Rennärztin Monica Lazzarotti: Geschätzt & gefürchtet

Rennärztin Monica Lazzarotti
2014 trat Monica Lazzarotti die Nachfolge von Ruggero Mattioli als Medical Director der Superbike-WM an. Die Italienerin war zuvor von 2003 bis 2008 in der MotoGP Clinica Mobile tätig und ist seit 2011 Mitglied in der FIM Medical Commission. Ihr Job ist mit großer Verantwortung verbunden, hängt doch im Zweifel das Leben der Rennfahrer von ihr ab.
Im Interview mit der offiziellen Website der seriennahen Weltmeisterschaft gibt die Medizinerin einen Einblick in ihre Arbeit.
«Meine Rolle als medizinischer Direktor der WorldSBK umfasst verschiedene Aspekte», erklärte Lazzarotti. «Der erste betrifft die Überprüfung der medizinischen Versorgung an jeder Rennstrecke und die medizinische Zulassung neuer Rennstrecken. Ein zweiter Aspekt betrifft die medizinische Beurteilung von Fahrern, die verletzt sind oder gesundheitliche Probleme haben und wieder an den Start gehen möchten, sowie von Fahrern, die sich während einer Veranstaltung verletzen oder gesundheitliche Probleme bekommen. Wir beurteilen, ob sie fit für die Veranstaltung sind oder nicht. Der dritte, nicht weniger wichtige Aspekt der Arbeit besteht darin, gemeinsam mit dem Rennleiter, dem Sicherheitsbeauftragten, dem leitenden Arzt und allen anderen Offiziellen, die an der Unfallabwicklung auf der Strecke beteiligt sind, in der Rennleitung zu sitzen. Dies muss als Team erfolgen, um die sichere Evakuierung eines verletzten Fahrers zu gewährleisten.»
Die Liebe zum Rennsport wurde Lazzarotti von zu Hause mitgegeben. «Als ich mich für ein Medizinstudium einschrieb, hatte ich bereits vor, mich auf Sportmedizin zu spezialisieren. Meine Mutter ist ein großer Sportfan, was mich vielleicht ein wenig geprägt hat», verriet die Italienerin. «Meine erste berufliche Erfahrung mit Rundstreckenrennen machte ich bei Clinica Mobile in der MotoGP. Wir waren von morgens bis abends dort, aber wir waren sehr glücklich, auf diese Weise zu arbeiten. Und für mich war es sehr lehrreich, weil ich die Welt der Rundstreckenrennen wirklich verstehen lernte. Ich hatte dort viel Spaß, denn neben der vielen Arbeit wurde das Fahrerlager zu einer Familie. Ich bin seit 2014 in der Superbike-WM tätig, daher ist es jetzt wie eine Familie, wie in einer kleinen Stadt zu arbeiten, in der man jeden kennt.»
«Aber was mir wirklich gefällt, sind neue Rennstrecken, bei denen wir alles zusammenstellen müssen. Das ist eine echte Herausforderung. Ich beginne mit der Karte und gehe dann gerne tiefer, wenn es etwa Drohnenaufnahmen gibt, um die Entwicklung der Strecke wirklich zu verstehen. Dann arbeite ich mit allen lokalen Akteuren zusammen, um die Veranstaltung auf die Beine zu stellen. Das ist ein Aspekt, den ich wirklich mag: die Herausforderung eines neuen Projekts. In diesem Jahr haben wir beispielsweise Balaton verfolgt.»
Nach vielen Jahren im internationalen Rennsport sieht Lazzarotti Verbesserungen hinsichtlich der Sicherheit für die Aktiven. «Ich kann sagen, dass sich die Situation im Vergleich zur Vergangenheit deutlich verbessert hat, und das Ziel ist es, die Sicherheit weiter zu verbessern, insbesondere in Bezug auf die Schutzmaßnahmen und Studien, die vor jeder Veranstaltung durchgeführt werden. Wir machen ständig Fortschritte in Bezug auf die Technologie, die Forschung und die Schutzmaßnahmen selbst, daher bin ich sehr zuversichtlich, was die Sicherheit angeht. Es geht darum, als Team zusammenzuarbeiten. Wir spielen hier nicht Golf oder Tennis, daher müssen wir immer daran denken, dass es eine Wechselwirkung zwischen dem Fahrer und dem mechanischen Fahrzeug gibt. Wir denken also über Elektronik, Geschwindigkeit, das Gewicht des Motorrads und so weiter nach.»
Der menschliche Aspekt im Umgang mit dem Patient Rennfahrer ist entscheidend. «Eine weitere Herausforderung für mich besteht darin, die Fahrer über medizinische Aspekte aufzuklären und ihnen zu helfen, zu verstehen, warum sie für untauglich erklärt werden könnten. Und ich muss sagen, dass wir das offenbar gut machen, denn es kommt selten vor, dass ein Fahrer eine Entscheidung infrage stellt. Wenn man mit den Fahrern spricht, verstehen sie das, aber dies muss vor den medizinischen Untersuchungen geschehen, damit sie vorbereitet sind und wissen, wie der Genesungsprozess aussehen könnte.»
«Letztendlich ist es unsere Aufgabe, ihnen zu helfen, zum richtigen Zeitpunkt und sicher wieder auf die Strecke zurückzukehren. Es geht nicht nur um ihre eigene Sicherheit, sondern auch um die Sicherheit der anderen, die mit ihnen fahren. Und das verstehen sie. In meiner Rolle muss man immer einfühlsam sein, denn wenn man nicht einfühlsam ist, ist man erledigt. Einfühlungsvermögen ist grundlegend. Ein Fahrer – ob Mann oder Frau – ist motiviert, weil sein Ziel in den meisten Fällen die Rückkehr zum Rennsport ist, was die psychologische Genesung erleichtert. Sie können sich schneller erholen, als wenn sie diese Einstellung zum Sport nicht hätten. Natürlich gibt es einen physiologischen Zeitrahmen, aber es hilft, wenn die Person stark und motiviert ist. Wichtig ist, dass die Genesung auf die richtige Weise angegangen wird, mit der Unterstützung von Fachleuten, die den gesamten Rehabilitationsprozess begleiten, die Verletzung beurteilen und die weitere Funktionsfähigkeit des betroffenen Körperteils bewerten.»