Rekordtempo ab Runde 1: Die oberste MotoGP-Priorität
Dani Pedrosa bewies mit seinem beeindruckenden vierten Platz in Misano beim Großen Preis von San Marino 2023, wie wichtig Teilzeit-Einsätze sind, und war mitverantwortlich für den KTM-Aufstieg vom Schlusslicht zum Sieger in nur fünf Saisons. Wildcards und Einsätze von Testfahrern wurden zum wichtigen Mittel der MotoGP-Hersteller.
Die Tätigkeit als Testfahrer ist für Rennfahrer zudem zu einem Weg und einer Möglichkeit geworden, dem Adrenalinrausch und dem öffentlichen Rampenlicht der MotoGP zu entfliehen und dennoch den Nervenkitzel von 350 km/h auf zwei Rädern zu erleben. Es ist ein Posten für Spezialisten, der ehemalige GP-Sieger wie Pedrosa, Stefan Bradl, Andrea Dovizioso, die Espargaró-Brüder, Cal Crutchlow und Augusto Fernández anzieht.
Beim Großen Preis von Spanien am vergangenen Wochenende gesellten sich Aleix Espargaró, Fernández und Lorenzo Savadori zum Feld, insgesamt waren es 23 Fahrer. Während Savadori (32 Jahre) und Fernández (27) 2025 als Ersatz an den Start gingen, war Jerez Espargarós (35) erster GP-Einsatz seit seinem letzten Rennen als Vollzeit-Profi in Barcelona im vergangenen November.
Neben der körperlichen und mentalen Belastung, einen 157 kg schweren MotoGP-Prototypen zu steuern, sprachen alle drei über die Notwendigkeit, die Grenzen zu überschreiten und bereits in den ersten Trainingsrunden am Freitag nahe am Rundenrekordtempo zu sein. Die MotoGP bietet am Freitag nur ein 45-minütiges freies Training, um das Set-Up zu optimieren und wettbewerbsfähig zu werden, bevor die Platzierung im Zeittraining am Nachmittag bereits für die Q1- und Q2-Session zählt.
«Ich habe vor der Wildcard die Action auf der Strecke vermisst», gab HRC-Pilot Espargaró zu, als aus einem ordentlichen elften Platz im ersten freien Training am Freitag nur Platz 21 im Zeittraining wurde. «Ich habe viele Monate lang keinen weichen Reifen mehr gefahren und alles riskiert, und ich war am Wochenende total konzentriert. Als HRC-Testfahrer muss man natürlich 100 Prozent geben…»
«Den Speed wiederzufinden», sagte Fernandez, sei der schwierigste Teil seiner Aufgabe als Ersatz für den verletzten Miguel Oliveira bei Pramac Yamaha gewesen. «Ich hätte nicht gedacht, dass ich so schnell an Speed verlieren würde, und Aleix sagte mir, sein Gefühl im ersten freien Training war ähnlich. Die Pace ist etwas ganz anderes.»
MotoGP-Fahrer gewöhnen sich normalerweise nach der obligatorischen zweimonatigen Winterpause beim traditionellen Saisontest in Malaysia wieder an das Tempo. Dieses Gefühl wird dann aber von März bis November alle zwei Wochen durch die Grands Prix gefördert.
«Um auf dem MotoGP-Bike schnell zu bleiben, muss man viele Rennen fahren», sagt Savadori. «Wenn man zwei oder drei Rennen pausiert, ist es nicht einfach, wieder in die Top-Form zu kommen. Ich bin dieses Jahr vier Rennen gefahren, teste aber gleichzeitig. Ich fahre also nicht für meine persönliche Leistung, sondern für Aprilia und um das Motorrad zu verbessern. Bei anderen Fahrern sieht das vielleicht anders aus.»
Fernández’ Teamkollege Jack Miller sprach von der 20–30 kg zusätzlichen aerodynamischen Belastung der Frontpartie des Motorrads beim Stoppen am Ende der 299 km/h schnellen Geraden in Jerez. Jerez selbst hat elf Bremspunkte, mit die Meisten im MotoGP-Kalender. Die Strecke zählt außerdem zu den zehn Strecken der Meisterschaft, wo die Bremsen am stärksten beansprucht werden.
«Rauszugehen und von der ersten Runde an den Rundenrekord zu brechen, ist etwas ganz Besonderes», fügt Fernández hinzu. «Wir wissen das, aber schon nach ein paar Monaten fehlt uns dieser letzte Speed. Ich habe die Gruppe eingeholt und kleine Verbesserungen erzielt. Die letzte Sekunde zu finden, ist so schwer. Ich habe mich verbessert und war nur 2-3 Zehntel langsamer als [Alex] Rins‘ Tempo und die nächste Yamaha. Das ist nicht das, was ich erreichen möchte, aber mit meinem Job dieses Jahr und den vielen Tests ist es schwierig, immer da zu sein.»
Ein zwei Millionen Euro teures MotoGP-Bike zu fahren, ist schon selten genug. Für Hersteller ohne die vollen Zugeständnisse (Concessions) stehen nur begrenzte Testmöglichkeiten zur Verfügung. Rennfahrer nutzen Motocross-Bikes, Superbikes, Flattrack-Motorräder, Minibikes auf Kartbahnen und private Streckensessions, um das Gefühl am Gas zu behalten. Aber die meisten sagen, dass es meilenweit vom «Hauptberuf» MotoGP-Rennfahrer entfernt ist. Selbst für diejenigen, die ständig MotoGP-Testrunden drehen, ist die Intensität eines Grand Prix etwas anderes. Aus diesem Grund tauchte Pedrosa seit seinem Rücktritt 2019 in den Jahren 2021, 2023 und 2024 wieder in der Startaufstellung auf.
Fernández, Espargaró und Savadori waren die letzten gewerteten Fahrer in Jerez und überquerten die Ziellinie auf den Plätzen 16, 17 und 18. Alle drei lagen außerhalb der Punkteränge, aber das war ohnehin nicht ihr Ziel. Der psychologische Druck, Ergebnisse zu erzielen, das Team zufriedenzustellen und mit der öffentlichen Aufmerksamkeit umzugehen, fällt Testfahrern und Wildcard-Fahrern im Vergleich zu ihren Vollzeitkollegen leichter. Fernandez genießt einen besonderen Status, da er für Yamaha testet und gleichzeitig um eine Rückkehr in die Startaufstellung für 2026 kämpft. Der zurückgetretene Espargaró hingegen erlebte in Jerez zum ersten Mal das Szenario der «MotoGP light».
«Man steht immer unter Druck, man ist angespannt, man will mehr, man muss Leistung bringen … aber das war das erste Mal in meiner Karriere, dass ich dieses Gefühl nicht hatte», sagte der Katalane, der 2023 zwei GPs und 2024 einen Sprint gewann. «Natürlich bin ich bis ans Limit gegangen, aber ich war glücklich in der Startaufstellung. Es ist ein Ort, den ich hasse, es ist der schlimmste Ort der Welt für mich. Aber heute war ich ziemlich entspannt und habe es genossen.»