Ducati: Wo bleibt bei Bastianini der Hausverstand?
Für das erfolgsverwöhnte Ducati-Lenovo-Werksteam begann der GP von Indonesien auf dem Mandalika Street Circuit nicht gerade verheissungsvoll. Denn am Freitag landeten Pecco Bagnaia und der erstmals seit dem Startcrash von Barcelona wieder einsatzfähige Enea Bastianini nur auf den Rängen 16 und 20, sie verloren 1,161 sec und 1,734 sec auf Aprilia-Star Aleix Espargaró.
Am Samstag kam es noch schlimmer: Enea Bastianini steigerte sich deutlich und vermasselte WM-Leader Bagnaia durch Platz 2 im Q1 den Einzug ins wichtige Qualifying 2, in dem die zwölf besten Startpositionen verteilt werden. Bagnaia kam also über Grid Position 13 nicht hinaus!
Auch das Sprint-Race über 13 Runden war für die Ducati-Corse-Manager Gigi Dall’Igna, Paolo Ciabatti und Davide Tardozzi zum Haareraufen. Denn Bastianini pfuschte seinem Teamkollegen Bagnaia wieder ins Handwerk und verdrängte ihn auf Platz 8, obwohl er vor dem Start nur noch 3 Punkte hinter Sprint-Sieger Jorge Martin lag und jeden einzelnen kostbaren Punkt dringend brauchte.
Übrigens: Jorge Lorenzo agierte bei Ducati Corse im Jahr 2017 durchaus mannschaftsdienlicher, als er Titelanwärter Andrea Dovizioso in Sepang den Sieg überließ und sich mit Platz 2 begnügte. «Dovi» konnte dadurch den Titelfight gegen Marc Márquez bis zum Finale in Valencia offenhalten.
Der famose Jorge Martin aus dem Pramac-Ducati-Kundenteam von Paolo Campinoti übernahm nach seinem vierten Sprint-Sieg in Serie am Samstag erstmals die MotoGP-WM-Führung.
Um wie viel wertvoller für die Ducati-Topmanager ein Erfolg eines Lenovo-Piloten ist, erlebten die TV-Zuschauer am Sonntag, als Bagnaia nach dem Crash von Martin in Runde 13 (er lag 3 sec vor Viñales in Führung) als Sieger über den Zielstrich flitzte.
In der Ducati-Lenovo-Box brachen alle Dämme, als Pecco nach vier sieglosen Sonntagen erstmals seit Spielberg wieder 25 Punkte einkassierte – und die WM-Führung zurückeroberte. Das ganze Team jubelte und lag sich in den Armen, es wurden Freudentränen vergossen.
Denn natürlich ist den Ducati-Chefs ein Titelgewinn von Pramac lieber als einer von Honda und Aprilia. Aber kein Werksteam will sich dauerhaft von einem Satellitenteam mit identischem Material in die Knie zwingen lassen.
Das würde ja auch bedeuten, dass man nicht die besten Fahrer ins Factory Team gesteckt hat.
Ducati hat aber Ende August 2022 zugunsten von Bastianini und gegen Martin entschieden, weil die «Bestia» als WM-Dritter vier Saisonsiege errungen hatte, Martin als WM-Neunter keinen.
Inzwischen kommen den Ducati-Verantwortlichen gewisse Zweifel, ob der unberechenbare und aufmüpfige Bastianini die richtige Wahl für das Werksteam war. Eigentlich konnte man sich nach etlichen Vorfällen von 2022 ausmalen, dass er für Bagnaia nicht den untertänigen Steigbügelhalter spielen werde.
Aber er war halt 2022 meist schneller als Jorge Martin.
Man kann sich vorstellen, dass bei Ducati Corse am Samstag wenig Begeisterung für die Vorgehensweise des verhinderten Teamplayers Bastianini aufkam.
Bagnaia klagte am Freitag und Samstag, er habe beim Bremsen momentan nicht das beste Gefühl für die Desmosedici. Doch am Sontag drehte er den Spieß um – und präsentierte sein weltmeisterliches Fahrkönnen.
Und er wusste ja: Seine Rundenzeit aus dem Q1 hätte im Q2 für den fünften Startplatz vor Brad Binder gereicht. Aber Enea B. hatte die Teilnahme verhindert, was man ihm nicht unbedingt verübeln kann.
Aber man darf sich fragen, ob der WM-20. Bastianini im Sprint nicht seinen siebten Platz an Bagnaia preisgeben hätte sollen, der jeden Zähler dringend braucht.
Fakt ist: Ducati kann an die Kundenteams Mooney VR46 und Gresini Racing keine Stallorder erteilen, weil diese Rennställe pro Fahrer und Saison ca. 2 Millionen an Leasingraten an Ducati Corse überweisen.
«Der 13. Startplatz für Pecco war nicht ideal. Schon gar nicht im Sprint, weil auf der schmalen Ideallinie die Überholmöglichen sehr gering waren», stellte Ducati-Sportdirektor Ciabatti beim Mandalika-GP fest.
Doch am Sonntag kam es dank des Sturzes von Jorge Martin für die Lenovo-Mannschaft zu einem Happy End.
Und Bastianini wird wohl bei nächstbester Gelegenheit eingeschärft, er solle Bagnaia nicht ins Handwerk pfuschen.
Aber der rauflustige Italiener wird sich nicht darum kümmern: Denn 2025 wird voraussichtlich sowieso Bezzecchi oder Martin auf seiner Werksmaschine sitzen.
Ducati gab Lorenzo 2017 beim zweitletzten Rennen eine Stallorder. Bastianini weiß also, was auf ihn zukommt.
Paolo Ciabatti stellte am Sonntag für Bastianini schon mal die Rute ins Fenster. «Es wird keine Order des Werks für Pecco, Jorge und Marco geben, weil sie alle eine Chance auf den Weltmeistertitel haben», sagte er. «Aber wenn es zwischen zwei Lenovo-Teamkollegen um die Plätze 7 und 8 im Sprint Race geht, macht es wenig Sinn, weiter zu pushen. Das ist meine persönliche Meinung. Es ist keine Frage von Stallorder. Wenn ein Fahrer WM-Leader ist und der andere Fahrer des Teams keine Chance hat, noch irgendetwas auszurichten, weil er zweimal verletzt war, dann sollte der Hausverstand entscheiden, was zu tun ist…»
Ergebnis MotoGP-Rennen, Mandalika (15.10.):
1. Bagnaia, Ducati, 27 Rdn in 41:20,293 min
2. Viñales, Aprilia, + 0,306 sec
3. Quartararo, Yamaha, + 0,433
4. Di Giannantonio, Ducati, + 6,962
5. Bezzecchi, Ducati, + 11,111
6. Binder, KTM, + 11,228
7. Miller, KTM, + 12,474
8. Bastianini, Ducati, + 12,684
9. Rins, Honda, + 22,540
10. Aleix Espargaró, Aprilia, + 30,468
11. Nakagami, Honda, + 30,823
12. Oliveira, Aprilia, + 36,639
13. Raúl Fernández, Aprilia, + 42,864
14. Morbidelli, Yamaha, 4 Runden zurück
– Zarco, Ducati, 13 Runden zurück
– Martin, Ducati, 15 Runden zurück
– Mir, Honda, 16 Runden zurück
– Augusto Fernández, KTM, 16 Runden zurück
– Marc Márquez, Honda, 20 Runden zurück
– Marini, Ducati, 23 Runden zurück
– Pol Espargaró, KTM, 26 Runden zurück
Ergebnis MotoGP-Sprint, Mandalika (14.10.):
1. Martin, Ducati, 13 Rdn in 19:49,711 min
2. Marini, Ducati, + 1,131 sec
3. Bezzecchi, Ducati, + 2,081
4. Viñales, Aprilia, + 2,720
5. Quartararo, Yamaha, + 3,121
6. Di Giannantonio, Ducati, + 4,203
7. Bastianini, Ducati, + 4,981
8. Bagnaia, Ducati, + 5,465
9. Miller, KTM, + 7,852
10. Oliveira, Aprilia, + 8,942
11. Nakagami, Honda, + 12,034
12. Zarco, Ducati, + 14,015
13. Augusto Fernández, KTM, + 14,823
14. Raúl Fernández, Aprilia, + 15,699
15. Morbidelli, Yamaha, + 23,331
16. Mir, Honda, + 24,894
17. Pol Espargaró, KTM, + 27,169
18. Rins, Honda, + 28,980
19. Binder, KTM, + 43,090
– Aleix Espargaró, Aprilia, 6 Runden zurück
– Marc Márquez, Honda, erste Runde nicht beendet
WM-Stand nach 30 von 40 Rennen:
1. Bagnaia, 346 Punkte. 2. Martin 328. 3. Bezzecchi 283. 4. Binder 211. 5. Aleix Espargaró 177. 6. Viñales 165. 7. Zarco 162. 8. Marini 144. 9. Miller 135. 10. Quartararo 132. 11. Alex Márquez 108. 12. Morbidelli 79. 13. Oliveira 73. 14. Di Giannantonio 70. 15. Augusto Fernández 67. 16. Marc Márquez 64. 17. Rins 54. 18. Nakagami 50. 19. Raúl Fernández 39. 20. Bastianini 36. 21. Pedrosa 32. 22. Mir 20. 23. Pol Espargaró 12. 24. Savadori 9. 25. Folger 9. 26. Bradl 8. 27. Pirro 5. 28. Petrucci 5. 29. Crutchlow 3.
Konstrukteurs-WM:
1. Ducati, 527 Punkte (Weltmeister). 2. KTM 283. 3. Aprilia 266. 4. Yamaha 152. 6. Honda 149.
Team-WM:
1. Prima Pramac Racing, 490 Punkte. 2. Mooney VR46 Racing 427. 3. Ducati Lenovo Team 392. 4. Red Bull KTM Factory Racing 346. 5. Aprilia Racing 342. 6. Monster Energy Yamaha 211. 7. Gresini Racing 178. 8. CryptoDATA RNF 116. 9. LCR Honda 110. 10. GASGAS Factory Racing Tech3, 88. 10. Repsol Honda 84.