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«Silly season» in der MotoGP: Ein unruhiger Sommer

Kolumne von Michael Scott
Joan Mir, Marc Márquez, Alex Rins und Taka Nakagami: Wie geht es mit dem Honda-Quartett weiter?

Joan Mir, Marc Márquez, Alex Rins und Taka Nakagami: Wie geht es mit dem Honda-Quartett weiter?

Im MotoGP-Feld müssen für 2024 noch einige Fragen geklärt werden, vor allem bei Honda herrscht Unruhe. SPEEDWEEK.com-Kolumnist Michael Scott wirft einen Blick auf die «Silly season», die gar nicht so albern ist.

Albern ist der, der Albernes tut. Die meisten Fahrerverträge laufen eigentlich erst am Ende der nächsten Saison aus, die Flut an Gerüchten und Spekulationen in der langen Sommerpause könnte sich dennoch als gar nicht so albern herausstellen.

Auslöser dafür sind die Turbulenzen bei Honda, wo eine Reihe von Stürzen und Verletzungen die Fahrer in Angst und Bangen versetzt hat – und dazu geführt hat, dass sie ernsthaft über ihre Zukunft nachdenken.

Der Fisch stinkt vom Kopf her.

Marc Márquez‘ Entschlossenheit, sich mit seiner Fahrweise über die Schwächen der Maschine hinwegzusetzen, seine Fähigkeit, sich auch nach Rückschlägen immer wieder zurück zu kämpfen, und sein scheinbar unendliches Talent waren immer eine Inspiration – nicht nur für das Team und die Ingenieure, sondern auch für die anderen Honda-Piloten.

Seine Entscheidung, am Rennsonntag in Assen auf einen Start zu verzichten, folgte auf zwei weitere Stürze – und eine dumme Kollision mit Bastianini, weil er nicht aufgepasst hat, wo er hingefahren ist.

Eine Ansammlung von – wenn auch relativ leichten – Verletzungen und die entmutigende Erfahrung aus dem Qualifying zusammen mit Platz 17 im Sprint (sein zweitschlechtestes MotoGP-Ergebnis) trugen ebenfalls zur Entscheidung bei. Ein Schritt, der fast beispiellos war, wäre es nicht eine Woche zuvor auf dem Sachsenring schon so gewesen.

Bereits 14 Stürze in der laufenden Saison, obwohl Marc schon drei der acht Rennen verpasste, forderten ihren Tribut. Der übermütigste alle Fahrer erweckte mit seinen Aussagen nach der Dutch TT («Der schwierigste Moment meiner Karriere») den beunruhigenden Anschein, als sei sein Geist gebrochen.

Genauso schlimm, aber auf eine andere Art und Weise, war das gebrochene Bein seines Markenkollegen. Alex Rins, der einzige siegreiche Honda-Pilot in den letzten fast zwei Jahren, war auf dem Sachsenring und in Assen gar nicht mehr dabei, weil er sich von einem zweifach gebrochenen Schien- und Wadenbeinbruch erholt. Auch in Silverstone wird er noch fehlen (in der Zwischenzeit hat er geheiratet – im Rollstuhl…).

Der zweite Repsol-Honda-Pilot Joan Mir war nach einem Sturz in Mugello ebenfalls angeschlagen, eine Handverletzung hielt ihn von drei Rennen fern – und gab ihm Zeit, über seine von Stürzen geprägte «Beförderung» vom nicht mehr existierenden Suzuki Ecstar Team ins glorreiche Honda-Werksteam nachzudenken.

Kein Wunder also, dass anschließend Gerüchte die Runde machten: Alle drei Fahrer würden über einen «Hexit» nachdenken – eine Flucht vor Honda, unabhängig von der Vertragslaufzeit.

Bei Honda droht ein «Hexit»

Angeheizt wurden die Spekulationen nicht zuletzt, weil Repsol-Honda-Teammanager Alberto Puig öffentlich bestätigte, dass Márquez zwar bis Ende 2024 unter Vertrag stehe, letztendlich aber tun und lassen könne, was er wolle. Denn: «Honda ist keine Firma, die Mitarbeiter zum Bleiben zwingt, wenn sie bei Honda nicht happy sind

Das könnte man freilich auch auf Mir anwenden, der von der Idealbesetzung so schnell zum Problemfall wurde. Auch wenn die Gerüchte, dass er bei Gresini eine Ducati übernehmen könnte, dementiert wurden, wollen sie doch nicht ganz verstummen.

Rins sitzt im selben Boot. Im Fall des Austin-Siegers wurde gar nicht erst bestritten, dass er ein ernsthafter Kandidat für die Morbidelli-Nachfolge im Yamaha-Werksteam ist. LCR-Chef Lucio Cecchinello bestätigte zudem, dass Rins im Falle eines Factory-Angebots über eine Ausstiegsklausel in seinem Vertrag verfügt.

Während die M1 aktuell zwar kaum erfolgreicher als die Honda RC213V ist, so ist das zweite japanische Bike doch zumindest freundlicher zu den Fahrern – sie werden hauptsächlich deklassiert und weniger tückisch abgeworfen.

Bleibt noch der vierte Honda-Pilot, Takaaki Nakagami, der über keinen Vertrag für die nächste Saison verfügt. Obwohl er vielleicht noch nicht dazu bereit ist, die MotoGP zu verlassen, könnte es unter den aktuellen Umständen auch eine Erleichterung sein. Sein erwarteter Nachfolger, Ai Ogura, wird andrerseits nicht sonderlich daran interessiert sein, aus der Moto2 aufzusteigen, nachdem eine Verletzung zu Beginn des Jahres seine Titelhoffnungen in der zweithöchsten Klasse vereitelt hat.

Die Gerüchte betreffen aber nicht nur die Fahrer. Die Befürchtung, dass Honda dem Beispiel von Suzuki folgen und sich von der MotoGP abwenden könnte, sind vielleicht nicht ganz abwegig, wenn auch wahrscheinlich verfrüht.

KTM hat ein anderes (Luxus-)Problem

Während Honda mit einem Fahrermangel konfrontiert ist, ist bei KTM das Gegenteil der Fall – mit fünf Fahrern für vier Motorräder, weil ein Platz für Wunderknabe Pedro Acosta gefunden werden muss. Das bedeutet, dass sie entweder für einen ihrer aktuellen Stammfahrer eine neue Beschäftigung finden oder aber ein zusätzliches Team ausrüsten müssen. Wie wäre es mit Husqvarna?

Die Österreicher fragten bereits beim LCR-Kundenteam an, aber Lucio Cecchinello (ein loyaler Honda-Mann) wies die Annäherungsversuche zurück – zumindest bisher.

Bekommt die Pierer-Gruppe doch noch den gewünschten zusätzlichen Slot? Oder wird Pol Espargaró, der in Silverstone nach seinem schweren Unfall beim Saisonauftakt in Portimão in die WM zurückkehrt, für einen Jüngeren Platz machen? Der Vertrag mit Rookie Augusto Fernández wurde laut KTM-Chef Stefan Pierer mittlerweile verlängert.

Es gibt aber weiter viele Gerüchte. Viele davon sind zumindest vorstellbar – und daher nicht so albern, wie sie auf den ersten Blick wirken mögen.

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