Im MotoGP-Sprint in Jerez krachte es ständig

Tim Gajser (HRC): Wie konnte ihm so etwas passieren?

Von Thoralf Abgarjan
Der Ausritt von Tim Gajser (Honda) in der ersten Runde des ersten Laufs erinnerte an die Situation von Alessandro Lupino (KTM) nach dem Start zum Motocross der Nationen auf derselben Strecke an gleicher Stelle.

«Ich bin sehr enttäuscht, wie der heutige Tag gelaufen ist», kommentierte Titelverteidiger Tim Gajser den Grand-Prix Of Lombardia, bei dem er wegen Abkürzens der Strecke eine Strafversetzung um 5 Plätze aufgebrummt bekam. «Nach dem Start zum ersten Lauf wurde ich von einem anderen Fahrer touchiert und kam von der Strecke ab. Der Weg, den ich zurück zur Strecke genommen habe, war die sicherste Möglichkeit», erklärte Gajser nach dem Rennen.

MXGP-TV-Kommentator Paul Malin rief während der Liveübertragung: «Gajser is doing a Lupino», so ähnlich, man könnte auch sagen identisch, war das Szenario, welches sich an der gleichen Stelle beim 3. Rennen des MXoN mit Alessandro Lupino zugetragen hatte. Gajser selbst war bei diesem Rennen nicht dabei. Aber sollte er das Drama um die Strafversetzung von Lupino um 10 Plätze beim MXoN tatsächlich nicht mitbekommen haben? Seinem Verhalten nach schien es so gewesen zu sein.

Nach den Ereignissen beim MXoN war es in diesem Moment sonnenklar, dass Gajser wegen dieses Manövers eine Strafe bekommen würde, ansonsten hätte sich die Jury komplett unglaubwürdig gemacht. Lupino ist damals um 10 Plätze strafversetzt worden, Gajser nur 5. Wie es zu der Entscheidung kam, ist eine andere Frage, aber die Referees haben immer auch Spielräume, die sie genutzt haben. Mit der heutigen Entscheidung hielten sie die Tür für Gajser im WM-Kampf noch einen Spalt weit offen.

Schade ist, dass das HRC-Team auf diese Situation offenbar nicht vorbereitet war. Hätte Gajser sich nach seinem Ausritt von der Strecke weiter hinten im Feld einsortiert, wäre der Vorwurf der «Vorteilsnahme durch Abkürzung» vom Tisch gewesen. Das tat er aber nicht. Er reihte sich klar weiter vorn im Feld ein.

Trotzdem wäre es falsch, Gajser jetzt zu stigmatisieren. In dieser Situation ist der Körper voller Adrenalin. Es geht in diesem Rennen um Alles oder Nichts. Dabei einen kühlen Kopf zu bewahren, ist eine Herkulesaufgabe. Gajser sollte auch zugute gehalten werden, dass er vor seinem Einbiegen zurück zur Strecke kurz gezögert hat. Seine Körpersprache sagte viel aus: «Bin ich hier richtig oder sollte ich besser noch warten und ein paar Leute vorbeilassen?» Das sag' mal einem Vollblutracer wie Gajser - ein paar Leute vorbeilassen...

Gajser schildert die Situation aus seiner Perspektive: «Ich dachte, dass ich knapp außerhalb der Top 5 war, als ich die Strecke verließ.» Zu dem Zeitpunkt seines Ausritts lag er im Mittelfeld, wo 10 bis 15 Fahrer nebeneinander fahren. Eine genaue Zuordnung der Positionen ist zu dem Zeitpunkt nicht möglich. «Ich versuchte, mich auf einer ähnlichen Position wieder einzuordnen, um keinen Vorteil zu erlangen.»

Schon während des Rennens flackerte über die Bildschirme an der Boxengasse die Information 'Pending Penalty', dass es eine Strafe für Gajser geben würde. «Nachdem ich das Rennen als Dritter beendet hatte, wurde ich informiert, dass ich um 5 Plätze zurückversetzt wurde. Das ist angesichts der Punktestände in der Meisterschaft ein herber Rückschlag. Ich konnte nur versuchen, mich davon nicht ablenken zu lassen und habe im zweiten Lauf mein Bestes gegeben.»

Mit Rang 3 im zweiten Lauf betrieb Gajser mehr als nur Schadensbegrenzung. Die Aktion nach dem Start zu Moto-1 kostete ihm 7 WM-Punkte und vielleicht die Weltmeisterschaft. Festzuhalten ist, dass Gajser auch ohne die Bestrafung von Tabellenrang 2 auf Platz 3 zurückgefallen wäre. Statt 15 Punkten Rückstand hätte er eine Differenz von 8 Punkten zu WM-Leader Febvre gehabt.

Somit ist es schade, dass Gajser wegen eines solchen Zwischenfalls weiter zurückgefallen ist, ein Zwischenfall, bei dem sich in wenigen Sekunden die gesamte WM entscheidet, die über viele Monate ging. Aber so ist das im Motorsport, das ist Teil des Geschäfts.

Gajser, der Vollblutracer, denkt trotz dieses Rückschlags und trotz seines Rückstandes von 15 Punkten noch lange nicht ans Aufgeben: «Es gibt noch ein Rennen und ich werde weiterhin alles geben. Es kann immer noch so viel passieren. Ich möchte mich bei dem ganzen Team und den Fans bedanken, die mich an diesem Wochenende so toll unterstützt haben.»

An der Spitze der WM bleibt es vor dem entscheidenden letzten Rennen am Mittwoch weiterhin eng. 3 Punkte trennen Febvre und Gajser vor dem ultimativen Showdown.

Ergebnis Grand-Prix Of Lombardia:

1. Jeffrey Herlings (NL), KTM, 2-1
2. Romain Febvre (F), Kawasaki, 1-2
3. Antonio Cairoli (I), KTM, 3-4
4. Tim Gajser (SLO), Honda, 8-3
5. Jeremy Seewer (CH), Yamaha, 5-5
6. Ruben Fernandez (E), Honda, 4-7

WM-Stand nach WM-Runde 17 von 18:

1. Romain Febvre (F), Kawasaki, 661
2. Jeffrey Herlings (NL), KTM, 658, (-3)
3. Tim Gajser (SLO), Honda, 646, (-15)
4. Antonio Cairoli (I), KTM, 534, (-127)
5. Jorge Prado (E), KTM, 532, (-129)
6. Jeremy Seewer (CH), Yamaha, 530, (-131)

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