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Edi Wyss: Schweizer Zauber-Mechaniker auf Weltreise

Von Mathias Brunner
Sie gehören zu den meist ungefeierten Helden des Rennsports: die Mechaniker. Aus der kleinen Schweiz zog einer in die Welt hinaus, der sich das Ansehen der grössten Rennfahrer erarbeitete – Edi Wyss.

Jetzt mal Hand auf Herz: Wie viele Mechaniker berühmter Rennfahrer kennen Sie mit Namen? Keinen einzigen? Dann gehören Sie ohne Zweifel der Mehrheit an, denn die Männer (und Frauen) mit flinken Händen und wachem Geist gehören zu den ungefeierten Helden des Motorsports. Umso schöner, wenn ab und an einer von ihnen seine Lebensgeschichte erzählt. Und wenn es dann auf Weltreise geht wie mit dem Schweizer Edi Wyss, dann wird es richtig spannend.

Wyss erhielt einen Spitznamen als Ritterschlag: «The Swiss Wiz», was ein schön klingendes Wortspiel ist, aber keine leere Hülle. Der nicht eben zu überschwänglichen Reden neigende Formel-1-Champion und CanAm-Star Denny Hulme hat Wyss 1969 bei McLaren so getauft. Und magische Finger im kompletter Vollendung seines technischen Handwerks hat Edi fürwahr.

Wyss hat im Laufe der Zeit mit zahlreichen Grössen des nationalen und internationalen Sports gearbeitet; mit Jo Bonnier und Bruce McLaren, mit Denny Hulme und Jo Siffert, mit Herbert Müller und Peter Sauber. Die grössten Rennstrecken der Welt wurden sein Zuhause, in Europa und in Übersee, Le Mans und Indianapolis, Monza und Spa-Francorchamps und Monaco.

Nun erzählt Wyss von seinem Werdegang, farblich angesetzt, von den Lehrjahren im Schweizer Motorsport (grün) über die Wanderjahre als Rennmechaniker (orange) zu Erfahrungen als Rennwagenbauer (blau) und schliesslich dem Leben als Besitzer des eigenen Betriebs, Edi Wyss Engineering (rot, wie Ferrari).

Das bietet aus verschiedenen Gründen packende Lektüre für viele Stunden. Erstens erzählt Wyss mit erfrischender Offenheit, mit Takt, aber nie im Korsett politischer Korrektheit. Zweitens ist dieses Tingelleben des Rennzirkus in den 1960er und 1970er Jahren einfach ein Füllhorn für teils unglaubliche Geschichten; Vorkommnisse, wie sie im heutigen Rennsport nicht mehr passieren können. Und drittens würzt Wyss sein Buch mit den Erinnerungen von Weggefährten, mit der schönen Idee, dass Engländer und Westschweizer in ihrer Muttersprache schreiben können.

In sehr persönlichen Worten geht Wyss auch auf die dunklen Tage seiner Karriere ein, wenn herausragende Lenkradartisten wie Bruce McLaren oder Jo Siffert den grössten Preis für ihre Leidenschaft bezahlten.

Edi Wyss findet auch hier die passenden Worte, und zum richtigen Ton gehört das richtige Bild: Das Buch ist üppig, gleichzeitig aber überaus liebevoll bebildert, mit zahlreichen Fotos, die erstmals gezeigt werden. Zum Glück für uns Leser ist Wyss auch ein Sammler – und so entdecken wir zahlreiche Briefe, Visitenkarten, Zugangspässe, Lizenzen, Einladungen und Vieles mehr, die andernfalls auf immer verloren gewesen wären.

Oft werden die 1960er und 1970er als die goldenen Jahre des Motorsports beschrieben; darüber lässt sich diskutieren, aber fest steht – «The Swiss Wiz» ist ein grandioses Buch über eine verblüffende Karriere, gewürzt mit unzähligen Anekdoten.

Es war ein weiter Weg vom ersten Rennauto, welches Wyss anfassen durfte (ein Fiat Abarth 750 GT Zagato), bis zu den schnellsten Rennwagen ihrer Zeit mit Stars wie McLaren, Hulme und Siffert am Lenkrad. Wäre eine solche Karriere heute noch möglich? Vielleicht. Würde dieser Mensch auf seinem Werdegang so viele verschiedene Eindrücke sammeln dürfen wie Edi Wyss? Kaum.

Es gehört auch zur Faszination dieses Werks, mit wie vielen ganz verschiedenen Renngeräten Wyss gearbeitet hat – bei Bergsprints und auf der Langstrecke, bei Oval-Rennen und beim Formel-1-Klassikern, in der Schweizer Meisterschaft mit so viel Hingabe wie bei einer Weltmeisterschaft.

Zur Reise vom Zürichberg rund um die Welt gehört auch, wie aus bescheidenen Verhältnissen im Zürcher Oberland, dem berühmten «Moschthüsli», eine Spezialwerkstatt geworden ist, in welcher Sammler von hochklassigen historischen Sport- und Rennwagen ihre Schätze restaurieren und betreuen lassen.

Im tabellarischen Renntagebuch sind Edi Wyss’ Einsätze als Rennmechaniker verewigt; es zeigt, wie vielseitig dieser Mann ist; in krassem Gegensatz zu hochspezialisierten Fachkräften von heute. Ein Leckerbissen auch die atemberaubende Sammlung von Ferrari-Fahrzeugen, an welchen die magischen Hände gearbeitet haben.

Fazit: Wir tauchen ein in die faszinierende Welt eines Mannes, der seine Leidenschaft lebt, das ist aus jeder Zeile zu spüren. Diese Passion reisst einen mit, entführt an exotische Orte, lässt staunen über Begebenheiten aus einer anderen Epoche. Es ist sehr schwer, dieses Buch zur Seite zu legen, jede Seite macht mehr Appetit auf die nächste. Am Ende ist eines glasklar: Die Ehrenauszeichnung 2021 in der Kategorie Biografie beim «Motorworld Buchpreis» ist hoch verdient.

Das Wichtigste in Kürze

The Swiss Wiz: Edi Wyss – ein Leben mit Renn- und Sportwagen
In Zusammenarbeit mit Christoph Ditzler
ISBN: 978-3-947156-22-1
304 Seiten, rund 550 Fotos und Grafiken
Text in deutscher Sprache, wenige englischsprachige Passagen
Format 24,5 x 30 cm
Für 79,90 Euro im Fachhandel oder direkt bei  www.racingwebshop.com

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