MotoGP-Zukunft der Marquez-Brüder ist offen

Videostudium mit Marc Marquez und Valentino Rossi

Von Waldemar Da Rin
Der Schweizer Serge Andrey ist im MotoGP-Paddock ein gefragter Mann. Er arbeitete bereits mit Marc Marquez, Valentino Rossi, Nicky Hayden, Andrea Dovizioso und Stefan Bradl zusammen. Was seine Arbeit einzigartig macht.

Serge «Menzi» Andrey war schon immer begeistert vom Motorsport und fuhr selber in der Schweizer Meisterschaft zwei Jahre im Promo-Cup 125. Schon damals tüftelte er am Motorrad und suchte Wege, die Leistung zu verbessern oder zu optimieren. «Heute heißt das Telemetrie», meinte Serge, der schon als Jugendlicher Menzi genannt wurde, weil sein Vater in der Westschweiz die Vertretung für Menzi Muck Schreitbagger hatte.

Nach der Schule machte er eine Lehre als Lastwagenmechaniker, und nach dem obligatorischen Militärdienst arbeitete er noch zwei Jahre auf dem Beruf, bevor er begann, sich intensiver für Computer zu interessieren.

«1993 habe ich mit Bernard Hänggeli zusammengearbeitet und war einer der ersten, der an der 250er-Aprilia Telemetrie benutzte. Dann kamen die Supersportler Stephane Chambon und Fabrizio Pirovano dazu. 2009 begann ich mit den Videos», erzählte Andrey im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Mein erster Kunde war der Franzose Maxime Berger. Mit ihm startete ich den ersten Test in Assen in der Superstock 1000-Klasse. Vor 12 Jahren begann ich mit den Parallelvideos. Die Idee kam mir, als im Skirennsport der Parallelslalom eingeführt wurde, wo zwei Fahrer auf zwei nebeneinanderliegenden identischen Pisten gegeneinander antreten. Ich wollte aber noch weitergehen und habe Programme entwickelt, wo ich die Bilder der Fahrer überlagern konnte. So kann man genau sehen, wo die Fahrer jeweils anbremsen, in die Kurve einbiegen, die Linie, die sie wählen und wo sie wieder Beschleunigen. Als ich am Anfang die Fahrer angefragt habe, ob sie Interesse an diesen Aufnahmen hätten, meldete sich auch Valentino Rossi. Mit ihm und Nicky Hayden arbeitete ich zwei Jahre bei Ducati zusammen. Mit Hayden waren es sogar drei Jahre. Nach Sylvain Guintoli, Andrea Dovizioso, Stefan Bradl und Carl Crutchlow folgten acht Jahre mit Marc Marquez zusammen. Unglaublich eigentlich, dass ich meine Methode so lange geheim halten konnte, weil ich mir bewusst war, dass meine Idee kopiert werden wird – was mittlerweile auch geschehen ist. Nur, die anderen haben erst damit angefangen, ich habe aber schon 15 Jahre Erfahrung damit. Als ich damals die Teams direkt angefragt hatte, ob sie Interesse haben, wurde ich abschätzig abgewiesen, sowas brauche es im Motorsport nicht. Bei den eher konservativen Teams hieß es, Probleme löse man mit Werkzeug und nicht mit dem Computer. Und jetzt? Wie viele machen das jetzt? Ich glaube, fast alle MotoGP-Teams.»

In der heutigen Zeit, wo es um Tausendstelsekunden geht, sind die Fahrer dankbar und schätzen diese Videos auch, weil sie so selber sehen, wo sie sich noch verbessern können.

Serge zeigt mir eine Aufnahme von Aragon 2025, wo in einem Sektor mit drei Kurven Somkiat Chantra genauso schnell ist wie Marc Marquez. Am Ausgang der dritten Kurve liegt der Honda-Fahrer aus Thailand sogar eine halbe Motorradlänge vorne. «Leider darf ich diese Aufnahmen nicht freigeben, sonst kriege ich Ärger mit meinem Arbeitgeber. Denn auf den Videos sind auch alle technischen Daten sichtbar und da sind die Werksteams sehr sensibel», schmunzelte er.

Serge weiter: «Ich zeige dir jetzt eine Aufnahme von Bagnaia und eine von Rins, als er bei LCR fuhr. Du bist der Riding Coach und sagst mir, wer schneller ist und wie du das nachher dem Fahrer erklären willst.» Dann legt er die zwei Aufnahmen übereinander und man sieht den Unterschied sofort.

Dann schilderte Serge ein Erlebnis, welches die Besessenheit von Marc Marquez verdeutlichte: «Vergangenes Jahr war ich in Austin auf dem Turm, sehr beeindruckend übrigens. Bagnaia war im Qualifying eine Zehntel schneller als Marc. Er hat auf dem Video gesehen, wie Bagnaia über die Kerbs gerattert ist. Ich sagte ihm, das würde im Rennen nicht funktionieren, weil es zu gefährlich sei. Marc sagte zu mir, geh im Warm-up an die gleiche Stelle und was hat er gemacht? Er ist bei jeder Runde über die Kerbs gefahren und war dann ein Zehntel vor Bagnaia. So ist er eben. Zweiter zu sein ist nicht gut genug für ihn. Aber auch Valentino hat sich die Zeit genommen, die Videos anzuschauen – nicht ganz so intensiv wie Marc. Aber wir wissen ja, wie beliebt er war und seine Auftritte sehr begehrt und gewünscht waren.»

«Im Fussball sind bei der Champions League 25 Kameras vor Ort und der FC Barcelona bringt selber zusätzlich zwei eigene Kameramänner mit. Warum wohl? Weil sie dann jeden einzelnen Spieler filmen und dann seinen Einsatz bewerten oder kritisieren, je nach dem», sagte Serge schmunzelnd und erzählte von seinen Anfängen: «Als ich damit anfing, hatte ich natürlich die ersten drei oder vier Jahre nicht die beste Ausrüstung. Nicht so professionell wie in den letzten Jahren, seien dies der Computer, die Bildschirme und auch die Kameras. Es ist überhaupt nicht so einfach, den Fahrer immer in der Mitte des Bildes zu halten und nicht zu verwackeln. Marc kam einmal in Aragon zu mir auf die Tribüne und hat es selber versucht. Nach einer Viertelstunde gab er es auf und verwarf lachend die Hände. Er hatte sich immer viel Zeit genommen, die Videos anzuschauen, denn er wie auch seinem Bruder Alex war sofort klar, dass diese Aufnahmen nur von Vorteil sein können.» Im Team von LCR arbeitet Serge in erster Linie mit Johann Zarco und Somkiat Chantra zusammen, aber auch die beiden Honda-Werksfahrer Joan Mir und Luca Marini profitieren von seinen Videos. Teambesitzer Lucio Cecchinello kommt zwischendurch nach dem Training in den Auflieger, wo Serge sein Studio fix eingerichtet hat. Zusammen analysieren sie dann ihre Fahrer – und die Gegner.

«Dann gibt es ein Meeting mit Honda und wir besprechen, wo ich das nächste Training filmen soll», erklärte Serge. «Am liebsten filme ich von einer Tribüne, denn so habe ich mehr Übersicht, so wie eine dritte Dimension. Wenn ich zurückdenke an meine Anfangszeiten, da habe ich jeweils im Hotelzimmer die ganze Nacht durchgearbeitet, um am nächsten Tag das Resultat zu zeigen. Vor ein paar Jahren habe ich aufgerüstet, habe super Computer, große Bildschirme und zwei Top-Kameras gekauft. Eine für die Qualität und eine für die Geschwindigkeit. Sie macht 100 Bilder pro Sekunde. Mit der jetzigen Ausrüstung habe ich eine halbe Stunde nach dem Training das Video bereits fertiggestellt. Bisher hatten alle Fahrer einen Coach, der sie an der Strecke beobachtet hat. Nach dem Training sagt er dem Fahrer, du bist da zu weit gewesen und so weiter. Jetzt können sie sich das Video anschauen und sehen selbst, wo noch Verbesserungen möglich sind. Sie sehen die Runden und Teilzeiten, welche Reifen sie fahren, Drehzahlen, Federwege, einfach alle technischen Daten sind eingeblendet. Eben genau deshalb darf ich die Videos nicht weitergeben.»

2005 und 2006 hatte Serge eine Pause eingelegt – zwangsweise. «Weil gewisse Fahrer dachten, ich würde gratis arbeiten. Aber ich bin Schweizer und wir haben nun mal andere Lohnvorstellungen wie in Spanien oder Italien.»

Siehe auch

Es kam ganz anders: Die verrückte MotoGP-Saison 2025

Von Thomas Kuttruf
Alle MotoGP-Fans fieberten der Saison 2025 entgegen. Ein sensationeller Dreikampf mit Marc Marquez, Pecco Bagnaia und Jorge Martin war vorprogrammiert. Doch für zwei Piloten lief das Jahr komplett aus dem Ruder.
» weiterlesen
 

TV-Programm

  • Di. 25.11., 17:45, Motorvision TV
    FIM X-Trial World Championship
  • Di. 25.11., 18:40, Motorvision TV
    FIM Sidecarcross World Championship
  • Di. 25.11., 19:15, ServusTV
    Servus Sport aktuell
  • Di. 25.11., 19:30, Motorvision TV
    Motorradsport: FIM Superenduro World Championship
  • Di. 25.11., 20:00, Motorvision TV
    King of the Roads
  • Di. 25.11., 20:15, ORF Sport+
    Formel 1: Großer Preis von Las Vegas
  • Di. 25.11., 20:45, Motorvision TV
    Gearing Up
  • Di. 25.11., 21:55, ORF Sport+
    Formel 1 Motorhome
  • Di. 25.11., 22:15, Motorvision TV
    Bike World
  • Di. 25.11., 22:30, Eurosport
    Motorsport: FIA-Langstrecken-WM
» zum TV-Programm
6.98 07100916 C2511054513 | 5