Werbung oder Kunst? Die Kult-Plakate aus Japan
Wer sich die Poster der MotoGP-Rennen weltweit ansieht, erkennt klare Muster: In Europa dominieren dynamische Actionfotos, in Übersee greift man auf klassische Layouts mit Sponsorenlogos zurück. Ganz anders war dies jahrelang in Japan: Dort wurde der Grand Prix über Jahre hinweg mit einer visuellen Handschrift beworben, die ein Markenzeichen im Land der aufgehenden Sonne ist – dem Anime-Stil.
In den 2010er-Jahren prägte die Künstlerin Ranka Fujiwara die Plakate des Japan-GP. Ihr Stil war unverkennbar: überzeichnete Gesichter, große Augen, dramatische Linienführung und knallbunte Farben, kombiniert mit Motorrädern in voller Schräglage und strahlenden Anime-Posen der MotoGP-Helden. Mal stand ein mürrischer Jorge Lorenzo im Vordergrund, später Marc Marquez. Immer präsent: Valentino Rossi. Viele Fahrer mussten über die überzeichneten Details schmunzeln.
Mit der Zeit wuchs auch der Sammlerwert dieser Arbeiten. Fans weltweit versuchten, an Originale zu kommen, was lange schwierig war. Erst seit kurzem sind einige der Fujiwara-Plakate offiziell über MotoGP Authentics als Reprints erhältlich, darunter die Ausgaben von 2012, 2013 und 2016. Damit wurde ein Stück MotoGP-Geschichte auch für Sammler außerhalb Japans zugänglich.
Einen Lieblingsfahrer hatte Fujiwara übrigens: Cal Crutchlow. Auf ihrem Instagram-Profil finden sich zahlreiche Illustrationen in unterschiedlichen Stilen vom Briten, den sie auch persönlich treffen durfte.
Die Plakate erreichten nicht nur aufgrund des Stils Kultstatus. Jahrelang gaben sie dem Japan-GP ein unverwechselbares Gesicht. Sie verliehen dem Rennen einen gewissen Wiedererkennungswert, zeigten die japanische Kreativität und gaben einen Einblick in die Mangaka- und Anime-Kultur, wegen der jährlich Millionen Touristen nach Japan reisen und einige den Abstecher zum Twin Ring Motegi machen.
Unter Fans gilt dieser japanische GP-Posterstil als «unglaublich verrückt», wie ein Reddit-Eintrag enthusiastisch bemerkte: «Japan hat immer coole Poster. Warum können wir diese nicht kaufen?» Der Zugang zu Originalpostern ist oft limitiert, viele Fans jagen Reproduktionen der offiziellen Drucke nach. Zusätzlich tauchen Beiträge von Ranka Fujiwara regelmäßig in Fan-Communities auf.
Die Ära der Fujiwara-Poster dauerte nicht ewig. Inzwischen hat sich die MotoGP von Fujiwaras Manga-Stil verabschiedet und setzt auf ein vereinheitlichtes Konzept. Beim Grand Prix am vergangenen Wochenende präsentierte sich das Poster in einer anderen Formensprache: Abgebildet waren Ai Ogura und Marc Marquez, dahinter die aufgehende Sonne als Stilmittel, flankiert von Bonsai-Bäumen und einem traditionellen Torii-Tor.
Statt Manga-Comic setzt man heute auf einen Stil, der stärker auf Realismus setzt und wie auf den anderen offiziellen Postern typische Elemente und Symbole des Austragungslandes nutzt. Die Japanerin ist auch heute noch gern gesehener Gast im Paddock der MotoGP. Cal Crutchlow traf sie diesmal beim Japan-GP jedoch nicht an.