Marc Surer zur Coronakrise: Grosse Fehler in Spanien

Von Mathias Brunner
Marc Surer bei sich zuhause in Spanien

Marc Surer bei sich zuhause in Spanien

​Der frühere GP-Fahrer Marc Surer (68) lebt in Spanien. Dieses Land wird vom Virus SARS-CoV-2 besonders vehement heimgesucht. Surer spricht über die Situation im Land und die Fehler der Regierung.

In der ganzen Welt sind inzwischen mehr als 400.000 Menschen mit dem Virus SARS-CoV-2 infiziert worden, fast jeder zehnte davon stammt aus Spanien. Das Land steht bei 39.673 Covid-19-Erkrankungen, 2696 Menschen sind an der Lungenkrankheit verstorben. Alleine in den letzten 24 Stunden sind 4537 neue Fälle hinzugekommen und 385 weitere Todesfälle. Schlimmer in Europa wütet der Virus SARS-CoV-2 nur in Italien. Wir haben uns mit dem früheren Formel-1-Fahrer und heutigen GP-Experten Marc Surer über die Situation in Spanien unterhalten.

Marc, wie sieht der gegenwärtige Alltag bei dir aus? Welche Massnahmen in Spanien musst du befolgen?

Wir haben in Spanien Ausgangssperre. Wir dürfen einkaufen, aber der einzig erlaubte Weg ist ins nächste Lebensmittelgeschäft und zurück. Das musst du bei Kontrollen beweisen können, mit einer Quittung, die belegt, wo und wann du einkaufen warst. Du kannst also nicht einkaufen und dann noch Freunde auf einen Kaffee besuchen gehen.

Du darfst den Hund Gassi führen, aber nur ums Haus herum. Fahrradfahren und Reiten sind verboten, beides mache ich sonst regelmässig, ich besitze ja selber Pferde. Der Grund: Die Menschen sollen sich nicht unnötig in Gefahr bringen, die Krankenhäuser brauchen derzeit keine zusätzlichen Unfallopfer. Ich bin in der glücklichen Lage, hier ein wenig Land zu besitzen und bin mit Arbeiten vollauf beschäftigt, die zuvor vielleicht ein wenig liegengeblieben sind.

Was passiert, wenn du auf einer Spritztour erwischt wirst?

Das ergibt automatisch eine Anzeige und kann Bussen bis zu 60.000 Euro setzen. Eine Bekannte von mir war tanken, dann hat sie vergessen, den Beleg mitzunehmen – und geriet prompt in eine Kontrolle. Also hat sie eine Busse erhalten. Wir haben in Spanien ja zwei Polizei-Korps, da ist einerseits die lokale Polizei, diese Beamten sind sehr anständig, sie stoppen die Leute und ermahnen sie, sich nach Hause zu begeben. Dann haben wir die landesweite Guardia Civil, und die greift radikal durch, mit denen brauchst du nicht zu diskutieren, die sind knallhart.

Wird in Spanien eigentlich thematisiert, wieso ausgerechnet in diesem Land die Zahlen so dramatisch sind?

Das alles fing bei uns in Madrid an. Die Spanier sind ein Ausgehvolk. Die Regierung hatte mit Massnahmen zu lange gewartet. Pedro Sánchez ist keine besonders starke Führungspersönlichkeit. Und er hat einen grossen Fehler gemacht: Er hat angekündigt, dass eine Ausgangssperre kommen würde. Was geschah? Die Madrilenen sind alle in ihre Ferienhäuser gefahren, auch hier in meine Region, um das nochmals richtig zu geniessen, und haben dabei den Virus ins ganze Land geschleppt. Und sie haben so nebenbei unsere ganzen Supermärkte leergekauft. Inzwischen hat sich hier die Lage in den Läden normalisiert.

Die Ankündigung der Ausgangssperre war sehr ungeschickt. Jetzt wird dafür sehr streng vorgegangen, aber der Schaden ist bereits angerichtet. Sánchez hätte die Sperre mit sofortiger Wirkung und früher verhängen müssen.

Wie hält das nationale Gesundheitssystem der Belastung stand?

Das grösste Problem beim Krankenhaus von Alicante, in der Nähe, wo ich wohne: Hier ist viel Personal in den Krankenhäusern selber krank geworden. Man hat einfach zu spät reagiert. Die Tochter eines Freundes von mir ist Krankenschwester, die ist ebenfalls an Covid-19 erkrankt, inzwischen aber wieder gesund und am Arbeiten. Generell wurde diese Pandemie zu lasch genommen. Die strikten Massnahmen werden dazu führen, dass die Kurven der neuen Erkrankungen und der Todesfälle abflachen.

Was ist gegenwärtig für dich persönlich der schwierigste Aspekt der Coronakrise?

Dass meine Frau Silvia in ihrem Heimatland Argentinien festhängt. Als wir entschieden haben, dass sie von Spanien nach Südamerika fliegt, war das Problem Corona in Argentinien so gut wie unbekannt, es gab eine Handvoll Fälle. Geplant war das so: Wenn ich nach Australien fliege, begibt sie sich in ihre Heimat. Das haben wir jedes Jahr so gemacht. Dann hat das Schweizer Fernsehen entschieden, nicht nach Melbourne zu reisen. Ich dachte: Gut, ich fliege dennoch nach Argentinien. Aber in der Folge hat sich die Lage fast über Nacht geändert.

Wieso?

Die Argentinier haben Knall auf Fall entschieden: Alle, die mit dem Flieger aus Europa kommen, müssen sogleich in Quarantäne. Silvia musste also zwei Wochen zuhause bleiben, aber es geht ihr gut. In Argentinien leben sehr viele Italiener. Seit Herbst 2019 hat Argentinien einen neuen Präsidenten, Alberto Fernández, der hat schnell gesagt: ‚Verhältnisse wie in Italien darf es bei uns nicht geben.’ Also wurde schneller reagiert als in Europa. Argentinien hat knapp mehr als 300 Krankheitsfälle und – in Anführungszeichen – nur vier Tote zu beklagen. Diese niedrige Rate liegt einerseits daran, dass Argentinien ein sehr grosses Land ist, abgesehen von den Ballungszentren ist ist für einen Virus schwieriger, sich zu verbreiten. Und die niedrige Rate liegt auch am strikten Vorgehen der Regierung.

Haben wir alle diese Bedrohung zu wenig ernst genommen?

Natürlich. Ich erinnere an die Schweinegrippe, an SARS oder die Vogelgrippe. Selbst als solche Erkrankungen kursierten, sind wir um die ganze Welt geflogen und haben uns ein wenig gewundert, dass so viele Asiaten Schutzmasken trugen. Aber sonst hat uns das kaum gekümmert. Ich halte SARS-CoV-2 für einen gefährlicheren Virus als alle andern genannten. Wenn wir eine solche Verbreitung erleben, kann das nicht nur an der Ansteckung von Person zu Person liegen, sondern dann muss es auch Erkrankungen geben, weil man Gegenstände oder Einrichtungen berührt hat, auf welchen Viren zu finden waren.

Wenn ich hier einkaufen gehe, komme ich nach Hause und wasche alles mit Seifenwasser. Ich weiss ja nicht, wer einen gekauften Artikel vorher in der Hand hatte.

Ich mach' es derzeit auch wie die Japaner: Ich ziehe vor dem Haus die Schuhe aus, und sie bleiben draussen. Wenn ein Infizierter auf den Boden spuckt und ich gehe darüber, schleppe ich das ja auch mit.

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