Lewis Hamilton tobt: «Hört auf, Scheiss zu erfinden!»

Von Mathias Brunner
Lewis Hamilton

Lewis Hamilton

​Der Engländer Lewis Hamilton ist aufgebracht: Der Weltmeister nervt sich über Zeitungsberichte, wonach er von Mercedes ein Jahresgehalt von 40 Millionen Pfund fordere. Lewis: «Hört auf, Scheiss zu erfinden!»

Lewis Hamilton hat die Nase jetzt gestrichen voll. Immer wieder tauchen Zeitungsgeschichten auf, die ihn als geldgierig brandmarken sollen – wo der Rennfahrer doch, so die jüngste Behauptung, für einen neuen Mercedes-Vertrag ab 2021 die unfassbare Summe von 40 Millionen Pfund im Jahr verlange, also 44,4 Millionen Euro!

Solche Stories will der sechsfache Weltmeister Hamilton nicht länger unkommentiert lassen. Der Champion machte auf Instagram aus seinem Herzen keine Mördergrube: «Die Medien schreiben anhaltend über meinen Vertrag und über meine Forderungen, dabei habe ich mit Teamchef Toto Wolff noch gar nicht gesprochen. Es gibt keine Gespräche. Also hört endlich auf, Scheiss zu erfinden!»

Mercedes-Teamchef Toto Wolff sagte im Rahmen des Österreich-GP zu den angeblichen Gehaltsvorstellungen von Hamilton: «Was da alles kursiert über die Vertragsverhandlungen, ob das nun diese lächerlich hohe, angebliche Forderung ist, oder meine ebenfalls angebliche Antwort, dass ich nur die Hälfte zahlen wolle – das ist alles frei erfunden. Wir haben kein einziges Gespräch über Geld geführt.»

«Es ist manchmal seltsam, solche Dinge in den Zeitungen zu lesen, wo du selber genau weisst, dass dies alles kompletter Unsinn ist. Lewis ist sich der finanziellen Realität in der Autoindustrie vollauf bewusst.»

Ich finde das seltsam: Immer wieder wird Hamilton ausgerechnet von der heimischen Presse in Grossbritannien hart angefasst. Nigel Mansell kam aus der Arbeiterklasse, dem Mann mit dem Stiernacken war die Bewunderung des einfachen Bürgers sicher. Aber bei Hamilton ist das dreissig Jahre später ganz anders. Obschon auch Lewis aus sehr einfachen Verhältnissen stammt.

Im Rahmen des britischen Grand Prix ist Lewis Hamilton einmal darauf angesprochen worden, wieso diese Mansell-Mania aus Anfang der 90er Jahre nicht das gleiche Feeling habe wie die Begeisterung der Briten für Lewis Hamilton in der Gegenwart.

Der englische Journalist Ben Hunt sagt mir: «Mir scheint, Hamilton tut sich schwer damit, die britische Öffentlichkeit zu begeistern, also Menschen, die nicht unbedingt Formel-1-Fans sind. Hamilton wird nicht so uneingeschränkt bewundert wie Mansell damals.»

Hamilton wirkte auf die Frage verdutzt. «Ich weiss nicht so recht, was ich darauf sagen soll. Generell hat jeder Mensch ein Recht darauf zu unterstützen, wen immer er will. Als ich als kleiner Bub in Stevenage aufgewachsen bin, da hätte ich nie gedacht, dass mir ausser Mum and Dad mehr Menschen zur Seite stehen. Ich fühle mich privilegiert, mich jemand unterstützt. Je mehr, desto besser. Je mehr Zeit ich hier verbringe, desto eher kann ich jemanden von mir überzeugen. Aber generell bin ich dankbar dafür, was ich habe.»

Der Erfolg hat viele Neider. Wenn sich Hamilton etwa für die Umwelt einsetzt, dann kursiert schnell mal das Etikett der Scheinheiligkeit. Sagt das nicht ein Fahrer, der – wenn wir die Corona-Pandemie jetzt mal einem Moment aussen vor lassen – mit seinem Privatjet um die Welt fliegt?

Vielleicht haben viele Menschen auch Mühe mit dem Auftreten von Hamilton: Lewis Hamilton, der sich ein Schloss an einer Goldkette um den Hals hängt, seinen Körper zum Tattoo-Gesamtkunstwerk verändert, Hundebilder ins Netz stellt oder von coolen Autos, der Müll wegräumt, der auf dem Piano herumklimpert, mit einem Tiger schmust, Modewochen besucht, sich die Haare blondiert oder zum Irokesen schneidet, mit einigen der schönsten Frauen der Welt am Arm anzutreffen ist, für vegane Ernährung plädiert, Rassismus anprangert, das ist facettenreich und provokant, jedoch immer offen. Wenn Hamilton über Anliegen spricht, dann tut er es mit Leidenschaft und aus tiefstem Herzen. Das ist einfach anders als Nigel Mansell, der nach einem Rennwochenende zu seiner Familie zurückkehrte und im Privatleben abtauchte, bis zum nächsten Rennen. Das ist auch eine andere Epoche. Damals hatten wir keine sozialen Netzwerke, in welchen in aller Feigheit der Anonymität schnell mal ein abschätziger Post abgesetzt ist.

Aber sogar Hamilton-Fans fragen sich beim ganzen Engagement von Lewis – etwa in Sachen Rassismus – ob ihr Lieblingsfahrer wirklich alle Bälle in der Luft halten kann? War Hamilton wegen des ganzen Engagements gegen Rassismus wirklich voll bei der Sache?

Toto Wolff: «Ich konnte keinen Unterschied feststellen in Sachen Einstellung, gemessen an früheren GP-Wochenenden. Das Thema liegt ihm sehr am Herzen, aber ich erkenne keinen Einfluss auf seine Leistung als Rennfahrer. Und ich finde, das haben wir im Rennen gesehen. Der Speed stimmte. Es liegt an uns, ihm ein standfestes Auto zu geben.»

Mercedes führt den Champion weiter an der langen Leine. Teamchef Toto Wolff ist Pragmatiker: So lange Hamilton auf der Piste Leistung bringt, ist sein Privatleben – so durchgeknallt es hin und wieder auch scheinen mag – wirklich sein Privatleben. Wolff: «Wenn Lewis Freude an all dem hat, was er so macht, warum sollten wir ihn daran hindern?»

Und Mercedes behält ein offenes Ohr für die Anliegen von Lewis. Dass der einstige Silberpfeil heute in Schwarz daherkommt, geht letztlich auf Hamilton zurück, wie Mercedes-Teamchef Wolff am Red Bull Ring bestätigt hat. «Das ist kein kurzfristiger PR-Stunt für ein Rennen, sondern wir fahren die gesamte Saison in Schwarz. Unser Standpunkt ist eine echte, messbare Initiative, Diversität zu erhöhen – das gilt sowohl für die ethnische Zusammensetzung als auch für Gender. Das Thema wird länger aktuell bleiben und uns begleiten. Die Idee entstand vor gut einem Monat in einem Telefongespräch zwischen Lewis und mir – nach dem Vorfall mit George Floyd.»

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