Konzeptvorteil Red Bull Racing: Mercedes hat Probleme

Von Mathias Brunner
Max Verstappen vor Lewis Hamilton

Max Verstappen vor Lewis Hamilton

​Der Red Bull Racing RB16-Honda ist das schnellere Auto als der Mercedes W12. Bei Dauer-Weltmeister Mercedes-Benz macht sich die Furcht breit, ob ein konzeptioneller Rückstand überhaupt aufzuholen ist.

Die Geschichte der Formel-1-WM 2021 begann mit einer Warnung von Reifenhersteller Pirelli: Weil die modernen Rennwagen in den letzten Jahren immer schneller wurden, bat der Formel-1-Alleinausrüster den Autosport-Weltverband FIA, den Abtrieb der Fahrzeuge zu beschneiden. Die Mailänder Reifenspezialisten befürchteten, dass die Reifen der Belastung sonst nicht standhalten könnten. Die FIA setzte das mit neuen Vorschriften um, vorwiegend in den Bereichen Unterboden, Diffusor und Bremsbelüftungen. Ergebnis: ungefähr zehn Prozent Abtrieb weg.

Natürlich war klar, dass dies nicht so bleiben würde. Beim Bahrain-Test hat sich gemäss Pirelli-Rennchef Mario Isola gezeigt: «Unseren Berechnungen zufolge haben die Rennställe vom verlorenen Abtrieb fünf bis sechs Prozent bereits wieder wettgemacht.»

Ein Vergleich zwischen dem Abschlusstraining von Bahrain 2020 und jenem von Bahrain 2021 zeigt: Übers ganze Startfeld gesehen sind die Autos rund eineinhalb Sekunden langsamer geworden.

Grösster Gewinner: Ferrari. Der 2020er Wagen der Italiener war wenig konkurrenzfähig, der neue Renner ist solide, Zeitverlust daher nur 0,541 Sekunden.

Grösster Verlierer: Haas. Die US-Amerikaner haben den zweitschlechtesten Wagen der Saison 2020 kaum verbessert, Zeitverlust 2,338 Sekunden.

Aber wie sieht es aus zwischen den beiden Top-Teams Mercedes-Benz und Red Bull Racing? Mercedes hat gemessen an Bahrain 2020 2,121 sec verloren, Red Bull Racing hingegen nur 1,361 sec.

Viel zu reden gibt seit Beginn der Wintertests der Anstellwinkel (rake) der Autos. Diesen Anstellwinkel hatte Red Bull-Technikchef Adrian Newey in der Formel 1 vor Jahren salonfähig gemacht. Die Faustregel: Je näher der Frontflügel über dem Boden arbeitet, desto effizienter erzeugt er Abtrieb. Der Anstellwinkel hinten begünstigt einen Saugnapfeffekt, der Diffusor (das aufsteigende Ende des Bodens) erzeugt mehr Abtrieb. Es ist kein Wunder, dass viele Rennställe dem Beispiel von Red Bull Racing gefolgt sind. Aber nicht alle.

Mercedes hat das schwache Abschneiden beim Bahrain-Wintertest analysiert. Ergebnis: Eine Kombination aus mangelnder Anpassung an die jüngste Reifengeneration, dazu aber auch ein konzeptionelles Problem wegen der Regeländerungen. Teamchef Toto Wolff bestätigte am Bahrain-GP-Wochenende: «Die Analyse hat tatsächlich erwiesen, dass hoch angestellte Autos weniger Abtrieb verlieren. Und wir können jetzt nicht einfach unser Auto hinten höherstellen, und alles ist wieder gut. Wir können unsere Hinterradaufhängung nicht so einstellen wie das beispielsweise Red Bull Racing macht, weil unser Rennwagen einem anderen Konzept folgt. Es ist aber nicht nur das. So wie es aussieht, harmonieren bei uns die Reifen mit dem Chassis nicht so wie bei anderen Autos.»

Normalerweise würde Mercedes eine ohnehin intensive Entwicklung hochfahren. Aber die Rennställe können 2021 nicht unbegrenzte Mittel einsetzen. Denn im Reglement sind Stunden im Windkanal und bei der Flussdynamikberechnung gekürzt worden, wir arbeiten unter einem Budgetdeckel, zudem muss sich jedes Team darüber im Klaren werden, wie die Ressourcen verteilt werden sollen, um mit dem komplett neuen Rennwagen 2022 nicht ins Hintertreffen zu geraten. Ob sich vor diesem Hintergrund ein konzeptioneller Nachteil ausradieren lässt, ist fraglich.

Mercedes-Ingenieur Andrew Shovlin: «Normalerweise würden wir jetzt die Arbeit im Windkanal hochfahren, wir würden nach mehr Abtrieb suchen, die Kollegen der Motorenabteilung würden einige PS zusätzlich aus dem Motor kitzeln. Aber so geht das 2021 nicht. Unsere Zeit im Windkanal ist begrenzt. Auch die Arbeit auf den Motorprüfständen ist limitiert, und wir haben nur noch einen Evo-Schritt zur Verfügung, zuvor waren es drei.»

«Wir werden uns also verlagern müssen auf weniger markante Verbesserungen, auf Feinheiten wie die Fahrbarkeit, auf eine noch bessere Vorbereitung vor dem GP-Wochenende, um schon von der ersten Runde an eine möglichst gute Abstimmung zu haben. Das Verständnis der Reifen wird eine grosse Rolle spielen.»

Fazit von Shovlin: «Es wird zwischen Red Bull Racing und uns um Nuancen gehen. Aber es steht fest: Mit dem neuen Reglement werden wir alleine durch Entwicklung unsere Gegner nicht abhängen können.»

Bahrain-GP in Sakhir

01. Lewis Hamilton (GB), Mercedes W12, 1:32:03,897 h
02. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing RB16B-Honda, +0,745 sec
03. Valtteri Bottas (FIN), Mercedes W12, +37,383
04. Lando Norris (GB), McLaren MCL35M-Mercedes, +46,466
05. Sergio Pérez (MEX), Red Bull Racing RB16B-Honda, +52,047
06. Charles Leclerc (MC), Ferrari SF21, +59,090
07. Daniel Ricciardo (AUS), McLaren MCL35M-Mercedes, +1:06,004 min
08. Carlos Sainz (E), Ferrari SF21, +1:07,100
09. Yuki Tsunoda (J), AlphaTauri AT02-Honda, +1:25,692
10. Lance Stroll (CDN), Aston Martin AMR21-Mercedes, +1:26,713
11. Kimi Räikkönen (FIN), Alfa Romeo C41-Ferrari, +1:28,864
12. Antonio Giovinazzi (I), Alfa Romeo C41-Ferrari, +1 Runde
13. Esteban Ocon (F), Alpine A521-Renault, +1 Runde
14. George Russell (GB), Williams FW43B-Mercedes, +1 Runde
15. Sebastian Vettel (D), Aston Martin AMR21-Mercedes, +1 Runde
16. Mick Schumacher (D), Haas VF-21-Ferrari, +1 Runde
Out
Pierre Gasly (F), AlphaTauri AT02-Honda (Fahrzeug nach Kollision beschädigt)
Nicholas Latifi (CDN), Williams FW43B-Mercedes (Turbolader)
Fernando Alonso (E), Alpine A521-Renault (Bremsen)
Nikita Mazepin (RUS), Haas VF-21-Ferrari (Unfall)



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