Abgesang auf den alten Sachsenring vor 35 Jahren

Sachsenring 1990: Manfred Fischer auf seiner Honda VFR 750 R (RC30)
Am 8. Juli, wenige Tage vor dem nächsten großen PS-Spektakel vom 11. bis 13. Juli 2025 auf dem (neuen) Sachenring, war es auf den Tag genau 35 Jahre her, dass sich auf der alten 8,618 Kilometer langen Rennstrecke vor den Toren Hohenstein-Ernstthals letztmalig eine Zielflagge senkte.
Dieser 8. Juli 1990 war für Sachsenring-Fans zugleich in mehrfacher Hinsicht ein Trauertag. Das 52. Rennen auf dem Traditionskurs, auf dem von 1961 bis 1972 sogar Weltmeisterschaftsläufe ausgetragen wurden, sollte das letzte sein. Mit der Stadtdurchfahrt sowie vorbei an Bäumen, Strommasten und ähnlichem war der klassische Straßenkurs alter Prägung einfach nicht mehr zeitgemäß.
Viele schwere, zum Teil tödliche Unfälle ließen sich einfach nicht mehr vertreten. Das belegte auch die Abschiedsvorstellung mit drei Todesstürzen. Am Samstag verunglückte der Wuppertaler Edgar-Peter Leyer im kombinierten Rennen der DDR-125-ccm-Ausweisklasse und des BRD-OMK-Pokals so schwer, dass er am Dienstag nach dem Rennen im Krankenhaus seinen Verletzungen erlag.
Dem Coburger Rainer Tews wurde im Rennen der Klasse bis 500 ccm ein Unfall in der Stadt ohne jedweden Sturzraum genauso zum Verhängnis, wie im absolut letzten Rennen Bernhard Findeisen aus Schönebeck, der eigentlich seinen Helm unversehrt an den Nagel hängen wollte. Wagenrennen waren vom 6. bis 8. Juli 1990 ohnehin schon nicht mehr vorgesehen.
Das erste Rennen war am Samstag der 125-ccm-Klasse (Lizenz) vorbehalten, an dem zum ersten Mal seit 1972 auch Fahrer aus der Bundesrepublik Deutschland an den Start gehen durften. Dieses gewann Uwe Heider aus Freystadt in Bayern vor August Hobls Sohn Ralf und dem Chemnitzer Jürgen Hofmann. Mit weiteren Teilnehmern aus der Schweiz, aus Schweden, Dänemark, Belgien und Österreich war die Veranstaltung endlich wieder von einer großen Internationalität geprägt.
Nach dem bereits kurz beschriebenen ersten Rennen waren die 80er-Akteure an der Reihe. Hierbei verwies der Bernsdorfer Peter Junghans mit Reiner Scheidhauer einen weiteren Rennfahrersohn aus der damals noch alleinigen BRD. Dessen ebenfalls anwesender Vater Willi hatte dort 1956 und 1957 als Dritter bzw. Zweiter des 125er-Rennens auch schon auf dem Podest gestanden.
Nach dem 80-ccm-Ausweis und -OMK-Pokal-Rennen war die 250-ccm-Einzylinderklasse dran. Den Sieg trug der Tscheche Michal Puskar davon, doch mit Uwe Wächtler auf Rang 2 gab es auch hierbei aus lokalpatriotischer Sicht etwas zu feiern. Dritter wurde der Cubaner Edoardo Cenzano.
Im abschließenden Rennen des Samstags, dem der Klasse bis 250 ccm Ausweis, ging der Stern von Rigo Richter auf. Der damals erst 20-jährige Hohenstein-Ernstthaler zeigte eine beeindruckende Solofahrt und fuhr als Sieger 45 Sekunden vor dem Freiberger Lars Langer und Uwe Kreißig, ebenfalls aus Hohenstein-Ernstthal, ins Ziel. In der Folgezeit sollte Rigo Richter der erste wirklich erfolgreiche Ex-DDR-Fahrer in der ab 1991 wieder gesamt Deutschen Meisterschaft werden. Dies belegte er mit seinem Vizetitel 1995 bei den 250ern.
Den Rennsonntag eröffnete die Klasse bis 500 ccm, die bereits im Jahr zuvor wieder ins Programm genommen wurde. Die 1990er-Ausgabe entschied der Tscheche Pavel Dekanek für sich, gefolgt vom Österreicher Rudolf Zeller und dem Westdeutschen Helmut Schütz.
Nach der westdeutschen Einzylinderklasse bis 1.000 ccm Hubraum, der sogenannten «Sound of Singles», stand das vermeintliche Highlight des Wochenendes auf dem Programm – das Rennen der Klasse Superbike. Mit «Mr. Superbike» Peter Rubatto, dem aus der 500-ccm-Weltmeisterschaft kommenden und ein Jahr Grand-Prix-Pause einlegenden Michael Rudroff sowie dem Ex-500er-Europameister Manfred Fischer waren drei Top-Stars am Start, die das Rennen schließlich auch unter sich ausmachten.
Während der Bayer Michi Rudroff mit seiner leistungsmäßig etwas benachteiligten Bimota nur zu Beginn des Rennens das Tempo an der Spitze mitgehen konnte, balgten sich Peter Rubatto und Manfred Fischer bis zum Schluss um den Sieg. Nach zehn Rennrunden hatte der Hanauer Honda-RC-30-Pilot Manfred Fischer die Nase knapp vor Peter Rubatto auf einer Bimota-Yamaha in Hein-Gericke-Farben. Hein Gericke war auch einer der frisch gewonnenen Großsponsoren des 1990er-Sachsenring-Rennens, was in Sachen der absoluten Rekordrunde von 2:51,2 Minuten gleich 181,220 km/h von Peter Rubatto eine Rolle zum Positiven gespielt haben könnte.
Der alte vom Italiener Giacomo Agostini 1968 aufgestellte Rundenrekord von 2:55,4 gleich 176,798 km/h war offiziell ausgelöscht, wobei anzumerken ist, dass 1987 eine Schikane am Ende der Walddurchfahrt unterhalb des Heiteren Blick für die Motorräder und Automobile sowie eine zweite vor der Einfahrt in die Stadt nur für die Autos eingebaut wurden.
Das letzte Rennen des Tages und damit das letzte auf dem alten Sachsenring war der Top-Klasse des DDR- bzw. osteuropäischen Rennsports, der Klasse bis 250 ccm Zweizylinder, vorbehalten. Dabei sicherte sich der Ungar Istvan Lovasi einen ultimativen Eintrag in den Geschichtsbüchern des Sachsenringrennens. Hinter dem Niederländer Andre Stamsnijder und dem Tschechen Imrich Majoros wurde der Hohndorfer Johannes Kehrer Vierter, gefolgt vom Ost-Berliner Dirk Kaduk auf einer Honda in Farben der Zigarettenfirma HB.
Dem letzten Rennen auf dem Sachsenring wohnten, eine Woche nach der Währungsunion, übers Wochenende rund 60.000 Fans bei. Im Vorjahr waren es noch rund 200.000, doch im Wendejahr war vieles etwas anders.