Andrea Adamo: Von Sizilien bis ins Red Bull-KTM-Team

Von Nora Lantschner
Was im MXGP-Paddock bereits vor drei Monaten durchgesickert war, ist nun offiziell: Andrea Adamo wird 2023 für Red Bull KTM in der MX2-WM antreten. Der 18-Jährige im ausführlichen Gespräch mit SPEEDWEEK.com.

Geboren wurde Andrea Adamo am 22. August 2003 in Erice auf Sizilien. «Als ich etwas mehr als neun Jahre alt war, zogen wir als Familie nach Bologna – einerseits aus Arbeitsgründen und andrerseits machte es das auch für den Sport einfacher», blickte das aufstrebende Talent im Interview mit SPEEDWEEK.com zurück. «Von Sizilien aus ist es nicht so einfach, auch nur eine Italienmeisterschaft zu bestreiten. Denn die Rennen finden alle in der Lombardei, in der Emilia Romagna oder in den Marken statt.»

Zur sechsköpfigen Familie zählen neben Andrea und seinen Eltern Nino und Lina seine drei jüngeren Geschwister Manuela, Toni und Carol. War der Umzug auf das italienische Festland schwierig? «In dem Alter war es gar nicht so schwierig», erzählte Andrea. «Es war eine Veränderung fürs Leben, das schon. Als Kind passt man sich aber sehr schnell an. Jetzt dagegen wäre es schwierig, wieder nach Sizilien zurückzugehen. Ich will dem Süden überhaupt nichts absprechen – ganz im Gegenteil. Ich bin immer wieder sehr gerne dort. Meine Cousins, meine Onkel und Tanten und meine Großeltern leben noch dort. Es ist einfach eine etwas andere Realität und im Norden hat man mehr Möglichkeiten.»

Die Leidenschaft für das Motorradfahren ist auch beim künftigen Red Bull-KTM-Werksfahrer familiär bedingt. Allerdings hatte sein Vater nicht unbedingt viel mit dem Motocross-Sport am Hut. «Mein Papa fuhr Motorrad, aber nur auf der Straße. Als ich drei Jahr alt war, hat er mir dann auch ein kleines Straßen-Bike geschenkt. Mein Vater hatte eine kleine Werkstatt mit einem Angestellten, der Motocross fuhr. An den Wochenenden schauten wir ihm manchmal zu und da begann meine Leidenschaft. Mit dem Bike, das mir mein Vater geschenkt hatte, bin ich keine einzige Runde gefahren. Ich wollte ein Motocross-Bike, weil ich springen wollte», erinnerte sich Andrea mit einem Schmunzeln. «So fing es an. Als Achtjähriger fuhr ich ein paar Rennen in der regionalen Meisterschaft – und dann zogen wir schon nach Bologna. Meine eigentliche Laufbahn startete erst dort.»

Zu Minicross-Zeiten war Adamo auch schon in Husqvarna-Farben unterwegs, die Marke gehörte damals aber noch nicht zur Pierer Mobility AG. Danach durchlief er drei Jahre lang die Schule von Pardi Racing in Chieti (Abruzzen). «Ich fuhr zwei Jahre eine Viertakt-Honda 150 ccm. Als es dann an der Zeit war aufzusteigen, übersprang ich die 125er-Klasse und wechselte direkt auf eine 250er-Viertakt-Honda.»

In seine Honda-Zeit fällt nicht nur der Gewinn der inzwischen abgeschafften 150er-Europameisterschaft im Jahr 2017, sondern auch ein US-Abenteuer im Jahr 2018. «Im ersten 250er-Jahr fuhr ich nur die Italienmeisterschaft – und ich ging nach Amerika zu den Loretta Lynn’s. Das war sehr schön. In der Zeit unterstützte mich Martino Bianchi, er hatte bei Honda gearbeitet, dadurch hatte er ein paar Kontakte und schaffte es, diese Sache in Amerika auf die Beine zu stellen. Ich bekam Support von Factory Connection für die zwei Qualifying-Events und beim Finale stand ich unter dem Vorzelt von Amsoil, dem Amateur-Team der damaligen Geico-Truppe. Ich mache auch kein Geheimnis daraus, dass sie mir ein Angebot machten, um dort zu bleiben», verriet Adamo. «Das trauten wir uns aber nicht zu.»

«Ich war 14 Jahre alt, die ganze Familie hätte auswandern müssen… Von Sizilien nach Bologna ist eine Sache, von Bologna in die USA wäre eine andere Geschichte gewesen – obwohl meine Mama gebürtige Amerikanerin ist. Sie ist in New York geboren, ich habe viele Onkel und Tanten dort, von Texas über New York bis nach Kalifornien.» In Zukunft wäre ein Wechsel in die Vereinigten Staaten also eine Überlegung wert? «Absolut, ja, auch weil es Elena gefallen würde», grinste Andrea und verwies auf seine Freundin Elena, übrigens die Tochter von Corrado Maddii. Es macht also nicht nur aus sportlicher Sicht Sinn, dass Adamo seit diesem Winter unter Aufsicht von Corrado und Marco Maddii trainiert.

Zunächst blieb die Familie Adamo also in Italien, wo Andrea für die Saison 2019 zum SM Action Team stieß, damals noch mit Yamaha verbündet. «2019 war mein erstes EM-Jahr, 2020 das zweite. Im Vorjahr gab ich mein WM-Debüt, dieses Jahr bestreite ich mein zweites WM-Jahr. Das ist meine bisherige Karriere im Schnelldurchlauf», zählte der 18-Jährige auf.

Für 2021 erfolgte nicht nur der Aufstieg in die MX2-WM, sondern auch der Umstieg von Yamaha auf GASGAS. Nach einem zähen Beginn tankte Adamo am Ende der Saison, die er als WM-14. beendete, als Neunter beim Finale in Mantua Selbstvertrauen.

Der große Wurf gelang ihm dann zu Beginn dieser Saison wieder in Mantua: Vor heimischem Publikum schaffte Adamo als Zweiter beim Grand Prix der Lombardei am 6. März 2022 erstmals den Sprung auf das WM-Treppchen.

Andrea, was war der bisher wichtigste Moment deiner Laufbahn, der Wendepunkt?

Mit Sicherheit diese jüngste Zeit. Es ist aber nicht so, dass mein Leben ein anderes ist – ich bin immer noch ich. Ein kleiner Traum hat sich aber verwirklicht: Den Sprung in ein Werksteam zu schaffen. Dazu ist es nicht irgendein Werksteam, ich hatte genau dieses Factory Team im Kopf.

Klar, hätte es dieses Angebot von KTM nicht gegeben, sondern das Interesse eines anderen Werksteams, hätte ich auch das in Betracht gezogen. Der Traum war aber KTM. Es war wirklich absurd, ich glaube es immer noch nicht wirklich. Zu Beginn – bevor der Unterschrift – hatte ich ein bisschen Angst, dass es nur Gerede war. Es kam dann aber wirklich zum Abschluss. Es war wirklich unglaublich, auch weil auch andere Werksteams Interesse bekundet hatten.

War dein erster MX2-Podestplatz beim Heim-GP in Mantua der Auslöser, der die Türen geöffnet hat?

Ich hatte schon gehört, dass KTM ein Auge auf mich geworfen hatte – seit Matterley und sogar schon während den «Internazionali» in Italien. Es ist aber eine Sache, wenn sie dich im Auge haben. Einen Vertrag in der Hand zu haben, ist eine andere Sache. Das ist ein Unterschied wie Tag und Nacht.

Nach Mantua kam dann der Anruf, auch von anderen Werksteams. Sobald ich das Angebot von KTM bekommen hatte, wartete ich aber auf gar kein anderes mehr. Wie gesagt: Es war ein Traum.

Eine solche Gelegenheit muss man beim Schopf packen, auch wenn es mit einem weiteren Umzug nach Belgien verbunden ist. Das dürfte für dich aber kein Problem sein.

Nein, absolut nicht. Ich müsste lügen, würde ich sagen, dass ich nach Belgien ziehe, weil es mir dort so gut gefällt. Wenn ich es aber für meinen Job mache und für so ein Team, dann macht mir das überhaupt nichts aus. Ich mache es sofort.

Deine Eltern bleiben in Italien, dich begleitet deine Freundin Elena, richtig?

Ja, genau. Meine Geschwister gehen in Italien zur Schule, meine Schwester beginnt dort die Uni. Es ist richtig, dass sie ihre Basis haben und jetzt auch sie ihren Weg gehen. Bis jetzt ging es vor allem um mich – ich weiß das, auch wenn meine Eltern es nie gesagt haben. Alles drehte sich bis jetzt um mich.

Ich will jetzt unabhängig sein, meine Eltern sollen sich keine Gedanken mehr machen müssen und meine Geschwister sollen ohne Einschränkungen das machen können, was sie wollen. Ich bin meiner Familie sehr dankbar, es scheint sich jetzt alles bezahlt zu machen.

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