Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Martin & Zarco: Bikes bei «Aero Body» nicht identisch

Von Günther Wiesinger
Als sich Jorge Martin und Johann Zarco am Samstag beim Phillip-Island-GP um den Sieg stritten, wurden Unterschiede an den Motorrädern sichtbar. Aber nur bei der Aerodynamik!

Bei unserem Johann-Zarco-Interview am Sonntag, in dem er auch über die gelungene Aufführung des einst üblichen Rückwärtssaltos sprach, waren auf einem Bild die Pramac-Ducati von Zarco und Martin nebeneinander zu sehen. Danach mutmasste ein aufmerksamer SPEEDWEEK.com-User, die beiden MotoGP-Sieger würden von Ducati nicht dasselbe Material erhalten.

Diese Feststellung ist nur bedingt richtig. Denn sowohl Martin als auch Zarco haben Werksverträge bei Ducati Corse und bekommen zum Saisonstart jeweils die Werksmaschinen neuester Bauart, für die laufende Saison also zwei Ducati GP23 mit der neuesten «engine specification». Aber falls Chassis-Updates an die Rennstrecken geliefert werden, können die Fahrer wie auch bei anderen Werken selbst entscheiden, mit welcher Version sie schneller sind oder sich wohler fühlen.

Und auch beim Elektronik-Set-up bekommt jeder Werkspilot eine «customized»-Abstimmung, denn die ältere Fahrergeneration will mehr Entscheidungsfreiheit für die Gashand haben, die jüngeren Fahrer verlassen sich teilweise sehr stark auf das «corner by corner»-Set-up der Traction Control und weniger auf ihr Fingerspitzengefühl.

Gewinnen kann man auch heute noch mit beiden Methoden.

Zurück zum Pramac-Team: Man sieht bei aufmerksamer Betrachtung, dass Zarco und Martin auf ihren GP23-Werksmaschinen unterschiedliche «Aero Bodys» bevorzugen.

Zur Erinnerung: Jedes MotoGP-Team kann pro Fahrer und Saison bei MotoGP Technical Director Danny Aldridge zwei unterschiedliche Aero Bodys homologieren lassen, jeder Fahrer kann eine eigene Version bevorzugen und auswählen.

In der Regel wird eine erste Version zum Saisonstart homologiert und nach einigen Windkanaltests und womöglich zwei Montag-Tests wird ein Update zur Homologation gebracht. Beide Verkleidungen können dann wahlweise und je nach Strecke und sogar Witterung (Wind, Regen) eingesetzt werden.

Bei Zarco und Martin sind wegen der unterschiedlichen Fahrstile zwei unterschiedliche Aerodynamik-Versionen im Einsatz.

Der WM-Zweite Jorge Martin, der am Samstag im 27-Runden-Rennen während 26 Runden und vier Kurven führte, vertraut zum Beispiel unten an der Verkleidung auf die «downwash Ducts», er fährt auch immer mit den neuen «fork wings», den kleinen zusätzlichen Flügeln an der Gabel. Pecco Bagnaia lässt die kleinen Wings nur gelegentlich montieren.

Die im Herbst 2022 erstmals aufgetauchten Heck-Spoiler, die von Enea Bastianini die Bezeichnung «Pokémon-Flügel» bekamen, fahren die meisten Ducati-Piloten.

Der WM-Fünfte Johann Zarco bevorzugt aber eine andere Aerodynamik als Martin. Er vertraute auch bei seinem Sieg auf die «Ground effect»-Verkleidung mit den seitlichen Einkerbungen (Finnen), die mehr Abtrieb («downforce») erzeugen sollen.

Übrigens wurde wegen der üblichen stürmischen Winde auf Phillip Island längst eine Ausnahme bewilligt: Die Teams können nur dort quasi einen dritten Aero Body einsetzen, bei dem von der Basisverkleidung alle Winglets und anderen homoligerten aerodynamischen Hilfsmittel demontiert sind, aber wirklich alle, also von ganz oben bis ganz unten.

Uns ist aber beim Australien-GP kein völlig flügelloses MotoGP-Fahrzeug aufgefallen.

Manche GP-Beobachter können sich erinnern, dass vor einigen Jahren die Teams dem böigen und gefährlichen Seitenwind in allen Klassen durch zahlreiche gebohrte Löcher in den Seitenverkleidungen zu Leibe gerückt sind.

Diese Methode wird jedoch inzwischen nicht mehr angewendet. Sie ist auch verboten, weil die Verkleidung dann nicht mehr der homologierten Version entsprechen würde.

Zusammenfassend: Johann Zarco und Jorge Martin haben identische «bike specifications», sie entsprechen auch den Lenovo-GP23-Motorrädern von Bagnaia und Bastianini, aber bei der Aerodynamik haben die beiden Teamkollegen unterschiedlichen Vorlieben.

Ergebnis MotoGP-Rennen, Phillip Island (21.10.):

1. Zarco, Ducati, 27 Rdn in 40:39,446 min
2. Bagnaia, Ducati, + 0,201 sec
3. Di Giannatonio, Ducati, + 0,477
4. Binder, KTM, + 0,816
5. Martin, Ducati, + 1,008
6. Bezzecchi, Ducati, + 8,827
7. Miller, KTM, + 9,283
8. Aleix Espargaró, Aprilia, + 9,387
9. Alex Márquez, Ducati, + 9,696
10. Bastianini, Ducati, + 12,523
11. Viñales, Aprilia, + 13,992
12. Marini, Ducati, + 17,078
13. Oliveira, Aprilia, + 19,443
14. Quartararo, Yamaha, + 20,949
15. Marc Márquez, Honda, + 21,118
16. Raúl Fernández, Aprilia, + 32,538
17. Morbidelli, Yamaha, + 37,663
18. Pol Espargaró, KTM, + 37,668
19. Nakagami, Honda, + 37,758
Sturz: Augusto Fernández, KTM
Sturz: Joan Mir, Honda
Nicht gestartet: Alex Rins, Honda

MotoGP-WM-Stand nach 31 von 39 Rennen:

1. Bagnaia, 366 Punkte. 2. Martin 339. 3. Bezzecchi 293. 4. Binder 224. 5. Zarco 187. 6. Aleix Espargaró 185. 7. Viñales 170. 8. Marini 148. 9. Miller 144. 10. Quartararo 134. 11. Alex Márquez 115. 12. Di Giannantonio 86. 13. Morbidelli 79. 14. Oliveira 76. 15. Augusto Fernández 67. 16. Marc Márquez 65. 17. Rins 54. 18. Nakagami 50. 19. Bastianini 42. 20. Raúl Fernández 39. 21. Pedrosa 32. 22. Mir 20. 23. Pol Espargaró 12. 24. Savadori 9. 25. Folger 9. 26. Bradl 8. 27. Pirro 5. 28. Petrucci 5. 29. Crutchlow 3.

Konstrukteurs-WM:

1. Ducati, 552 Punkte (Weltmeister). 2. KTM 296. 3. Aprilia 274. 4. Yamaha 154. 6. Honda 150.

Team-WM:

1. Prima Pramac Racing, 526 Punkte. 2. Mooney VR46 Racing 441. 3. Ducati Lenovo Team 418. 4. Red Bull KTM Factory Racing 368. 5. Aprilia Racing 355. 6. Monster Energy Yamaha 213. 7. Gresini Racing 201. 8. CryptoDATA RNF 119. 9. LCR Honda 110. 10. GASGAS Factory Racing Tech3, 88. 10. Repsol Honda 85.


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