Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Mick Doohan zu Márquez: «Kann noch viele Titel holen»

Von Isabella Wiesinger
Der fünffache 500ccm-Weltmeister Mick Doohan ist sich sicher: «Marc Márquez hätte keine Probleme mit einem 500ccm-Motorrad gehabt. Grossartige Fahrer wie er können mit jeder Art von Maschine umgehen.»

Mit seinem Titelgewinn konnte Marc Márquez in diesem Jahr in der MotoGP-Bestenliste mit Mick Doohan gleichziehen. Wie der Australier hat der Spanier nun fünf Titelgewinne in der Königsklasse mit dem Repsol-Honda-Werksteam gewonnen.

Beim drittletzten WM-Lauf auf Phillip Island zollte der neue Champion der GP-Legende Tribut, indem er in Doohans Stiefeln und Handschuhen ausrückte. Das freute den 54-Jährigen, der grosse Stücke auf den siebenfachen Weltmeister aus Cervera hält, wie er im Interview verrät.

Hast du während des GP-Wochenendes in Australien viele Interviews gegeben?

Mick Doohan: Das muss ich immer in Phillip Island. Vor allem dieses Jahr, da Marc seinen fünften Titel gewonnen hat; jeder will seine Titel mit meinen vergleichen, weil wir beide fünf Titel gewonnen haben, alle mit Repsol und alle mit Honda. Es gibt viele Ähnlichkeiten. Ich habe meine Titel vor vielen Jahren gewonnen, aber es ist schön, dass man sich so wieder an mich erinnert. Auch wenn das bedeutet, dass ich viele Interview-Anfragen bekomme, zusätzlich zu den Verpflichtungen, die ich ohnehin schon habe. Ich freue mich über alles, was ich machen kann. Es stresst mich nicht, es geht nur ums Zeit-Management.

Was hast du dir gedacht, als du gesehen hast, dass Marc mit deinen Stiefeln und Handschuhen fährt?

Es war fantastisch. Er hat mich um Erlaubnis gefragt, ob er das machen darf und ich habe natürlich ja gesagt. Es ist eine Ehre für mich, dass so an mich gedacht wird. Und noch dazu im Rennen in Australien.

Was bedeutet es dir, dass Marc – wie du – fünf Titel mit Honda gewonnen hat?

Ich finde es grossartig. Es ist gut für den Sport und für das Werk. Für Honda zu arbeiten war fantastisch für mich. Sie haben mir eine Plattform geboten, die es mir erlaubt hat, Siege einzufahren. Ich musste nicht zusätzlich motiviert werden, um Jahr für Jahr weiterzufahren, solange sie zu mir gestanden sind und mir erlaubt haben, das Motorrad zu testen, es zu verbessern und so bauen, wie ich es wollte. Wenn man mich hätte motivieren müssen, die Farbe meines Motorrads zu ändern, wäre es vielleicht an der Zeit gewesen, aufzuhören. Nicht jeder würde das mögen, aber so war ich und ich glaube, dass es für beide Parteien gut funktioniert hat.

Was ist beeindruckender an Marc? Seine Titel oder die Art und Weise, wie er fährt?

Ich glaube, dass diese beiden Dinge Hand in Hand gehen. Sein Fahrstil ist beeindruckend, daran besteht gar kein Zweifel; er macht es aufregend für alle, die zuschauen, und das gilt auch für mich. Wenn er nicht so fahren würde, hätte er die Titel nicht gewonnen. Gleichzeitig ist sein Fahrstil der Grund dafür, dass die Fans gefesselt zuschauen. Dieses Jahr haben wir eine grossartige Saison erlebt, wobei viele Fahrer ganz vorne dabei waren und hart um die Siege gekämpft wurde, wie beispielsweise in Assen. Ich versuche immer, die Rennen zu schauen. Auch die Qualifyings. Glücklicherweise kann ich die überall anschauen, sogar auf meinem Handy. Es gab viel Aufregung und Márquez war Teil davon. Er ist eine Attraktion und ein Grund, warum man MotoGP schaut, weil man wissen will, was passiert. Darauf muss man manchmal bis zur letzten Kurve warten.

Was ist die beste Eigenschaft, die Marc besitzt?

Ich glaube, seine Bestimmtheit. Er gibt nie auf, er will immer kämpfen. Manche sagen, er ist zu aggressiv, aber das ist jeder Rennfahrer. Wenn du immer am Limit bist, bleibt oft nicht viel Raum für Fehler und dann berührt man sich leider. Das hat es immer gegeben; Ellbogen und Manöver, die ein wenig aggressiv waren. Aber früher wurde nicht alles von Kameras aufgenommen. Jetzt ist es wie ein Fussballspiel; man kann sich nichts mehr leisten. Wenn du nicht aggressiv bist, gewinnst du nicht. Es scheint, als wären Marcs Hingabe und Siegeswille grösser als die der anderen Fahrer.

Kannst du ihn dir auf einem 500ccm-Motorrad vorstellen?

Ich bin mir sicher, dass er damit überhaupt keine Probleme gehabt hätte. Grossartige Fahrer wie er können sich an jede Maschine anpassen. Das haben wir bei Valentino und anderen gesehen. Das war schon zu meiner Zeit so; es gab Fahrer, die haben die Werke gewechselt, aber dieselben Resultate erzielten. Der Fahrer, der organische Teil des Motorrads, ist normalerweise das Element, das den grössten Unterschied macht. Marc würde mit allen Werken gewinnen.

Erkennst du dich selbst in ein paar Dingen, die Marc macht?

Ich wäre verrückt, wenn ich das sagen würde! Nein, es sind heute andere Zeiten und das Einzige, was wir gemeinsam haben, ist unser Wille, zu gewinnen und niemals aufzugeben. Ich glaube, dass Marc und andere Fahrer, wie Valentino, ins Rennen gehen und um alles in der Welt gewinnen wollen, ganz egal, von welchem Startplatz sie losfahren. Das ist die einzige Eigenschaft, die jemand wie ich und Marc gemeinsam haben. Ich bin nie in ein Rennen gestartet und habe gedacht: Hoffentlich werde ich Zweiter. Es war immer das Ziel, das Rennen auch zu gewinnen. Und wenn das nicht möglich war, dann musste ich auf die nächstbeste Position kommen, aber ich habe immer an den Sieg gedacht.

Kannst du dir vorstellen, gegen Marc anzutreten?

Ja, aber wenn ich wir in meiner Zeit gefahren wären, hätte er gedacht: ‚Wer ist Mick Doohan? Nur ein Fahrer, gegen den ich antrete…’ Genau so, wie er über all die heutigen Fahrer denkt. Mit mir wäre es dasselbe. Obwohl meine Zeit 20 Jahre vor seiner war – genau wie Agostini vor mir und ich wurde immer auf ihn angesprochen.

Du bist gegen Alberto Puig gefahren. Wie schätzt du seine Rolle als Teammanager bei Repsol Honda ein?

Alberto ist ein Rennfahrer und das braucht man in einem Team. Du brauchst jemanden, der intelligent ist und den Kampf kennt, auch wenn er nicht unbedingt ein Fahrer zu sein braucht. Ich erinnere mich, dass ich, als ich gefahren bin, ein schneller Fahrer war, stark und bestimmt, aber Puig war immer sehr berechnend. Er hat jahrelang mit jungen Fahrern gearbeitet, wie beispielsweise mit Dani Pedrosa. Ich glaube, er hat diese Erfahrung ins Team mitgebracht und das ist ein grosser Fortschritt. Jetzt muss er mit Márquez und Lorenzo umgehen können und ich glaube, dass er das gut machen wird, weil er weiss, was die Beiden verlangen werden. Wenigstens werden sie keine Sprachbarriere haben, wie es bei mir der Fall war.

Marc ist erst 25 Jahre alt. Was können wir in Zukunft von ihm erwarten?

Das hängt von ihm ab. Er ist erst 25 Jahre alt und wenn er sich hoffentlich nicht verletzt, fit, stark und gesund bleibt und weiterhin Rennen fahren will, dann könnte er auch noch zwei, drei, vier, fünf oder mehr Weltmeisterschaften gewinnen, sogar wenn er mit 30 aufhört. Über Statistiken denkt man nicht nach, während man fährt, auch wenn es wichtig ist für die Medien. Wenn alles so weiterläuft wie bisher in seiner Karriere, wird er weitermachen, um zu gewinnen. Wenn er fünf weitere Jahre fährt, könnte er noch fünf weitere Titel gewinnen. Aber wenn er weitermacht, bis er 35 ist, wer weiss, was dann noch alles möglich ist.

Was denkst du über die heutige MotoGP, mit denselben Reifen und Einheitselektronik?

Ich finde es fantastisch. Die Dorna hat grossartige Arbeit geleistet, vor allem Carmelo Ezpeleta. Ich liebe es, mit ihm zu sprechen, weil er mit seinen Visionen immer einen Schritt voraus ist. Er hat den Sport wahnsinnig gut geführt; wenn man sich die Fans, die zu den Rennen kommen, und das Publikum vor dem Fernsehen anschaut, erkennt man, dass alles sehr gut funktioniert. Die guten Rennfahrer könnten mit jeder Elektronik umgehen. Sie stürzen zwar immer noch, aber weil sie den Grip mit den Reifen verlieren oder die Reifen an ihr Limit bringen. Es geschehen keine Highsider mehr, wenn sie das Gas aufdrehen. Es ist sicherer und gleichzeitig ist es mit der Einheitselektronik einfacher für alle, die Power unter Kontrolle zu behalten.

Glaubst du, dass dein Sohn eines Tages in der Formel 1 fahren wird?

Er ist wie ein 15-jähriger Fahrer in der Spanischen Meisterschaft, der in die MotoGP aufsteigen will. Ich glaube, dass man einen Traum haben muss. Er gewinnt Rennen und er ist schnell, aber er ist erst 15. Ich glaube, ich habe ihm ein paar Flausen in den Kopf gesetzt, aber er hat dieselbe Mentalität wie ich, nämlich nie aufzugeben. Er ist nicht zufrieden, wenn er Zweiter wird, aber ich glaube, dass das von ihm selbst kommt. Er wird wütend, wenn er nicht gewinnt, aber er trainiert hart und versucht, sich selbst zu motivieren. Aber am Ende des Tages ist er ein 15-jähriges Kind.

Wie ist es, der Vater eines Rennfahrers zu sein?

Für mich ist es schön, weil ich den Motorsport mag. Ich fühle Adrenalin, wenn mein Sohn auf der Strecke fährt, aber ich versuche ihn nicht zu sehr zu bedrängen. Natürlich mache ich mir ein wenig Sorgen um die eine oder andere Sache. Das siehst du auch bei Marcs Vater und anderen Paddock-Eltern. Er scheint ziemlich vernünftig zu sein und hatte bis jetzt noch nicht viele Unfälle. Aber, wie auch in der Spanischen Meisterschaft, wächst das Niveau exponentiell und die Konkurrenz wird immer härter, je weiter man in den Serien aufsteigt.

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