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Ferrari SF90 von Sebastian Vettel: Nur Farbe ist matt

Von Mathias Brunner
​Der 2019er Formel-1-Renner von Ferrari ist gemäss Team- und Technikchef Mattia Binotto «eher Evolution als Revolution». Aber jedes Detail des Fahrzeugs von Vettel und Leclerc ist überarbeitet worden.

Was die Gäste bei der Präsentation des Modells SF90 zu sehen bekommen haben, was Ferrari an Bildern veröffentlicht, das ist höchstens ein Gerippe, eine Basis, auf welcher die Italiener schon ab 18. Februar bei den Wintertests in Spanien aufbauen werden. Da war bei Mercedes-Benz in Silverstone schon mehr Fleisch am Knochen. Bei den Dauer-Weltmeistern hatten wir den Eindruck: Die könnten schon morgen beim Grossen Preis von Australien an den Start gehen. Bei Ferrari haben wir das Gefühl: Die Italiener wollen sich nicht in die Karten schielen lassen.

Teamchef Mattia Binotto gibt sich bescheiden: «Das ist eher eine Evolution als eine Revolution.» Aber in Wahrheit ist nur der Farbton matt. Ferrari brennt auf den ersten WM-Titel seit Kimi Räikkönen 2007. Und im Laufe der kommenden Wochen werden wir am Rennwagen von Sebastian Vettel und Charles Leclerc jede Menge neuer Teile entdecken.

Ferrari darf selbstbewusst in die neue Saison gehen: Das 2018er Modell war Trendsetter, etwa bei der Form der Seitenkästen. Zahlreiche Rennställe sind dem Beispiel der hoch angesetzten Lufteinlässe gefolgt, die mit vorgelagerten Flügel-Elementen bestückt sind, um nur ein Beispiel zu nennen. Der SF90 kann seine Verwandtschaft mit dem SF71H nicht leugnen, nur ist alles noch extremer gestaltet. Die Seitenkästen sind noch kompakter, auch wenn wir jedes Jahr denken – noch enger geht nicht. Geht doch. Der Motoreinlass ist markant kleiner, um eine bessere Anströmung des Heckflügels zu erreichen.

Der vereinfachte Frontflügel weist ähnlich stark angewinkelte, obere Elemente auf wie der neue Wagen von Alfa Romeo-Sauber, obgleich Ferrari nicht ganz so radikal vorging wie die Schweizer. Dort enden die Zusatzelemente sogar weit vor der Endplatte. Es wird versucht, die Luft nachhaltig nach aussen um die Vorderräder zu drücken. Eine Aufgabe, welche zuvor von den kunstvoll geformten Endplatten und zahlreichen Zusatzflügelchen übernommen worden war. Aufgrund des vereinfachen Frontflügels ist das nicht mehr möglich, also suchen die Aerodynamiker nach neuen Ansatzpunkten.

Die Fahrzeugnase ist von der Seite gesehen mit zahlreichen Luftleitern ausgerüstet, die ein wenig wie Kiemen wirken; eine Lösung, die McLaren zuerst gezeigt hat. Sehr komplex auch die Luftleiter unter dem Chassis, in jenem Bereich, wo ungefähr die Füsse des Piloten liegen. Deutlich zu erkennen: der Ausgang des S-Schachts (wenn Luft unter der Fahrzeugnase abgezogen wird, die oben vor dem Fahrer wieder ins Freie austritt, ein Trick den übrigens der legendäre Colin Chapman 1979 am Lotus 80 einführte).

Der neue Ferrari weist an der Vorderachse eine Aufhängung nach Schubstrebenprinzip vor (push rod). Schub- oder Zugstreben übertragen die Radbewegungen auf die Feder-/Dämpfer-Einheiten, diese Bewegung der am Querlenker angebrachten Streben wird via Kipphebel übertragen. Die vom damaligen Brabham-Designer Gordon Murray Ende der 70er Jahre eingeführte Zugstreben-Lösung (englisch: pull rod) hatte vor allem einen Vorteil – weil die Strebe weiter unten angebracht ist und auch die Feder-/Dämpfer-Einheit näher am Boden eingebaut werden kann, sinkt der Schwerpunkt des Autos. Zur Saison 2016 hin hatte Ferrari das Aufhängungsprinzip geändert.

Als Ferrari beim Modell F2012 zur Zugstrebe zurückkehrte, nannte der frühere Ferrari-Technikchef Pat Fry auch Gewichtsersparnis als Vorteil. Dritter Vorteil, gewiss einträglicher als das Gewicht: Eine Zugstrebe lässt sich aerodynamisch günstiger platzieren. Das grösste Problem der Zugstrebe: eingeschränkte Möglichkeiten der Feinabstimmung und verringertes Fahrgefühl. Fernando Alonso konnte 2014 damit leben, Kimi Räikkönen nicht. Anders formuliert: Es ist mit einer Schubstrebenlösung einfacher, ein gutes Handling in langsamen und schnellen Kurven auszutüfteln als mit dem pull rod.

Die grösste Veränderung am Ferrari ist vor neugierigen Blicken geschützt: Es geht um die Luftführung im Inneren. Die Zusatzaggregate des 1,6-Liter-V6-Turbomotors sind so umgekrempelt, die kompakteren Kühler so klug gestellt worden, dass die Seitenkästen nochmals schlanker gestaltet werden konnten. Die Lufteinlässe orientieren sich am Beispiel des Vorjahres, ein Beispiel, das von vielen Teams übernommen worden ist. Ohne Zweifel machte Ferrari hier etwas sehr richtig. Eine schlanker verlaufende Motorverkleidung betont die Wirkungsweise des Unterbodens und führt zu einem sauberen Luftfluss zum Heckflügel hin. Gemäss aller Spitzenfahrzeuge ist die Cola-Flaschenform am Heck extrem.

Ferrari ist zum dreieckigen Lufteinlass der Airbox zurückgekehrt, wie wir ihn letztmals vor zwei Jahren am Wagen sehen konnten. Die schmalere Form erlaubt eine gute Anströmung des Heckflügels. Ferrari verwendet weiterhin eine verhältnismässig grosse Finne als Airbox-Kamm und zum Heck hin auch weiterhin Zusatzflügelchen, die Formel-1-Champion Damon Hill einmal sehr hübsch als Kleiderbügel bezeichnet hat.

Motorenchef Corrado Iotti und Projektleiter Guido di Paola sollen zu Stahlkolben zurückgegangen sein, um die Standfestigkeit zu verbessern. Das kostet zwar Gewicht, was durch verbesserten Verbrauch mittels optimierter Brennräume kompensiert wird. Pro Fahrer und Saison stehen nur drei Verbrennungsmotoren zur Verfügung, eine Rückversetzung wegen des Einbaus eines neuen Motors kann WM-entscheidend sein. Wie es sich angesichts des Haas-Hecks angekündigt hatte, liegen die beiden Wastegate-Röhrchen über den Auspuff-Endrohr. Sinn und Zweck: Verbesserte Luftströmung in Harmonie mit dem Heckflügel. Anders formuliert – die Gase sollen den Heckflügel in seiner Wirkung unterstützen. Die Wastegate-Rohre über dem Hauptrohr anzuordnen, bedeutet auch, das Heck noch schmaler bauen zu können, um den Luftwiderstand zu verringern. Möglich wurde dies mit dem Wechsel von Ferrari von einer Heckflügelstütze zu zwei Streben, die schwanenhalsförmig nach oben führen. Eine Lösung, die auch Weltmeister Mercedes kopiert hat.

Team- und Technikchef Mattia Binotto sagt über den neuen Wagen: «Wir hatten 2018 eine gute Basis, daher haben wir mit dem SF90 darauf aufgebaut. Wir wollten das Rad nicht neu erfinden, wir wollten einfach alles so extrem als möglich bauen.»

«Einige Änderungen ergeben sich fast von selber, wie etwa die Form des Frontflügels nach der Änderung des Aerodynamik-Reglements. Aber wer sich Details anguckt, der merkt, dass wir innovativ bleiben wollten, siehe ganz schmaler Lufteinlass der Airbox.»

«Auch die Heckverkleidung ist extrem schlank, dank sehr viel Arbeit bei der Art und Weise, wie der Motor ins Auto eingepasst ist und wie wir die Zusatzaggregate platziert haben. In diesem Wagen steckt sehr, sehr viel Arbeit, und wir sind mit dem Ergebnis zufrieden.»

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