KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Yamaha: Interesse an Oliveira als Viñales-Ersatz

Von Günther Wiesinger
Miguel Oliveira

Miguel Oliveira

Als sich die Trennung von Viñales und Yamaha abzeichnete, zeigten die Japaner Interesse an Red Bull-KTM-Star Miguel Oliveira. Aber der Portugiese sagte höflich ab.

Als sich das Zerwürfnis zwischen Maverick Viñales und dem Yamaha Motor Racing Team im Mai und Juni ständig weiter verschlimmerte und sich eine Trennung zum Jahresende abzeichnete, hielten die Yamaha-Verantwortlichen nach verfügbaren Topfahrern Ausschau. Zu diesem Zeitpunkt glänzte Red Bull-KTM- Werkspilot Miguel Oliveira gerade mit den Rängen 2, 1 und 2 in Mugello, Catalunya und Sachsen. Also kam er schnelle Portugiese in die engere Wahl.

Doch bald stellte sich heraus, dass der aktuelle WM-Siebte einen kugelsicheren Vertrag mit KTM für 2022 hat. Und offenbar existiert auch für 2023 und 2024 eine einseitige Option auf Seiten von KTM. Wenn die Österreicher also auch nach 2022 mit Oliveira fahren wollen und Einigung bei der Fahrergage erzielt wird, kann der Deal verlängert werden.

Die Meldungen, Oliveira könne statt Viñales zu Yamaha wechseln, entpuppten sich also bald als Sturm im Wasserglas. Der dreifache MotoGP-Sieger ist außerdem schon 2015 beim Red Bull KTM Ajo-Team Vizeweltmeister in der Moto3-Klasse gewesen und dort auch 2018 Vizeweltmeister in der Moto2 geworden. Er ist von KTM fast nicht mehr wegzudenken.

Deshalb erklärte der KTM-Vorstandsvorsitzende Stefan Pierer im Juni gegenüber SPEEDWEEK.com: «Ich versuche mit Fahrern zu arbeiten, die möglichst lange bei uns sind und unsere Marke repräsentieren. KTM ist wie eine Familie. Mit Fahrern wie Oliveira und Binder, die fast seit einem Jahrzehnt für uns fahren, haben wir inzwischen ein ganz anderes Verhältnis. Der Vertrag mit Brad Binder wurde bereits bis Ende 2024 verlängert. Bei Miguel Oliveira läuft der Vertrag für 2022 eh noch. Und ich geh’ davon aus, dass sich danach nichts ändern wird.»

Auch Pit Beirer, Motorsport-Direktor von KTM, will Oliveira unbedingt bei der Stange halten. Der neue MotoGP-Teamleader sorgt beim gesamten KTM-Management für Begeisterung.

«Was Miguel für einen sauberen Strich fährt, wie eins er ist mit dem Motorrad, das ist ein schönes kleines Paket», lobt Beirer. «Er geht so sauber ans Gas, er hat beim Beschleunigen keine Schlenker drinnen. Miguel fährt mit einer extrem hoher Qualität. Gleichzeitig ist er halt sehr sensibel. Deshalb haben sich die Schwierigkeiten, die wir im Frühjahr hatten, auf seine Performance niedergeschlagen. Aber es war eine Freude zu sehen, wie er rasch er sich gesteigert hat, als wir ihm ein paar Kleinigkeiten geliefert haben, die ihm beim Fahren geholfen haben. Dann hat er seine ganze Qualität reingelegt, wie letztes Jahr am Spielberg und in Portimão.»

Oliveira hat gegenüber der Vergangenheit seine Quali-Schwäche abgelegt, außerdem gilt der künftige Zahnarzt als besonders pfiffiger, intelligenter Rennfahrer, seine Strategie fürs Training und Rennen wirkt immer wohl überlegt.

Beirer: «In Mugello hat man bei Miguel gemerkt: Jetzt ist das Bike dort, wo er es haben will. Er hat seither bei jedem Training ab FP1 am Freitagfrüh gut performt. Denn die Basis für das Ergebnis vom Sonntag wird oft am Freitag gelegt. Du musst schon sehr klar sein im Kopf, wenn du am Freitag auf die absolute Top-Zeit verzichtest, aber dafür am Renn-Set-up arbeitest. Und was seine Intelligenz betrifft: Ich glaube inzwischen, für die MotoGP kann man gar nicht zu gescheit sein, weil diese Kategorie so brutal komplex ist. Wenn man nur schaut, wie viele Knöpfe die Jungs am Dashboard haben und was sie alles bedienen müssen… Das ist schon eine komplexe Aufgabe.»

Viñales: Die Sympathien waren nicht auf seiner Seite

Maverick Viñales (26) stand letztes Jahr bei Yamaha schon oft im Schatten von Quartararo und Morbidelli. Er fiel nach den zwei zweiten Plätzen im Juli in Jerez vom zweiten auf den sechsten Platz zurück. Zu wenig bei einer Fahrergage von 6,5 Millionen Euro.

Deshalb fiel er beim Monster-Yamaha-Team allmählich immer mehr in Ungnade. Er fühlte sich genau so wenig geliebt und geschätzt wie Jorge Lorenzo nach dem Titelgewinn von 2015, als bei Yamaha die Sympathien klar auf der Seite von Rossi waren.

Viñales räumte im Juni in Assen sogar ein, es habe ihn verwundert, dass ihm Yamaha bereits im Januar 2020 einen neuen Vertrag für 2021 und 2022 angeboten habe.

Und da der Spanier seither ein Muster an Unbeständigkeit darstellte, wurde viel Porzellan zerschlagen.

Auch der dritte Crew-Chief-Wechsel (von Ramon Forcada zu Esteban Garcia und im Frühjahr 2021 zu Silvano Galbusera) brachte keinen durschlagenden Erfolg. Ähnlich wie der Startnummernwechsel von #25 zu #12 nach der Saison 2018.

Miguel Oliveira machte im vergangenen Juni kein Geheimnis daraus, dass er kürzlich ein verlockendes Angebot erhalten, es aber höflich abgelehnt habe. Wegen des KTM-Vertrags für 2022.

Deshalb beschritt Yamaha den naheliegenden Weg und vereinbarte mit Petronas-Yamaha-Teamchef Razlan Razali den Transfer von Morbidelli ins Werksteam für 2022.

Razali hat jetzt für 2022 noch keinen Fahrer, falls Rossi aufhört oder in sein Aramca-Ducati-Team wechselt.

Miguel Oliveira hat letztes Jahr seinen ersten Grand Prix in Spielberg durch ein cleveres Manöver beim «last corner battle» gewonnen und auch 2021 schon drei sehr starke Vorstellungen dargeboten. Er hat auch eine reifenschonende, sanfte Fahrweise im Köcher, wenn so eine Strategie zielführend ist. Er hätte also vermutlich gut auf eine Yamaha gepasst.

Aber die jetzt gefundene Lösung erscheint für alle Parteien vernünftig: Morbidelli bekommt seinen verdienten Werksvertrag, Oliveira kann bei KTM die Lorbeeren seiner Aufbauarbeit ernten, und Viñales muss sich nach 2021 nicht mehr mit einem Bike abmühen, das nach seinen eigenen Aussagen nur viermal im Jahr konkurrenzfähig ist.

Dabei hat Yamaha in den letzten zwölf Monaten immerhin zwölf Rennen auf sehr unterschiedlichen Strecken gewonnen. Kontrahent Ducati hat in dieser Zeitspanne vier Siege gefeiert, KTM ebenfalls, Honda 1, Suzuki zwei.

Wenn Viñales tatsächlich zu Aprilia wechselt, muss er zuerst einmal unter die Top-5 kommen. Das haben die Italiener in der «premier class» seit 2002 in der neuen Viertakt-Kategorie noch nie geschafft.

So könnten die MotoGP-Teams 2022 aussehen

Repsol-Honda
Marc Márquez, Pol Espargaró

Ducati Lenovo Team
Jack Miller, Pecco Bagnaia

Monster Energy Yamaha
Franco Morbidelli, Fabio Quartararo

Suzuki Ecstar
Alex Rins, Joan Mir

Red Bull KTM Factory Racing
Brad Binder, Miguel Oliveira

Aprilia Racing Team
Aleix Espargaró, Andrea Dovizioso? Maverick Viñales?

Pramac Racing
Jorge Martin, Johann Zarco

ARAMCO Sky VR46 Racing
Luca Marini, Marco Bezzecchi? Valentino Rossi?

Petronas Yamaha SRT
Garrett Gerloff? Andrea Dovizioso? Valentino Rossi?

LCR Honda
Alex Márquez, Takaaki Nakagami

KTM Tech3 Factory Racing
Remy Gardner, Danilo Petrucci? Iker Lecuona? Rául Fernández?

Gresini Ducati Racing
Enea Bastianini, Fabio Di Giannantonio

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