Donington 2005: Mehr Speed-Boot als MotoGP
Am 24. Juli 2005 verwandelte sich Donington Park in ein riesiges Planschbecken. Die MotoGP erlebte auf der britischen Traditionsstrecke, auf der zwischen 1987 und 2009 die Rennen der Motorrad-WM stattfanden, eines ihrer denkwürdigsten Rennen, aus dem Valentino Rossi in einer wahren Wasserschlacht zu einem seiner härtesten Siege fuhr.
Schon das ganze Wochenende über war das Wetter unbeständig. Während das Qualfiying am Samstag noch bei trockenen Bedingungen stattfand, brannte Rossi mit seiner Yamaha M1 eine überlegene Pole-Zeit von 1:27,897 min in den Asphalt. Zum Vergleich: Heutzutage donnern die Superbike-Asse wie Toprak Razgatlioglu mit der BMW M1000RR in 1:24,8 min um den Kurs in Donington – die heutigen Superbikes haben ein höheres Level als die MotoGP-Raketen von vor 20 Jahren. Damals aber half die beste Elektronik nichts bei den Bedingungen, die am Renntag herrschten.
Am Sonntag kam das böse Erwachen: Regen setzte ein, verwandelte den Kurs in ein einziges Rutschfest und sorgte dafür, dass die Rundenzeiten im Rennen fast 20 Sekunden über den Quali-Werten lagen. Die ersten Meter nach dem Start gehörten nicht Rossi. Er kam nur als Vierter aus der ersten Runde zurück, während Sete Gibernau auf seiner Gresini-Honda ein enormes Tempo vorlegte. Der Spanier nahm der Konkurrenz in der Einführungsrunde gleich mehr als zwei Sekunden ab, dahinter klemmte sich der brasilianische Regenspezialist Alex Barros an dessen Gischt. Rossi lauerte noch hinter Marco Melandri.
Die Bedingungen waren äußerst tückisch. Gibernau übertrieb es schon in Runde vier und rutschte ins britische Kiesbett. Damit erbte Rossi die Führung, doch von einem ruhigen Nachmittag war er weit entfernt. Die Suzuki-Piloten John Hopkins und Kenny Roberts jr. sahen ihre Chance auf nassem Asphalt, wo PS und Chassis weniger zählen als das reine Talent. Beide mischten vorne mit – Hopkins führte kurzzeitig, dann auch sein Teamkollege Roberts jr., der sonst mit der Suzuki Mühe hatte, in die Top-10 zu fahren. Für ein paar Runden lag dann Barros an der Spitze.
Das Rennen entwickelte sich zu einem Überlebenskampf. In den ersten zehn von insgesamt 29 Runden, also auf nicht einmal der Hälfte der Distanz von gut 116 Kilometern, stürzten bereits neun der 21 Starter. Max Biaggi flog früh per Highsider von seiner Repsol-Honda, sammelte das Motorrad wieder ein, um wenig später endgültig zu crashen und es im Regen stehen zu lassen. John Hopkins legte seine Suzuki gleich zweimal auf den Boden und fuhr trotzdem weiter, um am Ende tapfer als Elfter noch das Ziel zu sehen.
Währenddessen hatte sich Rossi sortiert und machte ernst. Er schnappte sich Barros und fuhr in der Schlussphase pro Runde eine Sekunde schneller als die Konkurrenz. Innerhalb weniger Umläufe setzte er sich um bis zu acht Sekunden ab und brachte das Yamaha-Schiff sicher über die Ziellinie. Zweiter wurde Kenny Roberts jr., der sich damit sein erstes Podium seit dem Rio-GP 2002 holte. Barros rettete immerhin Rang drei. Für Roberts war dieser zweite Platz ein letztes Karriere-Highlight für Suzuki, denn in jener Saison hatte er ansonsten kein einziges Top-5-Resultat geholt und landete meist nur auf Positionen jenseits der Top-10.
Von 21 gestarteten Piloten kamen nur elf ins Ziel – nur beim vergangenem Sachsenring-GP kamen noch weniger Fahrer ins Ziel. Von den elf Piloten in Donington Park waren allerdings auch drei überrundet.
«Das war das härteste Rennen meiner gesamten Karriere – die Bedingungen waren unglaublich. Es war sehr, sehr kalt und die Strecke extrem rutschig», äußerte sich der damals 26-jährige Rossi nach dem Rennen. «Heute fühlte es sich nicht so an, als würde ich ein Motorrad fahren, sondern eher wie ein Boot, weil so viel Wasser zwischen Reifen und Asphalt war – das Hinterrad hat ständig durchgedreht und das Vorderrad blockiert. Ich konnte es kaum glauben, als ich auf mein Boxenschild schaute und sah, dass noch 16 Runden zu fahren waren.»
Auch in den kleineren Klassen, der 250 ccm und 125 ccm, hatten die Regenspezialisten ihre große Stunde. Nachdem das Rennen der kleinsten Kategorie neu gestartet werden musste, da der Regen einsetzte, gewann Julian Simon sein erstes GP-Rennen vor Mike di Meglio und Fabrizio Lai. In der Viertelliter-Klasse gewann Randy de Puniet vor Anthony West und Casey Stoner. West sicherte übrigens in dieser Kategorie für KTM die ersten WM-Punkte.