Ducati-V4: Spezielle R-Version für SBK, «radikal neu»

Von Günther Wiesinger
Ducati-Geschäftsführer Claudio Domenicali

Ducati-Geschäftsführer Claudio Domenicali

Bei der heutigen Präsentation der Ducati Panigale V4, die bisher unter dem Projektnamen «Desmosedici Stradale» versteckt wurde, war viel von einem «Meilenstein» und von einer «neuen Epoche» die Rede.

Claudio Domenciali, der CEO der Ducati Motor Holding, sprach mit viel Begeisterung und Leidenschaft. Er hat das neue Bike schon ausprobiert, das am 5. November, am Tag vor der Eröffnung der Motorradmesse EICMA in Mailand, in einer privaten Veranstaltung von Ducati seine Weltpremiere erleben wird.

Beim Misano-GP gab es immerhin bereits den sehnsüchtig erwarteten Motor zu sehen.

«Es ist nicht üblich, dass wir im Rahmen eines MotoGP-Events so eine Vorstellung machen», erklärte Domenicali. «Aber wir stehen am Beginn eines wichtigen Wochenendes und haben uns gedacht: Es gibt keine bessere Gelegenheit als diese, um diesen neuen Motor herzuzeigen. Dieses neue Triebwerk ist eine Spezialität. Deshalb gibt es keinen besseren Platz als das MotoGP-Paddock, um dieses Triebwerk vorzustellen. Es handelt sich zwar um einen vollständigen Production-Motor, aber wir ermöglichen es damit unseren Kunden zum ersten Mal mit einem Motorrad zu fahren, das jenen Bikes sehr ähnlich ist, die unsere Helden wie Dovizioso, Jorge Lorenzo und Michele Pirro jeden zweiten Sonntag auf den MotoGP-Pisten pilotieren, wenn sie uns mit aufregenden Rennen bei Laune halten. Und das ist die Idee hinter diesem V4-Motor. Man wird sehen, warum wir diese Kraftquelle ausgerechnet hier und heute präsentieren.»

Domenicali weiter: «Wir sind Spezialisten in der Herstellung von Zweizylinder-Motorrädern. Deshalb sind viele Diskussionen über unsere Entscheidung zum Bau des V4 entstanden. Es gibt Für und Wider. Wie bei allem. Wir haben die besten Zweizylinder-Sportmotorräder, daran gibt es nichts zu rütteln. Wir haben eine lange Entwicklungsgeschichte mit diesen Bikes und mit der Superleggera eine einzigartige Erfolgsstory geboten, das ist wirklich ein einmaliges Produkt. Wir haben aus diesem V2-Motor sehr viel Leistung herausgeholt. Dieses Motorrad zu fahren, sorgt für sehr viel Aufregung und Begeisterung.»

«Aber wir brauchten dazu eine riesige Bohrung von 116 mm. Wir wollten den Hub im Rahmen halten, aber er ist lang ausgefallen», ergänzte Domenicali. «Wenn du die Leistung in Zukunft erhöhen möchtest, müssten diese Dimensionen noch größer ausfallen. Wenn du also das beste Motorkonzept bauen willst, dann stößt du beim V2 irgendwann an die Grenzen. Das wurde unser Problem. Auf der anderen Seite hatten wir in der MotoGP-WM in den Jahren 2003 mit Loris Capirossi und 2007 mit Casey Stoner unglaubliche Erfahrungen und Erfolge. Da kommen unvergessliche Erinnerungen hoch. Loris hat damals auf Anhieb eine Pole-Position erzielt. Wir haben eine unglaubliche Story entwickelt, in deren Mittelpunkt ein Desmosedici-V4-Motor stand und steht. Auch die MotoGP-Maschine hatte die desmodromische Ventilsteuerung und war Teil dieses Konzepts.»

«Wir hatten also einerseits das Problem, dass wir den Twin weiter verbessern mussten. Wir mussten aber schauen, dass die Dimensionen des Motors mit dem Chassis in Einklang zu bringen waren. Wir mussten ja auch das einwandfreie Handling gewährleisten. Anderseits hatten wir die MotoGP-Erfahrung. Deshalb haben wir uns entschlossen, diese mit dem neuen Production-Motor zu verknüpfen. Dieses neue Triebwerk ist sehr unkonventionell ausgefallen. Denn bei Ducati mögen wir es, die Angelegenheiten unterschiedlich anzupacken. Wir haben bei diesem neuen Panigale-V4-Motor eine unkonventionelle Zündfolge gewählt. Das ist radikal neu – für alle käuflichen Sportmotorräder.»

Am Limit des Erlaubten

«Bei der Panigale V4 haben wir die Bohrung bei 81 mm gelassen. Sie liegt also am Limit von dem, was in der MotoGP-WM erlaubt ist», ergänzte Domenicali. «Mit so einem Limit schränkst du aber die Drehzahl ein, also die Power und den Speed der Maschine. Wir haben uns für die identische Bohrung entschieden, also für 81 mm. Denn was die thermodynamischen Aspekte des Motors betrifft, ist die Serienmaschine sehr nahe an dem, was Gigi Dall’Igna für die MotoGP-WM entwickelt hat. Wir haben aber einen etwas anderen Weg eingeschlagen, denn wir wollten ja nicht nur einen Rennmotor. Unser Aggregat sollte auch die Straßentauglichkeit haben. Also haben wir den Hub erhöht und die Bohrung bei 81 mm gelassen. Der Hub wurde auf 53,5 mm vergrößert. So haben wir uns auf einen Hubraum von 1103 ccm für die Serienversion geeinigt und erreichen damit eine sehr flache Drehmomentkurve. Das war die Basis für unsere Panigale V4. Vom Drehmoment haben wir eine immens starke Plattform für den Straßengebrauch erreicht, auch wenn wir immer noch auf große Sportlichkeit Wert legen. Wir haben uns wirklich den MotoGP-Motor als Basis genommen und viel davon für die Serie übernommen. Es bestehen sehr, sehr viele Ähnlichkeiten. Deshalb können wir jetzt schon sagen, dass wir bei der 1103-ccm-Version auf 210 PS kommen werden.»

Motoren-Designer Andrea Forni sagte, das V4-Triebwerk sei leichter als der große Panigale-V2-Motor.

Was die Reifenmarke und die Lebensdauer der Serienreifen betrifft, will Ducati erst im November mit Details herausrücken.

Und während der 1103-Panigale V4 im März ausgeliefert wird, kommt die Superbike-Version mit 1000 ccm als R-Modell erst 2019 auf den Markt. «Die 1000er wird dann die Basis für unsere Superbike-WM-Teams sein», verriet Domenicali.

«Wir haben künftig zwei Versionen des V4-Aggregats. Zum einen das Basis-1103-ccm-Triebwerk, das wir für alle Production-Motorräder verwenden, die aus dem Sport abgeleitet wurden. Dann haben wir den 1000-ccm-Motor, der ein Jahr später kommt und die Grundlage für unsere Superbike-WM-Maschinen bilden wird. Die SBK-Basis wird sich viel mehr zum Rennstreckenbetrieb hin orientieren.»

«Lasst uns die zwei wichtigsten Aspekte des neuen V4-Motors betrachten», forderte uns Domenicali auf. «Erstmals in der Serie werden wir in dieser Kategorie eine gegenläufige Kurbelwelle einsetzen. Das ist in der MotoGP-WM Allgemeingut, aber in der Serie unüblich. Dafür brauchst du ein zusätzliches Lager, aber beim Bremsen und Beschleunigen zeigen sich Vorteile. Du hast beim Beschleunigen praktisch keine Wheelies, wenn du eine Kurbellwelle einbaust, die sich gegen die Fahrtrichtung dreht. Dazu kommt: Wegen des V4-90-Grad-Motors brauchen wir auch keine Ausgleichswelle. Der zweite große Unterschied ist die Zündfolge. Die Kurbelwellen liegen wie bei unserer MotoGP-Maschine um 70 Grad versetzt zur anderen. Wir hatten im MotoGP-Sport eine Zeit lang eine Zündfolge, die wir Twin-Pulse nannten, damals zündete die vier Zylinder bei 0-90-290-380-Grad. Jetzt haben wir eine Soft-Pulse-Zündfolge. Was ist der Vorteil? Wir haben jetzt eine Zündfolge, die nicht so gleichmäßig gestaltet wurde. Wir haben jetzt bei der Zündfolge eine Mischung zwischen einem Twin und einem Vierzylinder. Dadurch wird das maximale Drehmoment anders aufs Hinterrad übertragen. In der 800-ccm-MotoGP-Ära 2007, 2008 und 2009 sind wir mit einem Screamer gefahren. Er brachte etwas mehr Power, war aber viel schwieriger zu beherrschen. Seit 2010 verwenden wir die Soft-Pulse-Zündfolge, sie bringt Vorteile bei der Traktion des Hinterrads. Nächstes Jahr können unsere Kunden all dieses Know-how kaufen. Dazu haben wir eine variable Einlass-Steuerung, um die Drehmomentkurve zu verbessern. Und da es sich um einen Ducati-Motor handelt, basiert alles auf dem Desmodromik-System, das ein sehr kontrolliertes Timing ermöglicht, je höher die Drehzahlen steigen. Beim neuen V4-Motor erreichen wir die Spitzenleistung bei 13.000/min; das Drehzahllimit wird bei 13.500/min liegen.»

Bei der SBK-Version für 2019 streben die Ducati-Ingenieure 14.000/min an.

«Man muss berücksichtigen, dass wir in der MotoGP-WM mit genau demselben Ventiltrieb antreten, wie wir ihn auch in der Serie für die Kunden anbieten», sagte Domenicali. «Viele Mittbewerber fahren in der MotoGP-WM mit einem pneumatischen Ventiltrieb, den sie aber in der Serie nicht anbieten können. Sie müssen also Kompromisse eingehen. Nur wir bei Ducati können unser MotoGP-Know-how in der Serie voll nützen. Und es wissen ja alle, das die maximale MotoGP-Drehzahl bei uns jenseits von 17.000/min liegt.»

500 Stück müssen gebaut werden

Die Panigale V4 mit 1103 ccm wird von Domenicali als sehr gut ausbalanciertes Produkt bezeichnet. Aber die 1000-ccm-Maschine für die Superbike-WM wird 2019 als R-Modell für den Rennbetrieb maßgeschneidert – und für Racing for Fun.

Für die WM-Homologation müssen zweimal 250 Exemplare innerhalb zwei Jahren gebaut werden.

Ducati-Sportdirektor Paolo Ciabatti strahlt jetzt schon. «Wir haben nicht die geringste Sorge, dass wir diese Panigale-R-Motorräder an unsere Kunden verkaufen können», meinte der Italiener. «Sie werden extreme Sportgeräte sein und einen sehr sportlichen Charakter haben. Das wird man zum Beispiel auch bei der High-Tech-Suspension sehen. Wir haben auch von der Superleggera alle 500 Sondermodelle in limitierter Auflage verkauft. Zum Stückpreis von 80.000 Euro. Unsere Kunden kaufen, was wir ihnen anbieten – weil wir einen guten Gegenwert liefern.»

Bei der 2018 erscheinenden Panigale V4 wird auch auf die Alltagstauglichkeit geachtet. Der Serviceintervall für die Ventilkontrolle wird bei 24.000 km liegen. «Wir und unsere Ingenieure haben eine große Verantwortung übernommen», hält Domenicali fest. «Der Auftrag lautete, der V4-Motor muss über eine enorme Lebensdauer verfügen. Wie man es von einem ausgereiften Production-Motor erwartet.»

Und Ducati nützte auch den MotoGP-Testfahrer Michele Pirro, um den Vierzylinder bis zur Serienreife zu entwickeln. Domenicali: «Wir können auf den Prüfständen fast alles simulieren, was der Motor später auf der Strecke erlebt. Michele Pirro ist mit dem Panigale-V4-Prototyp auf der Rennstrecke in Mugello so schnell gefahren wie er konnte. Wir haben dann die Daten abgeladen und sie mit den Prüfstandversuchen verglichen. Es wird Tag und Nacht an diesem Projekt gearbeitet. Das Resultat kann sich sehen lassen.»

Die Abschlussworte von Ducati-CEO Claudio Domenicali: «Als wir den V4-Motor erstmals aufheulen hörten, war das für uns ein so emotionales Erlebnis wie die Geburt eines Babys.» Und ergänzte: «Wir werden eines Tages auch Elektro-Motoren bauen. Aber bis es so weit sein wird, lasst uns des Lebens erfreuen und ein fantastisches Abenteuer wie dieses genießen.»

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