Platz 2. Der Deutsche musste allerdings aus gesundheitlichen Gründen auf die letzten vier Grand Prix des Jahres verzichten und kehrte auch 2018 nicht in die MotoGP-WM zurück. Tech3 holte deshalb mit Hafizh Syahrin den ersten Fahrer aus Malaysia in die Königsklasse.

2018 legte Zarco einen rasanten Start hin und verpasste in Argentinien den ersten MotoGP-Sieg für sich und das Team um nur 0,251 Sekunden. In Jerez folgte ein weiteres Podium für den Franzosen, in das Heim-Rennen in Le Mans ging er von der Pole-Position aus – kam aber zu Sturz. Es sollte danach bis zum vorletzten Grand Prix in Sepang dauern, bis er wieder auf dem Treppchen stand – der ersehnte Sieg blieb aus.

Ein neues Kapitel mit der Pierer Mobility AG

Mit der Saison 2019 startete der französische Rennstall in eine neue Ära mit KTM: In der MotoGP-Klasse sorgte Rookie Miguel Oliveira mit Platz 8 in Spielberg für das beste Ergebnis der Saison.

Neben der Moto2-Klasse (mit Marco Bezzecchi und Philipp Öttl) bestritt Tech3 auch die Premierensaison des MotoE-Weltcups, in dem Hector Garzo auf Anhieb Podestplätze einfuhr.

Weil sich KTM als Chassis-Hersteller nach der Saison 2019 aus der Moto2-Klasse zurückzog, brachte auch 2020 eine große Neuheit mit sich: Erstmals trat Red Bull KTM Tech3 in der kleinsten Klasse der Motorrad-WM an – mit Deniz Öncü und Ayumu Sasaki. Letzterer sorgte beim Teruel-GP in Aragón für den ersten Podestplatz von Tech3 in der Moto3-WM.

Das Highlight der Saison 2020 war aber Miguel Oliveiras historischer Triumph beim Steiermark-GP auf dem Red Bull Ring von Spielberg: Der Portugiese machte Poncharal mit dem ersten MotoGP-Sieg zu «einem der glücklichsten Menschen auf Erden».

«Ein MotoGP-Sieg war immer ein Traum, ich glaubte aber nicht mehr daran, dass er je Wirklichkeit wird», gestand der Franzose.

Dabei blieb es nicht: Oliveira bescherte Tech3 in Portimão noch einen zweiten Sieg in der Königsklasse. In der WM-Tabelle schloss er als Neunter ab, danach stieg er ins Red Bull-KTM-Werksteam auf. Sein Teamkollege Iker Lecuona beendete die Saison als Rookie auf Rang 20.

2021 fielen die Ergebnisse mit Lecuona und Danilo Petrucci und den WM-Rängen 20 und 21 enttäuschend aus. 2022 scheiterte der Versuch mit zwei Klassen-Neulingen, Remy Gardner und Raúl Fernández fanden sich auf der RC16 nie zurecht. Das ernüchternde Ergebnis waren die WM-Ränge 23 bzw. 22.

Mehr Freude bereitete Poncharal zuletzt das Moto3-Team: Deniz Öncü stand in den vergangenen zwei Jahren sechs Mal auf dem Podest, nur Moto3-Sieg gelang keiner.

Aus deutschsprachiger Sicht blieb natürlich auch der MotoE-Sieg von Lukas Tulovic 2021 in Spielberg in Erinnerung.

2023 neu als GASGAS-MotoGP-Werksteam

Im neu formierten GASGAS Factory Racing Tech3 Team trifft 2023 der erfahrene Rückkehrer Pol Espargaró (31) auf den Moto2-Weltmeister Augusto Fernández (25).

Die neuen Farben werden am Samstagabend bei der «Launch Party» im neu erbauten GASGAS-Werk in Terrassa nahe Barcelona offiziell präsentiert. Die Enthüllung ist für 20.50 Uhr angesetzt.

Übrigens: In der Moto3-Klasse wird das GASGAS-Werksteam weiterhin von Jorge «Aspar» Martinez betrieben, Poncharal dagegen schickt in der Einsteigerklasse 2023 mit Dani Holgado und Rookie Filippo Farioli ein neues Duo für das Red Bull KTM Tech3 Team an den Start. In der MotoE-WM, die erstmals WM-Status hat, treten Alessandro Zaccone und Hikari Okubo für Tech3 E-Racing an.

Die Erfolge von Tech3* in der Klasse 500ccm/MotoGP: 33 Podestplätze, darunter 2 Siege.

  • Shinya Nakano (Sachsenring 2001 – 3.)
  • Alex Barros (Le Mans 2003 – 3.)
  • Marco Melandri (Montmeló 2004 – 3., Assen 2004 – 3.)
  • Colin Edwards (Le Mans 2008 – 3., Assen 2008 – 3., Donington 2009 – 2., Silverstone 2011 – 3.)
  • Ben Spies (Silverstone 2010 – 3., Indianapolis 2010 – 2.)
  • Andrea Dovizioso (Montmeló 2012 – 3., Assen 2012 – 3., Sachsenring 2012 – 3., Mugello 2012 – 3., Indianapolis 2012 – 3., Aragón 2012 – 3.)
  • Cal Crutchlow (Brünn 2012 – 3., Phillip Island 2012 – 3., Le Mans 2013 – 2., Sachsenring 2013 – 2., Mugello 2013 – 3., Assen 2013 – 3.)
  • Bradley Smith (Phillip Island 2014 – 2., Misano 2015 – 2.)
  • Jonas Folger (Sachsenring 2017 – 2.)
  • Johann Zarco (Le Mans 2017 – 2., Sepang 2017 – 3., Valencia 2017 – 2., Las Termas/Argentinien 2018 – 2., Jerez 2018 – 2., Sepang 2018 – 3.)
  • Miguel Oliveira (Spielberg 2020 – 1., Portimão 2020 – 1.)

*= 2001 bis 2018 mit Yamaha; 2019 bis 2022 mit KTM; ab 2023 mit GASGAS.

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