Barcelona: Vettel (Ferrari) vor Hamilton – glaubhaft?

Von Mathias Brunner
​Sebastian Vettel im Ferrari vor Lewis Hamilton im Silberpfeil – wie aussagekräftig ist diese Reihenfolge nach dem ersten Wintertesttag auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya?

Fans und Fachleute wünschen sich – bei allem Respekt vor Weltmeister Mercedes-Benz – etwas mehr Konkurrenz für die Silberpfeile. Am liebsten durch Ferrari, den Champion der Herzen, nicht nur für Ferraristi. Nach dem ersten Testtag auf dem dem Circuit de Barcelona-Catalunya zeigt die Rangliste Sebastian Vettel im Ferrari vor Lewis Hamilton im Mercedes. Ist das glaubhaft?

Schlichte Antwort: Schön wär’s.

Fakt ist, dass der erste Wintertesttag nur ansatzweise enthüllt, wo der Trend ungefähr hingeht. Sebastian Vettel war vor einem Jahr in Jerez auch der schnellste Mann, aber Weltmeister ist Hamilton geworden.

Die Rennställe arbeiten komplett unterschiedliche Programme ab, der Schwerpunkt liegt zu Beginn ihrer Arbeit im Kilometersammeln, nicht bei einer schnellen Rundenzeit. Ein wenig die Hosen runterlassen, das werden wir erst beim zweiten Wintertest sehen (vom 1.–4. März), wenn die Rennställe mit neuen Teilen aufkreuzen. Aber auch dann wird das Bild noch nicht das Schlüssige sein. Weil viele Teams die jüngsten Teile gar nicht auf der Wintertestbahn von Spanien haben, sondern erst in Australien ans Auto schrauben werden.

Das Bild wird ferner verwässert durch die unterschiedliche Reifenwahl der verschiedenen Teams zu unterschiedlichen Zeiten eines Testtags, ganz zu schweigen von der Spritlast.

Was aussagekräftiger als die Zeit ist: Lewis Hamilton drehte schon am Morgen 66 Runden – das entspricht einer kompletten GP-Distanz des Spanien-GP! Und das mit einem brandneuen Auto. Am Nachmittag herrschte beim Silberpfeil das Motto: Er läuft und läuft und läuft und läuft, und am Ende kam eine Rundenzahl heraus, die rund doppelt so gross war wie beim Zweitfleissigsten.

Das ist die wahre Messlatte für die Gegner, nicht die Rundenzeit.

Der Engländer über seine ersten Eindrücke: «Generell fühlt sich der Wagen sehr ähnlich an wie vor einem Jahr. Das ist auch nicht weiter verwunderlich, denn es handelt sich um eine Weiterentwicklung des 2015er Renners. Ich konnte am Morgen schon viel fahren, das ist sehr ermutigend.»

Die Frage wird sein, welche Eigenschaften der Silberpfeil an den Tag legt, wenn es ans Eingemachte geht. Denn im letzten Saisondrittel war Lewis Hamilton mit der Balance des Silberpfeils nicht mehr zufrieden, Nico Rosberg legte eine Serie von sechs Pole-Positions und drei Siegen in Folge hin, Hamilton war sauer.

Auch Hamilton kennt die Antwort auf diese Frage noch nicht: «Alles ist noch viel zu neu. Und ich bin mit dem neuen Wagen vom Limit noch weit entfernt.»

Einen Schritt näher ans Limit wollen die Techniker am kommenden Mittwoch kommen, wenn eine neue Nase ans Auto geschraubt wird. Auch damit wollen die Weltmeister von 2014 und 2015 ihren Vorsprung auf die Konkurrenz konservieren.

Auch Sebastian Vettel lernt derzeit sein Auto kennen. Am Morgen fuhr der vierfache Champion aerodynamische Abgleiche, am Nachmittag widmete er sich ersten Arbeiten mit der Abstimmung. Red Bull Racing-Teamchef Christian Horner: «Ich bin davon überzeugt, dass Ferrari nochmals zugelegt hat.»

Apropos: Daniel Ricciardo lobte das Handling seines neuen Red Bull Racing RB12. Teamchef Horner will sein Team «in eine Position bringen wie in der Saison 2014. Da konnten wir profitieren, als die Besten schwächelten.»

Williams ist ein Spiegelbild vom Image von Valtteri Bottas: Fleissig, unauffällig, aber sauschnell. Die Briten streben 2016 an, was sie in den vergangenen zwei Jahren ihrer Renaissance (zwei Mal WM-Dritter) verpasst haben: einen Sieg.

Vor einem Jahr kam McLaren-Honda am ersten Tag auf exakt sechs Runden, nun drehte Jenson Button mehr als zehn Mal so viel. Teamchef Eric Boullier war dennoch nicht zufrieden: «Wir hatten am Morgen einige kleine Probleme, das hat uns Zeit gekostet.»

Honda will für Button und Fernando Alonso schrittweise nachlegen, Ausbaustufe 1 des japanischen 1,6-Liter-V6-Turbo kommt schon zum zweiten Wintertest, Ausbaustufe 2 dann fürs Australien-GP-Wochenende.

Force-India-Zögling Alfonso Celis fuhr aerodynamische Abgleiche, teilweise krebste er die meiste Zeit über im Formel-3-Tempo über die Start/Ziel-Linie. Auch daher sagt Stammfahrer Nico Hülkenberg: «Am ersten Tag nicht im Auto zu sitzen, tut nicht so weh.» Was der neue Force India wert ist, durfte Celis erst gegen Schluss des Tages zeigen, als er endlich mehr Gas geben durfte.

Für den Schreck des Tages sorgte Romain Grosjean: Bruch des Frontflügels am neuen Haas-Renner, für eine ganze Weile ging bei Haas der Rollladen runter. Die US-Amerikaner werden für morgen Dienstag die Flügelaufhängungen verstärken.

Die Rückkehr von Renault als Werksteam riss die Fans auf der Tribüne jetzt nicht unbedingt zu Begeisterungsstürmen hin. Auch hier gilt: Was wir heute gesehen haben, ist nicht viel mehr als eine rollende Basis, es werden nun ständig mehr neue Teile ans Auto kommen, schon für Australien ist ein Evo-Paket aufgegleist.

«Wir haben keine Illusionen, was die Ergebnisse in diesem Jahr angeht. Aber wir werden beweisen, dass wir dieses Projekt sehr ernst nehmen und werden einen gesunden Grundstein für die kommenden Jahre legen», sagt Cyril Abiteboul, Geschäftsleiter von Renault Sport.

Sauber spulte mit dem alten Wagen und Marcus Ericsson Reifentests und Abstimmungsversuche ab. Als einziges Team mit einem 2015er Auto sind die Schweizer bereits jetzt im Rückstand.

Der neue Manor war ein seltener Gast auf der Rennstrecke. Dafür zeigen die Briten Mut zur Farbe – mit einer gefälligen neuen Lackierung. Mercedes-Motor hin, Williams-Getriebe her: Der Anschluss ans hinter Mittelfeld wird eine schwierige Aufgabe für Pascal Wehrlein und Rio Haryanto. Aber Wehrlein war heute nicht Letzter, das ist ein Zeichen, dass es beim kleinsten Rennstall der Formel 1 aufwärts geht.

Barcelona-Testzeiten, 1. Tag

1. Sebastian Vettel (D), Ferrari SF16-H, 1:24,939 (69 Runden)
2. Lewis Hamilton (GB), Mercedes F1 W07 Hybrid, 1:25,409 (155)
3. Daniel Ricciardo (AUS), Red Bull Racing RB12-TAG Heuer, 1:26,044 (86)
4. Valtteri Bottas (FIN), Williams FW38-Mercedes, 1:26,091 (80)
5. Alfonso Celis (MEX), Force India VJM09-Mercedes, 1:26,298 (57)
6. Jenson Button (GB), McLaren MP4-31-Honda, 1:26,860 (83)
7. Carlos Sainz (E), Toro Rosso STR11-Ferrari, 1:27,180 (55)
8. Marcus Ericsson (S), Sauber C34-Ferrari, 1:27,555 (88)
9. Pascal Wehrlein (D), Manor MRT05-Mercedes, 1:28,292 (54)
10. Romain Grosjean (F), Haas VF-16-Ferrari, 1:28,399 (31)
11. Jolyon Palmer (GB), Renault RS16, 1:29,356 (36)

Die wichtigsten Termine

Präsentationen/Roll-out
29. Februar: Präsentation Toro Rosso (Circuit de Barcelona-Catalunya)
1. März: Präsentation Sauber (Circuit de Barcelona-Catalunya)

Formel-1-Wintertests
22.–25. Februar: Spanien (Barcelona)
1.–4. März: Spanien (Barcelona)

1. Barcelona-Test: So wird gefahren
Mercedes
Dienstag 23. Nico Rosberg
Mittwoch 24. Lewis Hamilton
Donnerstag 25. Nico Rosberg
Ferrari
Dienstag Sebastian Vettel
Mittwoch und Donnerstag Kimi Räikkönen
Williams
Dienstag Valtteri Bottas
Mittwoch und Donnerstag Felipe Massa
Red Bull Racing
Dienstag Daniel Ricciardo
Mittwoch und Donnerstag Daniil Kvyat
Force India
Dienstag Sergio Pérez
Mittwoch Nico Hülkenberg
Donnerstag Alfonso Celis
Toro Rosso
Dienstag und Donnerstag: Max Verstappen
Mittwoch: Carlos Sainz
Sauber (mit 2015er Auto in neuer Lackierung)
Dienstag Marcus Ericsson
Mittwoch und Donnerstag Felipe Nasr
McLaren-Honda
Dienstag und Donnerstag Fernando Alonso
Mittwoch Jenson Button
Manor Racing
Dienstag Pascal Wehrlein
Mittwoch und Donnerstag Rio Haryanto
Renault
Dienstag Jolyon Palmer
Mittwoch und Donnerstag Kevin Magnussen
Haas F1
Dienstag und Donnerstag Esteban Gutiérrez
Mittwoch Romain Grosjean

Formel-1-WM
20. März: Australien (Melbourne)
3. April: Bahrain (Sakhir)
17. April: China (Shanghai)
1. Mai: Russland (Sotschi)
15. Mai: Spanien (Barcelona)
29. Mai: Monaco (Monte Carlo)
12. Juni: Kanada (Montreal)
19. Juni: Aserbaidschan (Baku) *
3. Juli: Österreich (Spielberg)
10. Juli: Grossbritannien (Silverstone)
24. Juli: Ungarn (Budapest)
31. Juli: Deutschland (Hockenheim)
28. August: Belgien (Spa-Francorchamps)
4. September: Italien (Monza)
18. September: Singapur
2. Oktober: Malaysia (Sepang)
9. Oktober: Suzuka (Japan)
23. Oktober: USA (Austin) **
30. Oktober: Mexiko (Mexiko-Stadt)
13. November: Brasilien (Sao Paulo)
27. November: Abu Dhabi (Insel Yas)
* Strecke noch nicht homologiert
** Finanzierung noch nicht gesichert

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