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Norbert Haug: «Mein WM-Tipp ist Lewis Hamilton»

Von Gerhard Kuntschik
Der frühere Mercedes-Motorsportdirektor Norbert Haug spricht über die Silberpfeile, seinen Nachfolger Toto Wolff, einen potenziellen F1-Einstieg von Porsche sowie die WM-Kandidaten Lewis Hamilton und Sebastian Vettel.

Von 1990 bis 2012 war der gelernte Journalist und ehemalige Chefredakteur von Fachmagazinen Sportchef bei Mercedes-Benz. Der Schwarzwälder Norbert Haug (64) ist seither neben seiner Konsulenten-Tätigkeit für verschiedene Unternehmen auch DTM-Kommentator für die ARD und weiter leidenschaftlicher Beobachter des Motorsports mit speziellem Fokus auf die Formel 1.

Norbert Haug, wie siehst Du das Mercedes-AMG-Team vier Jahre nach Deinem Abgang?

Mit viel Freude. Unsere Idee, Ende 2009 das Team von Ross Brawn zu übernehmen, erwies sich als richtig. In der ersten Phase wurden entscheidende Weichen mit Brawn, dem kompetenten Technikerteam und unseren Fahrern Michael Schumacher und Nico Rosberg für eine erfolgreiche Zukunft gestellt. Seither haben Teamleitung, Teammitglieder und Fahrer alles perfekt umgesetzt und weiterentwickelt. Das Silberpfeil-Werksteam schaffte mittlerweile die beste Erfolgsbilanz in der F1-Geschichte – die Erfolge wurden von allen Mitarbeitern extrem hart erarbeitet.

Wie beurteilst Du Deinen Nachfolger Toto Wolff?

Er macht seinen Job prima. Besser geht es nicht. Toto ist purer Racer und liebt, was er tut – anders hält man das nicht aus, auch in grössten Erfolgszeiten nicht. Und Niki Laudas Input und Präsenz hilft und freut nicht nur österreichische Motorsport-Fans.

Wer wird Weltmeister?

Mein Tipp und Typ ist Lewis Hamilton. Er wird am Ende vielleicht nicht viel mehr Punkte haben als Sebastian Vettel, aber einer reicht. Lewis kennt das bestens: 2007 fehlte ihm bei unserem McLaren-Mercedes-Team ein Punkt zum WM-Titel, 2008 holte er den Titel dann mit einem Punkt Vorsprung vor Felipe Massa. Mercedes war im ersten Saisondrittel vielleicht noch nicht ganz auf dem Punkt, hat sich seither aber beeindruckend weiterentwickelt, was die Stärke dieses Teams ist. Und es werden bestimmt weitere Entwicklungsschritte folgen. Es gibt natürlich keine Garantien, aber mein Gefühl sagt mir, dass Hamilton und Mercedes in den restlichen Rennen insgesamt einen Tick besser sein werden. (Schmunzelt) Vielleicht auch, weil ich vorbelastet bin und er gefühlt in meinem Team fährt…

Was würdest Du als Manager Fernando Alonso raten?

Wir haben uns Ende 2007 bei McLaren-Mercedes bekanntlich schon einmal getrennt. Fernando Alonso ist ein grandioser Rennfahrer, aber er war wohl auch mehrfach zur falschen Zeit an der falschen Stelle oder hat andere Fehler gemacht. Er könnte andernfalls mittlerweile schon fünf oder sechs WM-Titel haben. Den von 2007 zum Beispiel, als er bei McLaren-Mercedes als Teamkollege von Lewis Hamilton fuhr. Ohne seine Blockade von Hamilton in der Boxengasse beim Qualifying des Ungarn-GP und die darauffolgende Rückversetzung in der Startaufstellung hätte er im Rennen zweifellos den einen Punkt mehr geholt, der ihm und seinem Team am Ende zum Titel fehlte.

War Valtteri Bottas als Rosberg-Ersatz die richtige Wahl?

Absolut. In einer Phase der Saison holte Bottas sogar mehr Punkte als jeder andere Fahrer.

Wird Porsche mit einem neuen Motor in die Formel 1 einsteigen?

Das kann ich mir sehr gut vorstellen und würde aus meiner Sicht bestens zum Anspruch von Porsche passen. Wenn man wie Porsche oder Audi jeweils angeblich 250 Millionen Euro für eine Langstreckensaison mit Prototypen ausgab, dann funktioniert – zumindest im Fall von Mercedes – die Formel 1 weitaus kostengünstiger und im Erfolgsfall mit ungleich grösserer internationalen Medien- und Publikumsresonanz. Porsche hat mit seinen LMP1-Prototypen einen Mega-Job gemacht, hatte ein hervorragendes Motor- und Fahrzeugkonzept und damit allemal auch die Kompetenz für ein Formel 1-Engagement gezeigt.

Wie beurteilst Du die Formel E und das massive Interesse der Autobauer daran?

Automobilhersteller wollen für good news sorgen und ihren Aufbruch in eine elektrifizierte Zukunft signalisieren, da passt die Formel E gut ins Konzept. Ob das der richtige Weg sein wird, muss sich noch zeigen. Für die Belebung der Serie ist das massige Herstellerengagement zunächst einmal prima. Die Formel E ist sehr wohl auch Motorsport, aber mit Betonung auf die Events. Die mitten in namhaften Städten stattfinden. Die Organisatoren setzten ein Signal, das viel Echo erfährt – sie haben bisher bemerkenswerte Arbeit geleistet.

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