Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Endloser Honda-Albtraum – und keine Erlösung in Sicht

Von Ivo Schützbach
Honda hat für die Superbike-WM 2024 eine neue Fireblade homologiert – und krebst weiterhin im Nirgendwo. Werksfahrer Xavi Vierge sprach mit SPEEDWEEK.com offen über die Probleme und das Potenzial des Motorrads.

Nach der grandiosen Saison 2002, als Colin Edwards in einem epischen Duell gegen Troy Bayliss und Ducati den fünften Superbike-WM-Titel für Honda eroberte, stieg der größte Motorradhersteller aus der seriennahen Meisterschaft werksseitig aus, weil es Meinungsverschiedenheiten mit Promoter Flammini gab.

Von 2004 bis Ende 2018 kümmerte sich das niederländische Ten-Kate-Team um Hondas Superbike-Auftritt und wurde 2007 mit James Toseland zum bis heute letzten Mal Champion. Bis zur Saison 2016 gewann Honda jedes Jahr Rennen und die Fahrer standen regelmäßig auf dem Podium.

2017 kam die damals neue CBR1000RR Fireblade SP2 und Honda Motor Europe brachte sich mehr ein. Es gab Schwierigkeiten mit der Cosworth-Elektronik und der Leistungsentfaltung des Motors. Statt Ten Kate bei der Entwicklung zu helfen, gab es viel Kompetenzgerangel mit Honda. Aus Japan kamen zwar viele warme Worte und Versprechungen, doch wegweisender technischer Input blieb aus.

Nicky Hayden verlor 2017 bei einem Unfall mit dem Rennrad in Italien sein Leben, Stefan Bradl flüchtete nach der enttäuschenden Saison und wurde MotoGP-Testfahrer für Honda.

2018 ging Honda mit Leon Camier und Jake Gagne komplett unter: Platz 4 von Camier beim zweiten Event in Buriram war das beste Saisonergebnis, es gelang wie schon im Jahr davor kein Podestplatz. In der WM-Gesamtwertung strandeten die beiden auf den Positionen 12 und 17.

«2017 war wegen verschiedener Dinge ein Desaster», erinnerte sich der damalige Teammanager Ronald ten Kate. «Während der Wintertests vor der Saison 2018 waren wir mit Leon Camier konstant in den Top-5. Bei den ersten beiden Events in Australien und Thailand waren wir nahe am Podium dran, dann mussten wir auf die Elektronik von Magneti Marelli umstellen, was ein Witz für sich ist. Jemand bei Honda war sich sehr sicher, dass Magneti Marelli für 2019 Elektronik-Alleinausrüster wird, deshalb mussten wir umsteigen

Der mit Magneti Marelli eingeschlagene Weg wurde von Honda auch fortgesetzt als längst klar war, dass die Cosworth-Elektronik inzwischen besser funktioniert als das neue System. Und, dass es für die Superbike-WM keine Einheitselektronik geben wird.

Nach der Saison 2018 war nicht nur Hauptsponsor Red Bull weg, Honda entzog auch Ten Kate das Vertrauen. Dabei war seit 2017 offensichtlich, dass Honda ohne das Engagement der Niederländer noch viel schlechter dagestanden wäre.

Honda hat mit der damaligen Fireblade einen falschen Weg eingeschlagen, trotz seither mehrerer neuer Modelle wurde der richtige nicht mehr gefunden.

In der Übergangssaison 2019 kümmerte sich aus der Not heraus das überforderte Team Moriwaki Althea um den Honda-Einsatz, seit 2020 gibt es wieder ein offizielles Team der Honda Racing Corporation, zuständig für alle Werksauftritte des japanischen Herstellers.

Das neue Motorrad, die erste Fireblade mit drei R, sollte die Wende bringen. Doch selbst der grandiose Alvaro Bautista, in der Saison 2019 auf der damals neuen Ducati Panigale V4R 16-facher Laufsieger, brachte es in seinen beiden Honda-Jahren 2020 und 2021 nur auf drei dritte Plätze. Iker Lecuona (Assen 2022) und Xavi Vierge (Mandalika 2023) fügten dieser mageren Statistik zwei weitere dritte Ränge hinzu.

Für den letzten Honda-Sieg sorgte Nicky Hayden im Regen von Sepang 2016, im Trockenen triumphierte zuletzt Jonathan Rea in Portimao 2014 – vor zehn Jahren!

Für 2024 gibt es eine neue Honda Triple-R, doch die Rundenzeiten während der Wintertests waren erschütternd. Auf Phillip Island am Dienstag das gleiche Bild: Während sich Lecuona nach einem Highsider in Kurve 11 an der linken Schulter verletzte und auf den Rest des Testtages verzichten musste, strandete Teamkollege Vierge mit fast 1,5 sec Rückstand auf die Bestzeit von Toprak Razgatlioglu (BMW) auf dem 16. Platz.

Honda-Fans weltweit fragen sich, weshalb die Probleme mit dem neuen Motorrad nicht behoben sind und sich ihnen immer noch ein blamables Bild präsentiert. Dabei hat Honda laut einem Insider «mindestens das drei- bis vierfache Budget» wie zu Ten-Kate-Zeiten.

«Das Motorrad ist neu, wir brauchen mehr Zeit, um es zu verstehen und vom Potenzial zu profitieren», erzählte Vierge SPEEDWEEK.com in Australien im Exklusiv-Interview. «Das Potenzial ist da, die Motorleistung ist erstaunlich. Aber wir straucheln mit der Umsetzung. Durch den neuen Asphalt in Phillip Island ist der Griplevel riesig, das hilft uns. Denn eine unserer Schwächen ist, dass wir den vorhandenen Grip nicht richtig nutzen können. Wir sind nicht dort, wo wir sein wollen, aber unsere Rennpace ist ganz gut. Wir sind besser, als es nach dem Test auf dem Papier ausschaut.»

Honda hat erkannt, dass es mehr Testeinsätze braucht, um den Anschluss an die Spitze zu schaffen. Weil die Testtage für die Stammfahrer pro Saison limitiert sind, ist ein Testteam wichtiger denn je. BMW hat das Thema mit den beiden ehemaligen MotoGP-Piloten Sylvain Guintoli und Bradley Smith sowie einer eigenständigen Struktur seit Sommer 2023 vorbildlich gelöst; Ducati, Yamaha und Kawasaki leisten sich seit Jahren Testfahrer.

Zum Wintertest in Jerez Ende Januar brachte Honda seinen Testfahrer Tetsuta Nagashima mit. «Nur so können wir besser werden», ist Vierge überzeugt. «Je mehr Informationen von verschiedenen Fahrern du hast, desto leichter tust du dir bei der Entwicklung. In Jerez haben wir versucht, das Maximum aus dem neuen Motorrad zu holen. Beim nächsten Test in Portimao versuchten wir eine neue Abstimmung, um die Vorteile des Bikes zu nutzen, und machten einen kleinen Schritt vorwärts. Hier in Australien machen wir gleich weiter und versuchen, das Bike an unseren Fahrstil anzupassen.»

«Alle bei Honda arbeiten extrem hart», betont der WM-Zehnte des Vorjahres. «Es gibt ein Testteam mit Tetsu und sie betreiben damit viel Aufwand. In der Vergangenheit testete er ausschließlich in Japan, jetzt kommt er öfter nach Europa. Das wird uns sicher helfen. Für mich ist wichtig, dass sie testen und entwickeln.»

Kombinierte Zeiten Superbike-WM-Test Phillip Island, 20. Februar
Pos Fahrer Motorrad Zeit Diff
1. Toprak Razgatlioglu (TR) BMW 1:28,511 min
2. Nicolo Bulega (I) Ducati 1:28,585 + 0,074 sec
3. Andrea Locatelli (I) Yamaha 1:28,835 + 0,324
4. Andrea Iannone (I) Ducati 1:29,001 + 0,490
5. Alex Lowes (GB) Kawasaki 1:29,211 + 0,700
6. Michael Rinaldi (I) Ducati 1:29,213 + 0,702
7. Alvaro Bautista (E) Ducati 1:29,278 + 0,767
8. Scott Redding (GB) BMW 1:29,370 + 0,859
9. Remy Gardner (AUS) Yamaha 1:29,399 + 0,888
10. Axel Bassani (I) Kawasaki 1:29,406 + 0,895
11. Sam Lowes (GB) Ducati 1:29,432 + 0,921
12. Danilo Petrucci (I) Ducati 1:29,468 + 0,957
13. Dominique Aegerter (CH) Yamaha 1:29,648 + 1,137
14. Michael vd Mark (NL) BMW 1:29,716 + 1,205
15. Jonathan Rea (GB) Yamaha 1:29,966 + 1,455
16. Xavi Vierge (E) Honda 1:29,977 + 1,466
17. Philipp Öttl (D) Yamaha 1:29,986 + 1,475
18. Garrett Gerloff (USA) BMW 1:30,381 + 1,870
19. Iker Lecuona (E) Honda 1:30,468 + 1,957
20. Bradley Ray (GB) Yamaha 1:30,559 + 2,048
21. Tito Rabat (E) Kawasaki 1:31,029 + 2,518
22. Tarran Mackenzie (GB) Honda 1:31,580 + 3,069
23. Adam Norrodin (MAL) Honda 1:32,088 + 3,577

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