Jorge Lorenzo: Warum er bei Yamaha nie getestet hat

Von Günther Wiesinger
Jorge Lorenzo beim Yamaha-Test im Februar

Jorge Lorenzo beim Yamaha-Test im Februar

Jorge Lorenzo, im Februar pompös als neuer Yamaha-Edeltester präsentiert, hat noch keine Runde mit der 2020-Yamaha gedreht. Dafür gibt es mehrere Gründe.

Bei der Dorna-Pressekonferenz in Misano rätselten gestern Fabio Quartararo und Valentino Rossi, warum Yamaha-Testfahrer Jorge Lorenzo seit mehr als sieben Monaten (Anfangs Februar in Sepang) nicht mehr mit der Yamaha-1 getestet hat. Die beiden wussten keine schlüssige Antwort auf diese berechtigte Frage. denn Honda hat Stefan Bradl zum Beispiel am 25./26. August in Misano testen lassen, vorher bei den drei Grand Prix in Brünn und Spielberg als Marc-Márquez-Ersatz hat der Bayer ebenfalls ständig neues Material ausprobiert.

Yamaha Motor Racing betreibt das Europa-Hauptquartier in Gerno di Lesmo bei Monza. Trotzdem wurde weder der Misano-Testtermin im Juni noch im August mit Lorenzo wahrgenommen.

Der Engländer Lin Jarvis, seit 1999 Managing Director von Yamaha Motor Racing und somit auch Chef von Viñales und Rossi, bedauerte im SPEEDWEEK.com-Interview schon im vergangenen Juni: «Es ist frustrierend, anders kann ich nicht beschreiben, wie sich dieses Jahr mit Jorge entwickelt hat», erklärte Lin Jarvis. «Die Covid-19-Seuche hat viele frustrierende Aspekte mit sich gebracht. Unsere Pläne mit Lorenzo wurden ganz schlimm davon betroffen. Jorge ist zwei Tage mit dem 2019-Yamaha in Sepang gefahren; das war eigentlich nur ein Shake-down-Test für ihn. Für uns hat er nicht viel gebracht. Er diente eigentlich in erster Linie dazu, Jorge wieder an das Bike zu gewöhnen auf ihn auf Speed zu bringen. Nachher sollte er in Japan und auf europäischen Strecken testen. Alles war schön geplant – und musste gestrichen werden.»

Aber Lorenzo wurde auch nach dem Ende des Lockdowns nicht zur Arbeit gerufen. Das lag einerseits an den Verhandlungen von Lorenzo mit Ducati. Offenbar wollte man den Spanier nicht mehr in die neuesten Entwicklungsgeheimnisse einweihen.

Anderseits behindern die Reiseverbote und Reisebeschränkungen, die Quarantäne-Bestimmungen und so weiter die Aktivitäten zwischen Yamaha in Italien und Japan.

Es kamen weitere Erschwernisse dazu. Nach den drei Motorschäden in Jerez (bei Rossi, Morbidelli und Viñales) musste zuerst nach der Ursache geforscht, werden, dann wurden schadhafte Ventile ausfindig gemacht. In dieser Phase wurden andere Prioritäten gesetzt. Außerdem steckt bei Yamaha der Aufbau des European Test Teams noch in den Kinderschuhen. Das hat 2019 auch Jonas Folger miterlebt.

Jedenfalls sind die euphorischen Pläne mit Testfahrer Lorenzo, der eine schöne Stange Geld kostet, nicht in die Tat umgesetzt worden.

Gut möglich, dass Yamaha wegen der reduzierten Aktivtäten auch eine Gagenreduktion vorschlug, die Gegenseite aber nicht kompromissbereit war. Yamaha äußert sich zu diesem heiklen Thema nicht.

Yamaha plante zudem ein bis zwei Wildcard-Einsätze mit Lorenzo (in Catalunya und Misano), sie wurden aber wegen Corona verboten.

Was im Januar wie ein geschickter Schachzug aussah, denn der 33-jährige Lorenzo brachte frisches Wissen von Ducati und Honda mit, hat sich für Yamaha inzwischen als kostspieliger Leerlauf entpuppt.

Jedenfalls haben bisher keine neuen Vertragsverhandlungen zwischen Lorenzo und Yamaha für 2021 stattgefunden.

Dazu kommt: Die Motorsport Development Division in Japan steht seit zwei Jahren unter dem Kommando von Projektleiter Itou. Diese MotoGP-Entwicklungsabteilung hatte wegen der Motorprobleme und der Covid-19-Beschränkungen bisher keine Kapazitäten für Testfahrten in Europa.

«Unser Testteam besteht vorrangig aus japanischen Ingenieuren. Doch sie dürfen vorläufig nicht nach Europa reisen. Das ist sehr frustrierend. Das Verbot von Wildcard-Einsätzen bedeutet, dass wir keine Chance bekommen haben, Jorge in diesem Jahr bei einem Rennen in Aktion zu sehen. Das ist eine Schande. Wir hatten so hohe Erwartungen im Zusammenhang mit diesem neuen Projekt… Aber im Moment können wir damit nicht weitermachen.»

Das heißt: Jorge Lorenzo hat zwar einen hochdotierten Vertrag, aber seine Aktivitäten beschränken sich momentan auf diverse Social Media-Kanäle, er präsentiert sich am Luganer See, in Luxus-Hotels oder mit seinem Lamborghini-Sportwagen. Dazwischen postet er Bilder auf dem Mountainbike oder Rennrad, damit nicht der Eindruck entsteht, er gäbe sich ganz den Dolce Vita hin.

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