Formel 1: Nur 58 Tage für Roland Ratzenberger

Franco Morbidelli: Nicht länger der vergessene Mann

Von Adam Wheeler
Ducati-VR46-Pilot Franco Morbidelli erlebt nach einem schwarzen Jahr 2024 eine außergewöhnliche Saison. SPEEDWEEK.com Autor Adam Wheeler nahm das Phänomen «Moribido» genau unter die Lupe.

Als Franco Morbidelli zustimmte, sich dem Pramac-Team an der Seite von Jorge Martin und mit Ducati-Power für 2024 anzuschließen, fühlte es sich wie eine Gnadenfrist für den Italiener an, nachdem er mehr als zwei Jahre lang versucht hatte, die schwindende Wettbewerbsfähigkeit von Yamaha zu verbessern. Ein schwerer Sturz und eine nachhaltige Gehirnerschütterung während des Trainings in der Vorsaison waren ein schwerer Rückschlag. Ein Jahr später schien Morbidellis Unterschrift im Pertamina Enduro VR46 Team und auf der titelgebenden GP24 wie eine letzte Chance für den Moto2-Champion von 2017 und den ersten Fahrer aus Valentino Rossis VR46 Academy, der einen Weltmeistertitel holte.

Bis zu seinem vorzeitigen Sturz und Ausfall beim Grand Prix von Spanien am vergangenen Wochenende hatte Morbidelli die Chance ergriffen. Zwei Podiumsplätze in Argentinien und Katar bedeuteten, dass er mehr Trophäen in der Tasche hatte als jeder andere außerhalb des derzeit überlegenen Trios aus Alex Marquez, Marc Marquez und Pecco Bagnaia. Der dritte Platz in Argentinien war ein emotionaler Meilenstein, denn der 30-Jährige hatte seit drei Jahren nicht mehr auf dem Podium gestanden und musste sich an Jerez 2021 für den letzten Prosecco zurückerinnern.

«Ich erlebe die Wiedergeburt meiner MotoGP-Karriere», sagte er kürzlich in einem persönlichen Gespräch Das Gefühl der Erleichterung und das Gefühl der Ruhe rührt von den frischen Erinnerungen an die Turbulenzen her. Morbidellis bestes Jahr in der Serie war 2020, das sein drittes war und sein zweites mit einer Yamaha M1. Mit dem alten Petronas-Satellitenteam (jetzt Trackhouse) und einer zwei Jahre alten Maschine wurde er Vizemeister. Trotz eines gebrochenen Knies im Jahr 2021 (während Fabio Quartararo in der Lage war, das letzte Potenzial aus der japanischen Maschine und den Michelin-Reifen herauszuholen, bevor die Ducati-Dominanz wirklich einsetzte) wurde Morbidelli als Werksteamkollege des Franzosen verpflichtet, aber er geriet in eine Talsohle und schaffte nur acht Top-Ten-Ergebnisse in den Jahren 2022 und 2023.

«Das Werk und das Team waren großartig...aber die Ergebnisse kamen nicht», erinnert er sich. «Das Paket war kompliziert und ich hatte Mühe, mich daran zu gewöhnen. 2023 kämpfte ich weiter, aber ich erwartete ein anderes Niveau von mir. Es war eine sehr schwierige Zeit für mich.»

Die #21 wurde von einem Landsmann gerettet – dem charismatische Besitzer von Pramac. «Es hätte meiner Karriere schaden können, aber ich hatte diese großartige Chance von Paolo Campinoti. Es war die Möglichkeit für den Wiederaufstieg genau in dem Moment, als ich trainierte, um mich bestmöglich zu präsentieren, hatte ich diese große Verletzung am Kopf – und war wieder am Boden.»

Morbidellis Gehirnerschütterung nach einem Sturz in Portimao im Januar 2024 war ein Schlüsselmoment. Übrigens: Nach dem Crash wurde der Kontrahent von den Brüdern Marquez, die an diesem Tag ebenfalls auf der Strecke waren, an Ort und Stelle erstversorgt.

Franco Morbidelli: «Das Knie war eine mechanische Sache: Man muss daran arbeiten, aber man hat es irgendwie unter Kontrolle. Wenn es der Kopf ist, ist es etwas ganz anderes: Man bekommt Angst, große Angst. Zumindest ist das bei mir so gewesen. Ich konnte nicht mehr reden, mich nicht mehr an Dinge erinnern, nicht mehr klar denken und mich nicht mehr ausdrücken.»

«Zum Glück konnten wir mit all den Menschen, die mich zu Hause umgaben, diesen Alptraum auf die beste Weise bewältigen», fügt er hinzu. «Ich arbeitete Tag für Tag und merkte, dass es mir von Tag zu Tag besser ging, ich blieb positiv und schließlich war eineinhalb Monate nach dem Aufprall alles überstanden.»

Auch der jetzige Chef des Halb-Brasilianers erinnert sich: «Ich wusste, dass es eine schwierige Zeit war nach dem Sturz in Portimao», erinnert sich VR46-Teamchef Uccio Salucci, der Mann, der dafür verantwortlich war, dass Morbidelli zum ersten Mal in die VR46-Akademie einberufen wurde und dann für 2025 in der MotoGP unter Vertrag genommen wurde. Verdammt, das war ein richtig über Crash selbst nach zwei Monaten sah ich ihm in die Augen und dachte 'das ist nicht Morbidelli'. Er war nicht 100 Prozent. In diesem Moment dachte ich 'hmm, vielleicht ist es nicht einfach, weiterzumachen', aber ich dachte auch, dass er nicht aufhören wird.»

«Es ist ein großes Gefühl, ihn im Team zu haben und mit ihm wieder auf dem Podium zu stehen», fügt Salucci hinzu. Ich kenne ihn seit seinem zwölften oder dreizehnten Lebensjahr und wir hatten einen guten Draht zueinander, und als ich ihn zum ersten Mal auf dem Motorrad sah, dachte ich 'verdammt, er ist sehr gut'. Er machte keine Fehler und fuhr auf die richtige Art und Weise. Ich habe darauf gedrängt, ihn in die Moto2 zu holen und nach all den Ereignissen bin froh, dass ich ihn schließlich ins Team holen konnte.»

Morbidelli vertritt sein fünftes Team in der Königsklasse und 2025 ist seine achte MotoGP-Saison. Sein lakonischer, ausgeprägter, gefühlvoller und entspannter Charakter bedeutet, dass er einer der extremen Persönlichkeits-Kontraste der MotoGP ist: kompromisslos und unnachgiebig auf der Strecke und einfühlsam und sympathisch abseits der Strecke.

«Es gibt Franco Morbidelli als Fahrer und Franco Morbidelli als Persönlichkeit», grinst Salucci. «Der Fahrer ist sehr stark. Es ist nicht einfach, mit ihm zu arbeiten, auch für mich nicht! Denn er will alles zu 100 Prozent und hat seine eigenen Vorstellungen, und es ist nicht leicht, ihn manchmal umzustimmen. Die Person zu Hause ist ein fantastischer Typ. Man kann mit ihm über alles reden: Musik, Geschichte. Wenn man ihm eine Frage stellt, dann weiß er, was er antworten soll. Das ist bei vielen Fahrern nicht so! Ich mag beide Persönlichkeiten, aber Franco, der Fahrer, ist stark und aufregend, Franco, der Mensch, ist erstaunlich und ein Visionär.»

«Ich erinnere mich zum Beispiel daran, dass ich in Katar sagte: 'Frankie, du kannst im Qualifying nicht jede Runde pushen, sonst zerstörst du den Reifen...' und er antwortete: 'Aber Uccio, ich bin ein Träumer...'! Das ist Morbidelli!»

«Ich würde gerne glauben, dass ich diese Möglichkeiten in erster Linie wegen meiner Arbeit auf der Rennstrecke bekommen habe», sagt Morbidelli über seinen Werdegang. «Ich habe auf meiner Reise in der MotoGP und auch in der Moto2 immer tolle Leute getroffen. Ich liebe diesen Sport und auch die Leute, die verrückt genug sind, das ganze Jahr über um die Welt zu reisen und sich in diesem Fahrerlager den Arsch abarbeiten. Ich bin verliebt in die Persönlichkeiten, die zu dieser Welt gehören.»

Franco ist sich auch des kämpferischen Profils bewusst, das er in den letzten Jahren im Rennsport entwickelt hat. Der Streit mit Aleix Espargaro in Katar 2023, der dazu führte, dass der hitzköpfige Katalane den damaligen Yamaha-Piloten auf den Helm schlug, ist vielleicht das kontroverseste Beispiel. «Wenn es einen Ort gibt, an dem ich intensiv bin, dann ist es die Strecke und das Kopf-an-Kopf-Rennen», sagt er. »Der Zweikampf ist eine meiner Lieblingsbeschäftigungen, wenn ich Rennen fahre. Jeder nennt es heftig oder aggressiv... aber ich habe Spaß, das ist es, was ich tue.»

Morbidelli befindet sich im Nest von VR46 und ist Teil des Ducati-Sextetts 2025. Abgesehen von der Tatsache, dass er noch neu und frisch in seiner MotoGP-Crew ist, gibt es wenig Ausreden oder Gründe für ihn, nicht zu funktionieren. Im Jahr 2025 hat er reagiert, und abgesehen von dem Ausrutscher in Spanien liegt er immer noch auf Platz 4 in der Meisterschaft und hat noch drei Viertel der Saison vor sich.

Im Moment kombiniert Franco seine Zen-Eigenschaften mit seinem Durst nach Ergebnissen, und es funktioniert.

Franco Morbidelli mit wachen Augen: «Wir müssen uns all dessen bewusst sein, was wir durchgemacht haben und den Hindernissen, denen wir begegnet sind: Diese Hindernisse sind nützlich. Wir lernen aus dem, was ich in meiner MotoGP-Karriere erlebt habe, und das ist eine ganze Menge.»

Diesen Artikel teilen auf...

Mehr über...

Siehe auch

Helmut Marko: Strafe hat Verstappen den Sieg gekostet

Von Dr. Helmut Marko
​Red Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko spricht in seiner SPEEDWEEK.com-Kolumne über die Strafe von Max Verstappen im Saudi-Arabien-GP und über den spannenden WM-Kampf gegen McLaren.
» weiterlesen
 

TV-Programm

  • Do. 01.05., 20:55, Motorvision TV
    Top Speed Classic
  • Do. 01.05., 21:00, ZDFinfo
    Retro Battles - Die Trends der 90er: Kelly Family, Pokémon & Co.
  • Do. 01.05., 21:20, Motorvision TV
    Racing Files
  • Do. 01.05., 21:50, Motorvision TV
    Top Speed Classic
  • Do. 01.05., 22:00, Eurosport 2
    Motorsport: FIA-Langstrecken-WM
  • Do. 01.05., 22:40, Motorvision TV
    Pikes Peak International Hill Climb
  • Do. 01.05., 23:30, Motorvision TV
    Silverstone Festival
  • Do. 01.05., 23:45, Hamburg 1
    car port
  • Fr. 02.05., 00:15, Motorvision TV
    EMX Quad European Championship
  • Fr. 02.05., 01:40, Motorvision TV
    Nordschleife - Touristen in der "Grünen Hölle"
» zum TV-Programm
6.89 24030830 C0105212013 | 64