2018 nur drei Motoren pro Fahrer: Formel 1 vor Chaos

Von Mathias Brunner
Die Turbo-Technik ist kein Zuckerschlecken: Kevin Magnussen mit seinem Renault in Malaysia 2016

Die Turbo-Technik ist kein Zuckerschlecken: Kevin Magnussen mit seinem Renault in Malaysia 2016

​Gemäss Reglement müssen die Formel-1-Piloten 2018 mit zwei bis drei Bauteilen für die komplette Saison auskommen. Experten sagen: Das ist der komplett falsche Weg. Die Formel 1 steht vor dem Chaos.

Das Formel-1-Reglement 2017 besagte: Wer mehr als vier Antriebseinheiten pro Saison und Fahrer verwenden muss, der wird bestraft. In der Praxis hat das dazu geführt, dass am Samstagabend Fans und Fachleute über einer möglichen Startaufstellung brüteten – denn die ganzen Strafversetzungen erzeugten immer wieder höchste Verwirrung.

Rund die Hälfte des Feldes wurde mit Versetzungen in der Startaufstellung bestraft, und wer glaubt, dieser Schwachsinn sei bald beendet, der sieht sich leider getäuscht.

Denn als angebliche Sparmassnahme wird es 2018 nur noch drei Motoren pro Fahrer und Saison geben, von einigen Bauteilen sogar nur zwei Einheiten!

Wenn es die Motorhersteller 2017 schon nicht schafften, mit vier Einheiten über die Saison zu kommen, wie sollen sie das im kommenden Jahr dann mit drei packen? Zumal wir ein Rennen mehr haben. Im Schnitt muss ein Verbrennungsmotor also sieben GP-Wochenenden verkraften!

Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton meinte in einer seiner Medienrunden zum Schluss der Saison: «Am Sonntag in Brasilien habe ich den Motor erstmals voll belasten können. Das war schön, denn normalerweise musst du mit dem Triebwerk sehr behutsam umgehen. Ich drehe sonst immer Leistung herunter, um das Aggregat zu schonen. Meine Jungs meinen dann jeweils, ich könne ruhig ein wenig mehr Power geben, aber ich sage stets – nein, mir ist das lieber so. Und dann versuche ich das halt mit meinem Fahrstil zu kompensieren. Es ist eine tief verwurzelte Angst, dass mir das Gleiche passiert wie damals in Malaysia 2016, als mein Motor hochging.»

«Die Vorstellung, dass wir pro Saison mit nur noch drei Motoren auskommen müssen, ist echt ätzend. Wir fahren sollten viel mehr angreifen können. Die Formel 1 sollte doch ein Sprint sein.»

Im kommenden Jahr werden die Autos noch schwerer, und der vierfache Weltmeister übertreibt: «Bald sind wir in Sachen Gewicht auf NASCAR-Niveau. Die Bremsdistanzen werden immer länger, die Bremsen werden noch mehr am Limit sein. Ich weiss, das klingt jetzt alles negativ. Aber als Racer willst du ein quicklebendiges, schnelles Auto. Du willst jede Runde damit attackieren können. Und so ist das heute nun mal nicht.»

«Stattdessen ist es eher eine Art Management, dass wir betreiben, um die Technik zu schonen, und ich glaube nicht, dass dies für die Fans besonders aufregend ist. Wie sollen wir für die Zukunft vorgehen? Ich persönlich glaube – das Motorkontingent noch weiter einzuschränken, das ist nicht der richtige Weg.»

Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner ist der gleichen Ansicht: «Wir müssen uns nun wirklich ernsthaft überlegen, ob es nicht einen besseren Weg gibt, die Verwendung frischer Motorenteile zu ahnden. Das Ganze wird ja von Rennen zu Rennen schlimmer. Am Ende wird noch eine WM davon entschieden.»

«Ich habe im Rahmen der Sitzungen der Strategiegruppe versucht, die Regel von drei Aggregaten pro Saison zu kippen. Aber ich hatte nicht genügend Unterstützung. Vielleicht haben andere Teamchefs mehr Einsicht, wenn auch sie von Strafen betroffen sind. Bei der Einschränkung der Teile geht es ja ums Sparen. Aber wenn die Teams ohnehin fünf Elemente brauchen, sparen wir doch nichts.»

Die Versuche von Horner liefen ins Leere: Ferrari hat sich dagegen gesperrt, bei vier Motoren pro Saison zu bleiben.

Wie geht das 2018 in Sachen Motoren genau?

Zur Erinnerung: Eine moderne Antriebs-Einheit der Formel 1 ist reglementarisch in sechs Elemente aufgeteilt:
– V6-Verbrennungsmotor
– Turbolader
– MGU-H («motor generator unit – heat»; also der Generator für jene Energie, die beim Turbolader gesammelt wird)
– MGU-K («motor generator unit – kinetic»; also der Generator für die kinetische Energie, die beim Bremsen gesammelt wird)
– Batterie-Paket
– Kontroll-Elektronik 

Erlaubt sind 2018, halten Sie sich fest: Drei Verbrennungsmotoren, drei MGU-H, drei Turbolader, aber nur zwei MGU-K, zwei Batterien und zwei Kontroll-Einheiten!

Sollte ein Fahrer mehr als diese Elemente brauchen, setzt es die üblichen Strafversetzungen, ein zweites neues Element führt automatisch zum Start am Schluss des Feldes.

Der abgesetzte Honda-Formel-1-Projektleiter Yusuka Hasegawa sagte gegenüber Autosport: «Das ist hart, das ist nicht ideal. Nicht nur wir hatten Probleme, Renault ebenfalls. Das ist nicht vernünftig. Wenn wir Leistung herunterfahren, ist das alles kein Problem. Wir drehen 2000/min weniger und kommen mühelos ins Ziel. Aber darum sollte es doch nicht gehen.»

«Zudem bedeuten drei Motoren auch: Wir haben in der Saison nur zwei Mal die Möglichkeit, eine frische Spezifikation straffrei einzuführen.»

Der Schweizer Rennmotorenspezialist Mario Illien (68) schimpft: «In der kommenden Saison müssen die Rennställe pro Fahrer und Saison mit drei Antriebseinheiten auskommen. Das macht den Sport nicht kostengünstiger, sondern teurer! Denn um eine solche Standfestigkeit zu erreichen, braucht ein Hersteller sehr viele Stunden auf den Prüfständen. Ich finde selbst vier Motoren zu wenig.»

Illien ist ohnehin der Überzeugung, dass sich die Formel 1 mit der Einführung der Turbomotoren 2014 auf dem Holzweg befindet: «Serienrelevanz ist nicht so wichtig. Wir bräuchten besseren Sport. Klar kann die Serie von den Erfahrungen aus dem Motorsport profitieren. Aber das sollte zweitrangig sein. Wenn die Menschen den Fernseher abschalten, weil sie von der Formel 1 nicht gefesselt werden, dann nützt die ganze Serienrelevanz wenig.»

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