Training Spanien: Norris 1., vor Verstappen/Hamilton

Lando Norris gibt in Spanien den Ton an
Der langjährige Deutsche Rennfahrer und GP-Experte Christian Danner hat mir einmal einen Satz gesagt, der auch heute noch zutrifft: «Die Analyse einer Rangliste im ersten freien Formel-1-Training ist zu einem erheblichen Teil Kaffeesatz-Leserei.»
Tatsächlich ist die vermeintliche Hackordnung nach den ersten 60 Trainingsminuten auf dem Circuit de Barcelona-Catalunya mit grosser Vorsicht zu geniessen: zu unterschiedlich die Programme der Teams, keine identische Spritlast, die Fahrer nicht zur gleichen Zeit mit identischen Mischungen an der Arbeit, Freitag-Rookies auf der Bahn, also einige Stammfahrer gar nicht im Einsatz, die Motoren noch längst nicht auf volle Leistung hochgedreht.
Verblüffend: Trotz verschärfter Belastungstests der FIA sind McLaren und Mercedes mit bislang genutzten Frontflügeln nach Spanien gekommen, aus der FIA-Liste der Verbesserungen wird aber ersichtlich – Red Bull Racing, Ferrari, Aston Martin, Sauber, Haas, die Racing Bulls und Williams haben alle nachgebessert.
Umkehrschluss: Was immer McLaren und Mercedes in Sachen Flexibilität verändert haben, das ist schon vor dem Spanien-Wochenende passiert.
Formel-1-Champion Nico Rosberg weiss: «Veränderungen am Frontflügel bedeutet, die Balance zwischen Vorder- und Hinterachse muss neu gefunden werden. Natürlich kann das zu Verschiebungen im Feld führen.»
Und das haben wir erlebt: Bei 30 Grad Lufttemperatur, der Asphalt 48 Grad warm, und Postkartenwetter rückte Williams-F1-Neuling Victor Martins (für Alex Albon) gleich mal mit enormen Messrechen aus, das Gleiche war am Racing Bulls-Renner von Liam Lawson zu sehen (das Auto mit neu geformter Fahrzeugnase). Die Techniker lieben die Barcelona-Strecke, weil sie mit ihren verschiedenen Kurventypen eine fast ideale Testbahn ist.
Hätten Sie’s gewusst? Martins ist der erste Franzose in einem Williams-Rennwagen seit Alain Prost 1993!
Bei Haas übrigens der Japaner Ryo Hirakawa im Einsatz für Esteban Ocon, nach sieben Minuten rodelte der Le Mans-Sieger durch den Kies.
Apropos Test: Die Autos in diesem Training mit Schleifblöcken am Unterboden aus Stahl, nicht aus Titan. Hintergrund: Wir haben es nun mehrfach erlebt, dass Titanfunken Gras entlang der Strecke in Brand gesetzt haben (zuletzt in Japan), die FIA will herausfinden, ob Stahl da nicht der bessere Ansatz ist.
Stand nach 15 Minuten: Norris, Alonso, Verstappen, Piastri, Stroll, Leclerc, Hamilton und Russell. Hamilton zwischendurch übel eingebremst von Isack Hadjar (Racing Bulls), der junge Pariser hatte den Superstar offenbar nicht gesehen.
Viel Arbeit am Ferrari von Lewis Hamilton: offenbar ein Problem mit der Kühlung, die Verkleidung des rechten Seitenkastens abgenommen, Mechaniker beleuchteten mit Taschenlampen die Innereien der roten Göttin.
Die meisten Fahrer unterwegs mit harten Reifen, nur wenige mit mittelharten, niemand mit weichen.
Mit diesen mittelharten Pirelli (gelb markiert) übernahm Mercedes-Fahrer George Russell nach 30 Minuten die Spitze, eine halbe Sekunde vor Norris, die Fahrer noch sehr weit davon entfernt, was auf dieser Strecke möglich ist, der Brite auf mittelharten Walzen.
Nico Hülkenberg liess sich auf P2 blicken, sein Sauber mit modifiziertem Unterboden, anderem Frontflügel, aerodynamisch günstiger geformten Seitenkästen. Nico auf weichen Reifen.
Mit den rot markierten, weichen Reifen liessen sich nun auch mehr Piloten sehen, und die Zeitenliste wurde durcheinander gewirbelt.
Neue Bestzeit von Leclerc, dann von Verstappen, doch McLaren hatte die passende Antwort: Norris 367 Tausendstel vor Max, Hamilton inzwischen auf P3 vor Leclerc, Piastri nur auf Rang 5.
Nach einem ersten Ausloten der weichen Reifen stellten die meisten Top-Fahrer wieder um auf Dauerläufe mit den drei Mischungen.
Max Verstappen fehlte eine ganze Weile lang auf der Bahn – Abstimmungsänderung an der Hinterachse.
George Russell beklagte sich über stark abbauende Reifen. Der Engländer hatte schon vor dem Wochenende gewarnt: «Das ist nicht unser Wetter. Der Wagen mag es eher, wenn es kühl ist, da sind wir mit einer flotten Aufwärmphase gut bei der Musik. Aber wenn es warm ist, dann fällt uns das auf den Kopf, in der Quali nicht so, aber dann im Dauerlauf, denn die Reifen überhitzen.»
Erster Eindruck aus Katalonien: Wir haben Temperaturen wie in Miami. Und da war McLaren verflixt stark. Vor allem ein Dauerlauf von Norris auf weichen Reifen macht den Gegnern Magenschmerzen.
Und wie ist das alles jetzt einzuordnen? Der Münchner Danner würde auf das zweite Training verweisen und sagen: «Schau ma moi, dann seng ma’s scho.»
1. Training, Spanien
01. Lando Norris (GB), McLaren, 1:13,718 min
02. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing, 1:14,085
03. Lewis Hamilton (GB), Ferrari, 1:14,096
04. Charles Leclerc (MC), Ferrari, 1:14,238
05. Oscar Piastri (AUS), McLaren, 1:14,294
06. Liam Lawson (NZ), Racing Bulls, 1:14,339
07. Oliver Bearman (GB), Haas, 1:14,597
08. Isack Hadjar (F), Racing Bulls, 1:14,605
09. Yuki Tsunoda (J), Red Bull Racing, 1:14,643
10. Pierre Gasly (F), Alpine, 1:14,746
11. George Russell (GB), Mercedes, 1:14,751
12. Lance Stroll (CDN), Aston Martin, 1:14,786
13. Fernando Alonso (E), Aston Martin, 1:14,798
14. Nico Hülkenberg (D), Sauber, 1:14,865
15. Carlos Sainz (E), Williams, 1:14,935
16. Gabriel Bortoleto (BR), Sauber, 1:15,155
17. Ryo Hirakawa (J), Haas, 1:15,298
18. Kimi Antonelli (I), Mercedes, 1:15,369
19. Victor Martins (F), Williams, 1:15,522
20. Franco Colapinto (RA), Alpine, 1:15,530