KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Heinz Kinigadner 60: Verdienste & Schicksalsschläge

Von Günther Wiesinger
Heinz Kinigadner

Heinz Kinigadner

Heinz «Kini» Kinigadner hat auch 20 Jahre nach seiner Karriere nichts von seiner Popularität eingebüsst. Er fädelte nach der KTM-Pleite den Einstieg von Stefan Pierer ein und erwarb sich unermessliche Verdienste um KTM.

Der zweifache 250-ccm-Motocross-Weltmeister Heinz Kinigadner aus Uderns im Zillertal feiert heute seinen 60. Geburtstag. Der Tiroler betrieb den Motocross-Sport in Österreich gemeinsam mit seinen Brüdern Hannes und Klaus, der Motorsport-begeisterte Vater Johann kümmerte sich um die Karrieren der vielversprechenden Söhne. Er gewann 1953 eine Silbermedaille bei der 1. Tiroler Alpenfahrt. Mutter Christl und die Oma managten den elterlichen Betrieb, die «Erste Zillertaler Elektro Bäckerei» (EZEB).

Die Liebe zum Motorsport wurde den drei Söhnen in die Wiege gelegt. Hans, der älteste der Brüder, machte bei Eisrennen im Seitenwagen seines Vaters mit der Rennatmoshpäre Bekanntschaft. Anfang der 1970er-Jahre starteten die Kinis beim Motocross durch. Hansi macht den Anfang mit einer KTM-Penton 125 ccm, Heinz und Klaus folgten nach.

Die ersten Erfolge ließen nicht lange auf sich warten: 1978 gewann Hans den Staatsmeistertitel auf einer Montesa 250 ccm. 1979 eroberte Heinz mit 19 Jahren die ersten beiden ÖM-Titel in den Klassen 125 und 250 ccm – mit einer Puch. Bruder Hansi räumte den 250-ccm-ÖM-Titel ab, Klaus als Jüngster der Kini-Dynastie triumphierte in der 80-ccm-Meisterschaft. Die ÖM wurde zu einer Zillertaler Familienangelegenheit.

Dass Heinz, der gelernte Bäcker und Konditor, als mittlerer der drei Brüder der talentierteste aus diesem draufgängerischern Trio war, zeichnete sich bald ab. Heinz fuhr 1981 mit 21 Jahren schon auf einer Werks-Puch in der 250er-WM vorne mit. Er bestritt dazu im selben Jahr mit Puch im österreichischen Trophy-Nationalteam das Internationale Six Days Enduro (ISDE) auf Elba, gewann die 250er-Klasse und belegte Rang 6 in der Gesamtwertung.

Im Winter darauf heiratete Heinz Kinigadner seine Waltraut, Tochter Isabelle war bereits unterwegs. Inzwischen ist der Tiroler zweifacher Großvater.

Für 1982 unterschrieb «Kini» für Yamaha – und gewann beim GP von Italien in Maggiora den ersten WM-Lauf, er beendete die Saison als WM-Elfter. Danach wechselte Kini für 1983 zu KTM – und gewann 1984 und 1985 als erster Österreicher die Motocross-WM (250 ccm).

Der extrem talentierte Tiroler galt nicht als besonders trainingsfleißig. Das rächte sich in der viel anspruchsvolleren 500-ccm-Klasse. Kinigadner kam gegen die Kraftpakate wie David Thorpe an die Erfolge der 250er-WM nicht ganz heran.

Die erfolgreiche Zeit wurde von unfassbaren familiären Tiefschlägen getrübt. 1982 verunglückten Mutter Christl und die Oma bei einem von «Daddy» Johann verursachten Autounfall bei der Fahrt zum deutschen Cross-WM-Lauf tödlich. Daraufhin machte die Familie schwere Zeiten durch, außerdem ging es mit dem Bäckereibetrieb bergab.

Im Oktober 1984 stürzte Hansi Kinigadner bei einem Motocross-Rennen in Höhnhart im Innviertel unglücklich, er erlitt eine schwere Rückenmarksverletzung und sitzt seither im Rollstuhl. Klaus zog sich bei einem Sturz eine schwere Augenverletzung zu und hat auf einem Auge nur noch eine Sehkraft von 3 Prozent.

KTM: Dank Kinigadner zur Dakar

1989 endete die Motocross-Ära der Kinis endgültig. Während Klaus trotz Sehbehinderung ab 1993 bei der aufstrebenden Supermoto-Serie mitmischte, widmete sich Heinz fortan dem Enduro- und in weiterer Folge intensiv dem Rallye-Sport. Nach zahlreichen Rallye-Erfolgen bildet die Rallye Dakar 2000 den letzten sportlichen Auftritt von Heinz Kinigadner. Er nahm sieben Mal teil, kam aber nie ins Ziel. Vom Speed her setzte Kini neue Maßstäbe, das Navigieren behagte ihm weniger. Was er jedoch bestreitet. «Ich habe beim Navigieren nie versagt», versichert er.

Nach seiner Motocross-Karriere erkrankte Heinz Kinigadner an Hodenkrebs, dank zwei Chemotherapien konnte er jedoch geheilt werden – und startete dann die Rallye-Laufbahn.

KTM-Firmenchef Pierer ist Kini ewig dankbar, denn von ihm wurde er im November 1993 überredet, ein Werksteam zur Rallye Dakar zu schicken. 1994 erfolgte das Debüt von KTM, 2001 der erste Gesamtsieg – 17 weitere in Serie folgten.

Als die elterliche Bäckerei zum Sanierungsfall wurde, ersuchte Heinz Kinigadner die Welser Rechtsanwälte Stossier und Chalupsky um Hilfe, um einen Konkurs abzuwenden. So kam Kini mit Stefan Pierer in Kontakt, den er nach dem KTM-Konkurs auf das Motorradwerk in Mattighofen aufmerksam machte. Pierer kaufte damals marode Firmen auf, zerstückelte sie und verkaufte die Anteile mit Gewinn weiter. Nach der Übernahme von KTM fand er Gefallen an dieser Aufgabe – und wurde Unternehmer.

Stefan Pierer ist froh, dass ihn vor 26 Jahren sein fachkundiger Zillertaler Berater Heinz Kinigadner zum werkseitigen Mitwirken bei der Dakar-Rallye überredete. «Heinz Kinigadner hat mich damals überzeugt, bei der Dakar ein KTM-Werksteam einzusetzen», schildert Stefan Pierer. «Heinz hat nach seinen zwei Titelgewinnen in der 250-ccm-Motocross-WM nach seinem Umstieg in den Rallye-Sport den Stil der Dakar verändert. Er war für den Speed verantwortlich! Die Navigation war allerdings nicht seine große Stärke... Das wissen wir alle. Aber Heinz ist der Vater der Dakar-Erfolge von KTM. Er hat uns angetrieben, in die Rallye-Szene einzusteigen. Im siebten Jahr haben wir 2001 erstmals die Dakar gewonnen. Inzwischen haben wir 17 weitere Male gesiegt. Das ist eine herausragende Leistung.»

Die Liebeserklärung von Pit Beirer

Heinz Kinigadner füllte in den ersten Jahren der Pierer-Ära bei KTM die Rolle eines Sportmanagers aus. Geld war keines vorhanden, also wurde Kini mit 1 Prozent an der neuen Firma beteiligt. (Diesen Anteil hat Heinz zu früh wieder zu Geld gemacht.)

Als Pierer nach der KTM-Pleite neu durchstartete, wurden mit 150 Mitarbeitern ca. 5000 Motorräder im Jahr erzeugt. Im Geschäftsjahr 2019 wurden 281.999 Motorräder verkauft; inzwischen sind im Konzern 5000 Mitarbeiter beschäftigt.

Es wurden die Marken Husqvarna (2013) und GasGas (2019, bisher zu 60 Prozent) gekauft sowie WP Suspension, wo 500 Mitarbeiter tätig sind.

307 WM-Titel hat KTM bisher gewonnen. Der ehemalige Nischenhersteller, spezialisiert auf Offroad, hat sich inzwischen auch in der Road-Racing-Szene einen Namen gemacht – und im GP-Sport 99 Siege errungen.

Kinigadner übt bei KTM heute eine Beraterrolle aus, immer wieder agiert er auch als «Talent Scout». Durch seinen direkten Draht zu Red-Bull-Chef Dietrich Mateschitz bildet er auch eine Schnittstelle zur Energy-Drink-Firma.

Pit Beirer, Motorsport-Direktor bei KTM, bildet mit Kinigadner ein harmonisches Duo. «Es gibt wenige Menschen gibt, die Freundschaften so intensiv und gut pflegen wie Heinz. Man spürt, dass ihm Freundschaften wichtig sind. Ich kann nur sagen, man kann sich keinen besseren Freund wünschen als den Heinz Kinigadner», betont Beirer. «Ihm ist eine Freundschaft echt das Wichtigste, was es gibt. Beim Heinz gibt es relativ wenig dazwischen – du bist entweder Freund oder Feind. Er kann auch ein unerbittlicher Gegner sein. Ich möchte mich an seinem 60. Geburtstag bei ihm für 20 Jahre sehr gute Freundschaft bedanken», sagte Pit Beirer heute sichtlich bewegt zu SPEEDWEEK.com. «Aus KTM-Sicht möchte ich behaupten: KTM wäre ohne Heinz heute nicht da, wo die Firma steht. Vor allem hat er den Motorsport im Haus geprägt. Dass wir auf eine so erfolgreiche und intakte Motorsportabteilung stolz sein dürfen, dafür hat mit Sicherheit Heinz Kinigadner den Grundstein gelegt. Deshalb bin ich beruflich und privat ganz eng mit ihm verbunden.»

Pit Beirer erlebte 2003 nach seinem schweren Motocross-Unfall in Bulgarien auch mit, wie gewissenhaft sich Heinz Kinigadner nach der Querschnittslähmung um die Betreuung des heutigen KTM-Rennchefs kümmerte. «Heinz ist echt ein guter Typ. Er hat mich schon als Fahrer unterstützt, dann durch meinen Unfall begleitet und meine ganze Karriere bei KTM unterstützt und beschützt. Heinz ist einer, bei dem das Wort noch etwas gilt», zeigt Beirer Respekt und Anerkennung für den langjährigen Freund.

50 Jahre Kinigadner im Motorsport

Als Heinz’ Sohn Hannes 2003 mit 20 Jahren bei einem Motocross-Charity-Rennen in Ohlsdorf bei Gmunden schwer verunglückt und ebenfalls eine Querschnittslähmung erleidet, beendete 2004 auch Klaus seine sportliche Karriere. Die Kinigadner´sche Motorsport-Ära dauerte bis zu diesem Zeitpunkt genau 50 Jahre!

Nach dem Unfall von Sohn Hannes gründete Kini mit seinem Freund Dietrich Mateschitz, dem Red Bull-Chef, die Stiftung «Wings For Life», die es sich zum Ziel gesetzt hat, Querschnittlähmung heilbar zu machen.

Es würde zu weit führen, alle Verdienste von Heinz Kinigadner aufzuführen. Dass er Matthias Walkner nach dessen MX3-WM-Titelgewinn gegen dessen heftigen Widerstand zum Rallye-Fahren überredete, zählt sicher zu seinen herausragendsten Leistungen.

Kini hat auch 20 Jahre nach dem Ende seiner aktiven Laufbahn nichts von seiner Popularität und Beliebtheit eingebüßt. Der 194-Zentimeter-Hüne gilt als verlässlich, auskunftsfreudig und sachkundig, er ist mit Sportlern aus aller Welt befreundet, genießt überall Respekt. Er kümmert sich vorbildlich um das Wohlergehen seiner Familie und ist immer an der Seite von Sohn Hannes. Kini grüpndet 2002 mit Sohn Hannes und Tochter Isabell die KINI Sportmanagement GmbH, erzeugt die KINI-Offroad-Bekleidungslinie, die online (kini.at) oder im Fachhandel wie zum Beispiel im kürzlich modernisierten «Kini KTM Motorrad Shop» in Wiesing in Tirol verkauft wird.

Ausschweifenden Feierlichkeiten geht Kini normal nicht weiträumig aus dem Weg. Aber für den 60er hat er sich mit seiner Familie nach Dubai zurückgezogen, quasi am Rückweg von der Dakar-Rallye.

Lieber Heinz, alles Gute.

Du hast in den ersten 60 Jahren mehr Schicksalsschläge hinnehmen müssen, als ein Normalsterblicher im Leben verkraften kann. Mögen die nächsten 60 Jahre etwas geruhsamer verlaufen!

Die Karriere von Heinz Kinigadner

Geboren am 28. Januar 1960
1974 - erstes Motocross-Rennen
1979 - österr. Staatsmeister 125 ccm und 250 ccm
1980 - österr. Staatsmeister 125 ccm und 500 ccm
1982 - erster WM-Laufsieg 250 ccm auf Yamaha, WM-Rang 9
1983 - WM Rang 11 (250 ccm) auf KTM
1984 - Weltmeister (250 ccm) auf KTM, 3 GP-Siege
1985 - Weltmeister (250 ccm) auf KTM, 3 GP-Siege
1986 - WM-Rang 13 (500 ccm) auf KTM)
1987 - WM-Rang 7 (500 ccm), 1 GP-Sieg (KTM)
1994 - Sieger der Pharaonen Rallye
1995 - Sieger der Rallye Paris-Moskau-Peking
1995 - Sieger der Dubai Rallye
1996 - Sieger der Atlas Rallye
1996 - Sieger der Dubai Rallye
1998 - Sieger der Dubai Rallye
2003 - Gründung der Stiftung «Wings For Life»

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