Spielberg-Soundprobe: Das Schaulaufen der GP-Legenden
Kurz nachdem das Feld der Moto2-WM über die Ziellinie gegangen war und die heiser kreischenden Triumph-Dreizylinder verstummt waren, griff eine einzigartige Gruppe von Motorrad-Ikonen zu ihren Helmen. Nachdem die mit viel Vorlauf und enormem Aufwand von den Hausherren am Red Bull Ring organisierte Legendenparade am Sprint-Samstag einer kräftigen Regendusche zum Opfer gefallen war (für die meisten der exklusiven Rennen standen nur Slicks parat), spielten der Wetter- und Rennsport-Gott am Sonntag zusammen.
Von einem eigenen Ausstellungsbereich der Legenden-Bikes machte sich eine Stunde vor dem Rennen der MotoGP eine bislang noch nie gemeinsam dagewesene Heldenmannschaft auf den Weg. Angefangen von Gustl Auinger auf der Zweitakt-125er bis Casey Stoner auf dem Honda-MotoGP-Übergerät RC212V-S – allen Anwesenden blieb nichts anderes übrig, als sich mit weit aufgerissenen Augen einem einmaligen Grand-Prix-Orchester hinzugeben.
Der Reihe nach. Hinter Auinger, der sein WM-Motorrad der Saison 1986 in Eigenregie wieder zum Leben erweckt hatte und mit dem Österreicher und jetzige Red Bull Rookies Cup-Mentor im selben Jahr den Silverstone-GP gewonnen hatte, zündeten weitere Zweitakter. MotoGP-Legende Andrea Dovizioso durfte die perfekt restaurierte 500er-Werks-Yamaha des vierfachen Weltmeisters Eddie Lawson bewegen. Am Hinterrad zwei weitere, spätere Ausbaustufen der YZR 500. Simon Crafar, jetzt Chef der MotoGP-Stewards und italiens GP-Ikone Luca Cadalora steuerten die giftigen Halbliter-Raketen.
Gänsehaut auch beim Match der Viertelliter-Konkurrenz. Loris Capirossi zog genauso seine Runden auf der legendären Drehschieber-Aprilia wie der jetzige Honda-Manager Hiroshi Aoyama. Der Japaner sprang noch einmal ins Red Bull-KTM-Leder und bewegte die stärkste 250er (über 110 PS) aller Zeiten aus der Werkstatt von Harald Bartol, der ebenfalls am Red Bull Ring zu Gast war.
Wie die Werks-KTM aus Mattighofen, wurden auch Kawasakis GP-Zweitakter von einem Reihenmotor befeuert. Das Meisterstück der Ära hieß KR350 und führte den Bayer Toni Mang vor 43 Jahren zum Weltmeistertitel. Der erfolgreichste deutschsprachige Grand-Prix-Fahrer aller Zeiten machte im giftgrünen Leder mit seinem Original-Renner der Saison 1982 eine gute Figur. Für die Schweiz am Start: Tom Lüthi. Statt auf der 125er-Sieger-Honda bewegte Intact-Riding-Coach standesgemäß seine ehemalige Moto2-Kalex.
Der vermeintliche Chef-Dirigent der sensationellen Parade kam aber aus dem italienischen Viertaktlager. Als die MV Agusta aus der GP-Saison 1969 mit dem rund 85 PS starken Dreizylinder gestartet wurde und ihr Ex-Pilot – Giacomo Agostini – mit weltmeisterlicher Souveränität auf den Kurs beschleunigte, hatte sich der Aufwand zur Legenden-Parade endgültig gelohnt. Gänsehaut mal zigtausend.