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SARS-CoV-2 in Grossbritannien: Tickende Zeitbombe

Von Mathias Brunner
​Grossbritannien, Wiege der Formel 1. Aber auf der Insel wurde so träge auf Corona reagiert, dass GP-Orte eines Tages bereit sein könnten, wir aber dennoch keine Rennen haben. David Tremayne analysiert.

Wir brauchen kein Virologe zu sein, um in der Coronakrise festhalten zu müssen: Zahlreiche Politiker verschiedener Länder haben die Zeichen der Zeit viel zu spät erkannt. Auch die britische Regierung unter Boris Johnson muss sich vorwerfen lassen, zu träge auf die Bedrohung Corona reagiert zu haben.

Wenn wir uns Nachrichten aus der ganzen Welt mit dem einen dominierenden Thema anschauen, fällt auf: Geisterstädte in Italien und Spanien, menschenleere Strassen in Deutschland, Österreich und in der Schweiz. Und was sehen wir bei einem Bericht eines Reporters aus London? Die Menschen spazieren im Hintergrund herum, als gäbe es so etwas wie Corona nicht. Noch am vergangenen Wochenende lockte das schöne Wetter die Menschen zu Tausenden hinaus, «social distancing» scheinen Fremdwörter zu sein.

Der Gedanke ist nicht abwegig: Eines Tages könnten Grand-Prix-Schauplätze in gewissen Ländern bereit sein, um wieder Gäste begrüssen und Rennen austragen zu dürfen, aber auch dann müssen wir auf Formel 1 verzichten – weil sich die Lage in Grossbritannien viel später normalisiert hat und deshalb die englischen Teams nicht anreisen können.

David Tremayne ist ein journalistisches Urgestein der Formel 1, seit den 70er Jahren er als GP-Berichterstatter und Buchautor auf Achse, dazu gilt er als einer der weltweit führenden Experten für Geschwindigkeits-Weltrekorde und fährt so nebenbei selber Jet-Cars.

David hätte sich ein wenig mehr Tempo bei der Reaktion auf Corona gewünscht: «Bei uns waren viele Schritte eher als intelligente Ermunterung zu verstehen, nicht als Zwang. Dabei müsste das Augenmerk längst auf Selbstisolation liegen, um das nationale Gesundheitssystem nicht zu überfordern.»

«Der Virus hat sich bei uns so stark verbreitet, weil die Leute das mit der Isolation nicht verstanden haben. Vielen haben noch nicht begriffen, was es geschlagen hat. Ich muss gestehen, dass auch ich mir des Ernsts der Lage nicht vollständig im Klaren war, als ich ein Flugzeug Richtung Melbourne bestiegen habe. In Australien habe ich die Augen geöffnet.»

«Unsere Regierung ist zu langsam in die Hufe gekommen. Jetzt endlich kommen Massnahmen. Aber inzwischen ist das Gesundheitssystem extrem unter Druck. Die Coronakrise stellt frühere Entscheidungen in Frage. Wir haben sehr viel Geld etwa in neue Hochgeschwindigkeits-Züge investiert, um die Menschen zwei Minuten schneller von Birmingham nach London zu bringen. Ich meine, das ist dumm und nichtig angesichts der Tatsache, dass unser Gesundheitswesen gleichzeitig seit Jahren chronisch unterfinanziert ist.»

«Für mangelnde Investionen erhalten wir nun die Quittung. Wir haben zu wenig Material, um dieser Krankheit zu begegnen, beispielsweise viel zu wenige Beatmungsgeräte oder nicht genug Schutzkleidung für das Fachpersonal.»

Wieso haben viele Menschen Corona zu wenig ernst genommen? David glaubt: «Die Leute waren skeptisch. Ein Teil der Schuld geht wohl zu Lasten der nationalen Medien. Da wird aus einem kleinen Problem schnell mal ein grosses gemacht, also neigen die Menschen generell dazu, alles herunterzuspielen, was da berichtet wird. In Wahrheit hätte man bei Corona gar nicht genug betonen können, wie dramatisch die Lage ist. Wenn ich ansehe, wie flink und streng andere Länder reagiert haben, mit Ausgangssperren und weiteren Massnahmen, dann waren wir viel zu lasch.»

«Mir geht es derzeit so wie unzähligen Menschen auf der Welt: Ich sitze zu Hause. Ich kann nicht von Formel-1-Rennen berichten, also fällt dieser Verdienst weg. Immerhin kann ich an Buchprojekten arbeiten. Alles in allem und verglichen mit anderen Menschen bin ich gut dran.»

«Ich bin auch froh, dass aus meiner Familie und dem Freundeskreis alle gesund sind. Ich habe mich nach meiner Rückkehr aus Australien selber isoliert – meine Frau ist zu ihrer Mutter gefahren. Meine Söhne und Schwiegertöchter sowie die Enkel arbeiten entweder zuhause oder fahren nur spärlich zur Arbeit. Enge Freunde in British Columbia und in Montreal, in Madrid und in Los Angeles sind alle okay.»

«Am meisten zu schaffen macht mir nicht die Isolation, sondern die Sorge um meine Liebsten und meine Freunde. Corona ist eine tickende Zeitbombe. Wir müssen ihr so gut es geht ausweichen, bis sich die ganze Situation in drei Monaten oder so beruhigt.»

«Wenn ich mir die Krankheitsfälle hier ansehe, dann wird die Regierung nicht um weitere, drastische Schritte herumkommen. Angesichts dieser Idioten, die ich im Fernsehen erblicke, wie sie in den Londoner Parks abhängen, ist eine Ausgangsperre kaum vermeidbar. Einige Menschen raffen es einfach nicht, dass wir alle auf Distanz gehen sollten. Solche Ansammlungen von Personen sind für das Virus prima. Ich kann mir auch vorstellen, dass früher oder später das Militär eingreift.»

«Die ganze Wirtschaft leidet, und die Auswirkungen auf die Motorsport-Industrie werden gravierend sein. Wenn so viele Meisterschaften brachliegen, geht das nicht ohne schlimme Folgen für viele Firmen aus. Menschen werden ihre Jobs verlieren.»

Wann dürfen wir es wagen, an einen GP-Saisonbeginn zu denken? David Tremayne sagt: «Ein Rennen vor Juli ist reines Wunschdenken. Und selbst wenn wir mit Grands Prix beginnen, muss ich mich fragen – werden wir eine zweite Coronawelle erleben, wenn unser ganzer Tross nach Asien fliegt?»

Der gegenwärtige Formel-1-Kalender 2020

14. Juni: Montreal, Circuit Gilles Villeneuve/CDN
28. Juni: Le Castellet, Circuit Paul Ricard/F
05. Juli: Spielberg, Red Bull Ring/A
19. Juli: Silverstone, Silverstone Circuit/GB
02. August: Mogyoród bei Budapest, Hungaroring/H
30. August: Francorchamps, Circuit de Spa-Francorchamps/B
06. September: Monza, Autodromo Nazionale/I
20. September: Singapur, Marina Bay Street Circuit/SGP
27. September: Sotschi, Sochi Autodrom/RUS
11. Oktober: Suzuka, Suzuka Circuit/J
25. Oktober: Austin, Circuit of the Americas/USA
1. November: Mexico City, Autódromo Hermanos Rodríguez/MEX
15. November: São Paulo, Autódromo José Carlos Pace/BR
29. November: Abu Dhabi, Yas Marina Circuit/UAE

Ohne neuen Termin
Shanghai, Shanghai International Circuit/RCH
Melbourne, Albert Park Circuit/AUS
Bahrain, Bahrain International Circuit/BRN
Hanoi, Street Circuit Hanoi/VN
Zandvoort, Circuit Park Zandvoort/NL
Montmeló bei Barcelona, Circuit de Barcelona-Catalunya/E
Aserbaidschan, Baku City Circuit/AZ

Abgesagt
Monte Carlo, Circuit de Monaco/MC

Das ursprüngliche WM-Programm

15. März: Melbourne, Albert Park Circuit/AUS
22. März: Bahrain, Bahrain International Circuit/BRN
5. April: Hanoi, Street Circuit Hanoi/VN
19. April: Shanghai, Shanghai International Circuit/RCH
3. Mai: Zandvoort, Circuit Park Zandvoort/NL
10. Mai: Montmeló bei Barcelona, Circuit de Barcelona-Catalunya/E
24. Mai: Monte Carlo, Circuit de Monaco/MC
7. Juni Aserbaidschan, Baku City Circuit/AZ
14. Juni: Montreal, Circuit Gilles Villeneuve/CDN
28. Juni: Le Castellet, Circuit Paul Ricard/F
5. Juli: Spielberg, Red Bull Ring/A
19. Juli: Silverstone, Silverstone Circuit/GB
2. August: Mogyoród bei Budapest, Hungaroring/H
30. August: Francorchamps, Circuit de Spa-Francorchamps/B
6. September: Monza, Autodromo Nazionale/I
20. September: Singapur, Marina Bay Street Circuit/SGP
27. September: Sotschi, Sochi Autodrom/RUS
11. Oktober: Suzuka, Suzuka Circuit/J
25. Oktober: Austin, Circuit of the Americas/USA
1. November: Mexico City, Autódromo Hermanos Rodríguez/MEX
15. November: São Paulo, Autódromo José Carlos Pace/BR
29. November: Abu Dhabi, Yas Marina Circuit/UAE

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