KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Alex Rins von Honda enttäuscht: Zukunft bei Yamaha

Von Günther Wiesinger
Weil er bei Honda auch nach dem Sieg in Texas stiefmütterlich behandelt wurde, plant Alex Rins einen Wechsel ins Yamaha-Werksteam. Die Hintergründe werfen kein gutes Licht auf Honda.

Von den Verantwortlichen bei Yamaha Motor Racing wird momentan weder bestätigt noch dementiert, dass der sechsfache MotoGP-Sieger Alex Rins (27) nach der Saison 2023 den Platz neben Fabio Quartararo übernehmen und der Vertrag mit Franco Morbidelli nicht verlängert wird. Doch schon im vergangenen Jahr hatte «Morbido» nach zwei enttäuschenden Jahren monatelang um seinen Platz im Yamaha-Werksteam bangen müssen.

«Für mich steht fest, dass Rins nächstes Jahr für Yamaha fahren wird», stellte Carlo Pernat im Gespräch mit SPEEDWEEK.com fest.

Die italienische Fahrer-Manager-Legende kümmert sich aktuell um die Geschicke des letztjährigen MotoGP-WM-Dritten Enea Bastianini (im Ducati Lenovo-Werksteam) und um Moto2-WM-Leader Tony Arbolino (Marc VDS Team). Er verfügt über Insiderwissen, da er Arbolino zu Yamaha bringen wollte – und dort offenbar jetzt die Türen verschlossen sind.

Alex Rins kam nach sechs Suzuki-Ecstar-Jahren und fünf Siegen mit der GSX-RR-Reihenvierzylinder-Maschine im November zu Honda und wurde ins LCR-Kundenteam transferiert. Obwohl Rins im Vorjahr zwei der letzten drei Rennen gewann (Phillip Island und Valencia) wurde sein Teamkollege Joan Mir (bisher ein MotoGP-Sieg) von HRC ins Repsol-Honda-Team gesteckt.

Joan Mir hat zwar 2020 die nur 14 Rennen umfassende Corona-WM 2020 auf Suzuki für sich entschieden, stand und steht aber meist im Schatten von Rins. Auch 2023 – er hat erst fünf WM-Punkte eingesammelt.

Die Manager der Honda Racing Corporation haben Alex Rins offenbar mit großen Versprechungen geködert, die nie wirklich eingehalten wurden. Deshalb verliefen schon die Wintertests recht enttäuschend.

Rins beendete dann mit dem Triumph im April in Texas nach 539 sieglosen Tagen die längste Durststrecke von Honda in der Königsklasse.

Doch aus dem Umfeld des Spaniers ist zu hören, HRC habe ihm nie das zugesagte aktuelle Werksmaterial zur Verfügung gestellt.

Diese Behauptungen wurden in Assen genährt, als Rins-Ersatzfahrer Stefan Bradl am Freitag und Samstag erstens keines der fünf gelieferten Kalex-Chassis bekam und mit Rahmen des Baujahrs 2022 vorlieb nehmen musste. Erst im 10-min-Warm-up am Sonntag bekam Bradl ein Kalex-Chassis, weil Marc Márquez inzwischen wieder auf die japanischen TSR-Rahmen zurückgekehrt war und sowieso auf die Rennteilnahme verzichtete, nachdem er am Samstag im Sprint nicht über Platz 17 hinausgekommen war.

Die gegnerischen Teams wundern sich über die HRC-Politik, die offenbar das LCR-Kundenteam (es ist seit 2006 treu mit Honda durch dick und dünn gegangen) diskriminiert, obwohl es in der Team-WM besser platziert ist und beide Fahrer (Rins und Nakagami) in der WM vor den Repsol-Stars Marc Márquez und Joan Mir aufscheinen.

Oder gerade deswegen?

Rins: Im LCR-Kundenteam von HRC vernachlässigt

Schon 2022 klagten die beiden LCR-Piloten Taka Nakagami und Alex Márquez, sie hätten vom ersten bis zum letzten Grand Prix kein einziges Technik-Update erhalten.

Mit diesem Schicksal sah sich jetzt offenbar auch Alex Rins konfrontiert, der nach dem Sieg in Texas bei drei Grands Prix punktelos geblieben war. Er zeigte sich frustriert, weil er weder beim Montag-Test in Jerez (im Gegensatz zu Joan Mir) eine Kalex probieren durfte, noch in Le Mans oder Mugello.

Wie schlagkräftig die Technik-Crew von LCR um Technical Director Christophe Bourguignon agiert, zeigte sich nicht nur in Texas, wo Rins als einziger Honda-Pilot drei Tage lang vorne mitfuhr (Platz 2 im Sprint, Sieg am Sonntag). Das Team baute danach auch ein Chassis für Mugello so um, dass Rins am Freitag die drittbeste Zeit des Tages gelang.

Kundenteams wie Pramac und das GASGAS-Tech3-Team werden von Ducati und KTM längst mit erstklassigem Material der neuesten Jahrgänge ausgestattet. Ein Rezept, dass sich erstklassig bewährt hat. Jorge Martin gewann zwei Rennen für Pramac, Oliveira siegte 2020 zweimal auf der Tech3-KTM. Und Yamaha gewann mit den Kunden-Piloten Morbidelli und Quartararo 2020 sechs Rennen, Morbido wurde WM-Zweiter.

Die Honda-Manager hingegen scheint es wenig zu stören, dass sie 2022 in der Marken-WM auf den sechsten und letzten Platz abstürzten und 2023 hinter den einst belächelten drei europäischen Marken Ducati, Aprilia und KTM torkeln.

Jetzt deutet alles auf einen Wechsel von Alex Rins zu Yamaha hin.

Der 27-jährige Spanier, seit dem Samstag in Mugello mit einem komplizierten Schien- und Wadenbeinbruch ausser Gefecht, beruft sich auf eine Ausstiegsklausel bei einem Angebot durch ein Werksteam. Zweitens hat er von HRC bei LCR bisher nicht das offenbar versprochene konkurrenzfähige oder zumindest neue Material und die Behandlung bekommen, die ihm bei der Vertragsunterzeichnung zugesichert worden ist.

Mit Gewalt lässt sich sowieso kein enttäuschter Fahrer bei der Stange halten. Das hat man 2019 bei Zarco und KTM sowie bei Lorenzo und Repsol gesehen, 2020 bei Martin und KTM und 2021 bei Viñales und Yamaha.

LCR-Honda-Teambesitzer Lucio Cecchinello muss jetzt aller Voraussicht nach einen neuen Topfahrer suchen. Kein leichtes Unterfangen. Man muss kein Prophet sein, um sich auszumalen, dass er mit dem von Alberto Puig ins Spiel gebrachten Iker Lecuona keine Freude hat.

Die Berichte, Lucio Cecchinello habe Kontakt zu Johann Zarco aufgenommen, der im Herbst 2019 drei Rennen für LCR bestritten hat, entsprechen nicht den Tatsachen.

Wahr ist hingegen: Zarcos Manager hat sich bei LCR nach der Situation erkundigt, denn Zarcos Vertrag mit Ducati läuft aus, die Option wurde bisher nicht eingelöst. Also klopft er bei allen anderen Teams an. Aber Ducati hat versichert, das Fahrerduo bei Pramac soll unverändert bleiben. 

Übrigens: Alex Rins hat sechs Jahre mit dem Reihenvierzylinder von Suzuki hinter sich. Er kennt also die Vorzüge und Nachteile dieser Bauart und hat mit der GSX-RR fünfmal gewonnen.

Yamaha-Star Fabio Quarartaro wünscht sich einen Fahrer mit MotoGP-Erfahrung. Auch diese Bedingung erfüllt Rins – er hat 105 Einsätze in der «premier class» hinter sich. 

MotoGP-Ergebnisse, Assen (25. Juni):

1. Bagnaia, Ducati, 26 Rdn in 40:37,640 min
2. Bezzecchi, Ducati, + 1,223 sec
3. Aleix Espargaró, Aprilia, + 1,925
4. Brad Binder*, KTM, + 1,528
5. Martin, Ducati, + 1,934
6. Alex Márquez, Ducati, + 12,437
7. Marini, Ducati, + 14,174
8. Nakagami, Honda, + 14,616
9. Morbidelli, Yamaha, + 29,335
10. Augusto Fernández, KTM, + 33,763
11. Savadori, Aprilia, + 35,084
12. Raúl Fernández, Aprilia, + 39,622
13. Bradl, Honda, + 42,504
14. Folger, KTM, + 45,609
– Di Giannantonio, Ducati, 8 Runden zurück
– Lecuona, Honda, 12 Runden zurück
– Oliveira, Aprilia, 14 Runden zurück
– Bastianini, Ducati, 20 Runden zurück
– Viñales, Aprilia, 23 Runden zurück
– Quartararo, Yamaha, 24 Runden zurück
– Zarco, Ducati, 24 Runden zurück
– Miller, KTM, 25 Runden zurück

*= ein Platz zurück («track limits»-Vergehen)

Ergebnisse MotoGP-Sprint Assen (24. Juni):

1. Bezzecchi, Ducati, 13 Rdn in 20:09,174 min
2. Bagnaia, Ducati, +1,294 sec
3. Quartararo, Yamaha, +1,872
4. Aleix Espargaró, Aprilia, +2,245
5. Brad Binder*, KTM, +4,582
6. Martin, Ducati, +5,036
7. Viñales, Aprilia, +5,876
8. Bastianini, Ducati, +10,102
9. Alex Márquez, Ducati, +10,525
10. Marini**, Ducati, +10,556
11. Miller, KTM, +11,191
12. Nakagami, Honda, +11,473
13. Zarco, Ducati, +15,439
14. Augusto Fernández, KTM, +17,754
15. Morbidelli, Yamaha, +19,508
16. Savadori, Aprilia, +19,664
17. Marc Márquez, Honda, +19,916
18. Raúl Fernández, Aprilia, +20,583
19. Oliveira, Aprilia, + 24,269
20. Lecuona, Honda, +24,727
21. Folger, KTM, +32,056
22. Bradl, Honda, +35,372
– Di Giannantonio, Ducati, 10 Runden zurück
*= erhielt 3 sec Strafe
**= erhielt 0,5 sec Strafe

WM-Stand nach 16 von 40 Rennen:

1. Bagnaia, 194 Punkte. 2. Martin 159. 3. Bezzecchi 158. 4. Binder 114. 5. Zarco 109. 6. Marini 98. 7. Miller 79. 8. Aleix Espargaró 77. 9. Quartararo 64. 10. Alex Márquez 63. 11. Morbidelli 57. 12. Viñales 56. 13. Rins 47. 14. Augusto Fernández 42. 15. Nakagami 34. 16. Di Giannantonio 34. 17. Oliveira 27. 18. Bastianini 18. 19. Marc Márquez 15. 20. Pedrosa 13. 21. Savadori 9. 22. Folger 9. 23. Raúl Fernández 8. 24. Pirro 5. 25. Petrucci 5. 26. Mir 5. 27. Bradl 5.

Konstrukteurs-WM:

1. Ducati, 285 Punkte. 2. KTM 153. 3. Aprilia 121. 4. Honda 89. 5. Yamaha 82.

Team-WM:

1. Prima Pramac Racing, 268 Punkte. 2. Mooney VR46 Racing 256. 3. Ducati Lenovo Team 222. 4. Red Bull KTM Factory Racing 193. 5. Aprilia Racing 133. 6. Monster Energy Yamaha 121. 7. Gresini Racing 97. 8. LCR Honda 84. 9. GASGAS Factory Racing Tech3, 51. 10. CryptoDATA RNF 39. 11. Repsol Honda 20.

 

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