MXGP-Stars: Wie wichtig ist der erste Grand Prix?

Von Adam Wheeler
Die MXGP-Saison 2020 hat begonnen: Jonass, Herlings, Paulin, Gajser, Seewer, Bogers, Desalle und Cairoli (v.l.n.r.)

Die MXGP-Saison 2020 hat begonnen: Jonass, Herlings, Paulin, Gajser, Seewer, Bogers, Desalle und Cairoli (v.l.n.r.)

Am vergangenen Sonntag fiel in Matterley Basin der Startschuss in die MXGP-Saison 2020. Jeffrey Herlings, Jeremy Seewer, René Hofer und Co. über Erwartungen, Selbstvertrauen und Risiko.

Jeder Fahrer geht mit seiner eigenen Geschichte in eine neue Saison: Einige kommen von Verletzungen zurück – wie der neunfache Weltmeister Tony Cairoli oder der zweifache MX2-Champion Jorge Prado. Andere haben einen Teamwechsel hinter sich, darunter WM-Rückkehrer Thomas Covington oder Werks-Rookie René Hofer. Auf Kawasaki-Neuzugang Romain Febvre traf beides zu – und er wurde gleich wieder von einer Verletzung eingebremst. Von den Favoriten werden auf Anhieb Siege erwartet und wieder andere starten schon mit Druck und im Wissen, dass sie sich für 2021 erst noch einen Platz ergattern müssen.

Ein Wochenende wie Matterley Basin, an dem sich das englische Wetter auch noch von seiner vielseitigsten Weise gezeigt hat, wird für alle Beteiligten schnell zum Wechselbad der Gefühle. Gerade weil es das erste Kräftemessen des Jahres ist, schauen alle – Teammitglieder, Sponsoren, Fans und Medien – noch genauer hin.

Wie aber gehen die Rennfahrer selbst mit dem Saisonauftakt um? Und welche Bedeutung messen sie dem Ergebnis bei?

Thomas Kjer Olsen, Rockstar Energy Husqvarna MX2 Factory Racing: «Das ist eine schwierige Frage, aber beim ersten Round geht es um die Aufregung, dass die Saison endlich losgeht, und darum zu sehen, wo jeder steht. Man glaubt schon, dass das Ergebnis wichtig ist… Es tut gut, wenn man gleich seinen Speed zeigt, aber am Ende kommt ein Rennen nach dem anderen und an manchen Tagen läuft es und an anderen eben nicht.»

Jeremy Seewer, Monster Energy Yamaha: «Du musst das erste Rennen nicht gewinnen, das weiß jeder. Aber du willst auch zeigen, was du drauf hast. Du willst das Wochenende für dich einfach positiv abschließen. Wenn du einen großartigen Winter hattest und zu 100 Prozent bereit bist für den ersten Grand Prix, dann aber 15. wirst, dann ist das enttäuschend. Mit einem Top-5 oder einem Podium hast du hingegen ein gutes Gefühl. Die ersten zwei, drei Rennen sind immer ein bisschen speziell. Es ist gefühlt viel Zeit vergangen seit dem letzten Rennen. Aber die Zeit fliegt.»

Pauls Jonass Rockstar Energy Husqvarna MXGP Factory Racing: «Es passiert schnell, dass man ein bisschen zu euphorisch ist und Fehler macht. Die Fans haben vor dem ersten Rennen viel höhere Erwartungen als vor dem dritten oder vierten. Deshalb willst du dein Potenzial zeigen, aber gleichzeitig musst du auch ruhig bleiben. Das ist nicht einfach!»

Jeffrey Herlings, Red Bull KTM Factory Racing: «Alles in den Top-5 ist gut für die Weltmeisterschaft, mit 20 GP ist die Saison jetzt einfach zu lang. Wenn du einen Grand Prix verpasst, dann schmerzt das viel mehr als ein fünfter Platz.»

Shaun Simpson, SS24 KTM MXGP: «Es ist immer noch einer von 20 Grand Prix. Man muss die Samthandschuhe ausziehen und loslegen. Es sind viele Werksfahrer am Start, aber sie sind auch nur Menschen, also musst du sicherstellen, dass dein Bike bestens vorbereitet ist, wenn nötig ein bisschen Dreck schlucken und dich ins Getümmel werfen.»

Glenn Coldenhoff, Standing Construct GasGas Factory Racing: «Die Jungs sagen immer: ‚Du kannst die WM beim ersten GP nicht gewinnen, aber du kannst sie verlieren‘. Aber wisst ihr was? Wenn du ein Rennen fährst – irgendein Rennen – dann gibt jeder Vollgas. Und das mache ich auch. Ich habe im Winter genau darauf hingearbeitet und ich will eine gute Performance abrufen. Ich werde geben, was geht, und dabei auf meine Starts achten.»

Simpson: «Es ist wichtig, dass man irgendwann aus den Startlöchern kommt. Wenn du in der allerersten Trainings-Session des Jahres in den Top-5 fährst, dann fällt der Druck einfach ab und du sagst dir: ‚Buh, der Speed passt!‘ Wenn du hingegen 14. oder 15. bist, dann fängst du an zu grübeln: ‚Da können wir Zeit holen, hier müssen wir uns steigern, wie läuft das Bike?‘ Das ist der Moment, wenn der Druck überhandnehmen kann, aber die Erfahrung sagt mir, es ruhig angehen zu lassen und das Qualifying hinter mich zu bringen. Die Punkte gibt es erst am Sonntag. Denn die Bedingungen, die Strecke, die Streckenpräparierung, das kann sich alles ändern. Generell sind die Unterschiede zwischen Samstag und Sonntag bei einem GP groß.»

Rene Hofer, Red Bull KTM Factory Racing: «Das erste Rennen kann ein großer Schub für das Selbstvertrauen sein. Ich habe 2018 den Saisonauftakt in der EMX125 gewonnen und ich erinnere mich noch, dass es eine große Sache war, die ich in die folgenden Rennen mitgenommen habe. Ich glaube aber nicht, dass man beim ersten Rennen ein gutes Ergebnis einfahren muss. Wenn es beim Saisonauftakt nicht klappt, heißt es nicht automatisch, dass es für den Rest der Saison auch nichts wird.»

Simpson: «Das mit dem Selbstvertrauen kommt irgendwann. Und wenn schon drei Grand Prix gefahren sind, musst du einfach deinen Moment abwarten und positiv bleiben. Gleichzeitig muss man sicherstellen, dass man die Hausaufgaben unter der Woche auch macht. Wenn du zurückhängst, dann musst du etwas tun.»

Jed Beaton, Rockstar Energy Husqvarna MX2 Factory Racing: «Es geht um das Selbstvertrauen. Wenn du vor dem ersten GP einen Sieg erwartest und es dann nicht schaffst, bist du enttäuscht. Wenn du einen fünften Platz erwartest und dann Dritter wirst, dann steigt dein Selbstvertrauen. Das ist ein mentales Spiel. Ich glaube, dass es nicht für jeden gleich ist, aber wenn du mit dem Ergebnis, das du mit nach Hause nimmst, zufrieden bist, dann kannst du darauf aufbauen. Wenn nicht, dann hilft es sicher nicht. Ist es schwierig, die Erwartungshaltung im Sinne einer Platzierung einzuschätzen? Klar. Gleichzeitig musst du Freude daran haben, wieder Rennen zu fahren, und vernünftige Punkte mitnehmen. Ich weiß, dass er verletzt war, aber wenn man sich Coldenhoff im Vorjahr anschaut, dann war er im ersten Rennen irgendwas um Platz 18 und hat die WM dann auf Rang 3 beendet. Man darf sich nicht zu viel Stress machen wegen dem, was beim ersten Rennen passiert. Du musst bestmöglich damit umgehen und daran denken, dass jedes Top-10-Ergebnis ein recht guter Start ist, weil man darauf aufbauen kann. Vor allem wenn du den Plan verfolgst, dich in der Saison zu steigern.»

Romain Febvre, Monster Energy Kawasaki: «Das Selbstvertrauen kommt mit einem guten Ergebnis – und da ist es ganz egal, ob es das erste Rennen war oder wir schon die Hälfte der Saison gefahren sind. Wenn das erste Rennen nicht so gut läuft, dann weißt du, dass du Zeit hast, um an deinem Speed zu arbeiten, du verfolgst deinen Plan und analysierst es für die kommenden Wochen. Es ist nicht wirklich wichtig, beim ersten Rennen schon bei 100 Prozent zu sein.»

Thomas Covington, Gebben Van Venrooy Yamaha: «Es hilft mit dem Selbstvertrauen. Ich persönlich glaube, dass ich in den ersten drei Rennen noch ein bisschen brauchen werde, um wieder hineinzufinden. Ich bin im Vorjahr natürlich nicht so viele Rennen gefahren. Ich muss mich daran gewöhnen, wieder hinter dem Startgatter zu stehen, an den Zeitplan, das Rennfahren. Ich versuche ruhig zu bleiben und mich nicht zu sehr unter Druck zu setzen, weil ich noch nicht bei 100 Prozent bin.»

Simpson: «Der erste GP zeigt dir alles, was du wissen muss, weil du gegen 30 andere Jungs mit ihren frisierten Rennbikes antrittst, was bei den internationalen oder nationalen Rennen nicht immer der Fall ist. Wenn du bei einem GP bist und weißt, dass das Bike passt, dann sind die Fitness und die mentale Stärke ausschlaggebend. Du musst voll da sein, um gute Ergebnisse zu holen.»

Tom Vialle, Red Bull KTM Factory Racing: «Es sind 20 Grand Prix, 40 Läufe. Da kann so viel passieren. Ich glaube, dass es wichtig ist, gut zu starten und in den ersten Rennen gut zu fahren, um gut in die Saison zu kommen – und das Feeling aufzubauen. Aber es ist nicht der richtige Moment, um für einen Platz mehr oder weniger ein Risiko einzugehen. In den ersten drei GP ist die Konstanz entscheidend.»

Simpson: «Ich würde sagen, Tom liegt richtig. Das hat ihm wahrscheinlich sein Vater oder jemand wie Joel Smets eingetrichtert. Junge Fahrer denken eher nicht so! Andere auch nicht. Romain Febvre würde es wahrscheinlich schon im ersten freien Training tun! Manche Fahrer ticken nicht so. Es ist interessant die unterschiedlichen Herangehensweisen zu sehen, wenn du zu den GPs kommst, weil die Saison so lang ist.»

Jonass: «Ich sehe das nicht so. Wenn du eine Chance siehst, dann ist es egal, ob es der erste GP oder der zehnte ist. Später in der Saison spielt auch die WM-Wertung eine Rolle dabei, ob es wichtig ist oder nicht, einen der Jungs zu überholen. Ich würde sagen, man geht vielleicht zu Beginn sogar mehr Risiko ein!»

Seewer: «Der erste GP ist speziell, weil keiner weiß, wo sie stehen. Beim fünften oder sechsten GP schaust du dich um und kennst die Fahrer, die um dich herum sind, und weißt, wozu sie in der Lage sind. Es ist jetzt sehr schwierig die Leute einzuschätzen. Nach einer Weile lernst du und weißt, wie du reagieren musst. Der erste GP ist super intensiv.»

Febvre: «Du weißt nicht, welche Fahrer gerade erst von einer Verletzung zurückkommen, wer vielleicht eine kleine Verletzung versteckt oder sonst eine Schwäche hat. Ich kümmere mich aber nicht so sehr um die anderen. Früher habe ich das schon, aber meine Verletzungen und die Nachwirkungen von 2019 sorgen dafür, dass ich mich nur darüber Gedanken mache, was ich tun kann. Der Beste wird immer gewinnen.»

Jonass: «Ich habe 2018 die ersten sechs Läufe in Folge gewonnen. Da wird man selbstbewusst, aber man kann auch zu selbstbewusst sein. Es gibt merkwürdigerweise auch eine Schattenseite. Man muss eine Balance finden: Einen guten Start hinlegen, aber dann nicht zu viel hineininterpretieren. Wir wissen, dass alles passieren kann, aber du willst auf dem richtigen Fuß anfangen. Man muss sich selbst aber bewusst machen, dass es beim ersten Rennen nicht doppelt so viele Punkte gibt. Es ist wichtig, auf dem Motorrad sitzen zu bleiben, und noch viel wichtiger gesund zu bleiben.»

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