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Jürgen Lingg (Intact): Sorgen um deutschen Nachwuchs

Von Günther Wiesinger
Das deutsche Intact-Team beteiligt sich 2021 an vier Rennserien (Moto2, MotoE, CEV und ETC). Teamchef Jürgen Lingg macht sich jedoch Sorgen um den Nachschub von deutschen Talenten.

Das Liqui Moly Intact GP-Team aus Memmingen beteiligt sich seit 2013 an der Moto2-WM und hat bisher mit Jonas Folger (Brünn 2016) und Tom Lüthi (Texas 2019) zwei GP-Siege errungen. Dazu kommt der dritte Platz von Lüthi in der Moto2-WM 2019 (hinter Alex Márquez und Brad Binder) als bestes Gesamtergebnis in der Mittelgewichtsklasse.

2021 halten Marcel Schrötter und der italienische Neuzugang Tony Arbolino die Fahnen des Rennstalls aus Memmingen hoch. Dazu kämpft Lukas Tulovic im Junior-Team in der Moto2-EM und Domi Aegerter soll nach Platz 3 im Vorjahr in der kommenden Saison für das Dynavolt Intact-Team den MotoE-Weltcup gewinnen.

Die Intact-Mannschaft hat also mit Schrötter und Tulovic zwei der stärksten deutschen Rennfahrer der Gegenwart unter Vertrag. Aber der Aufbau eigener Talente ist bisher trotz aufwändiger Anstrengungen nicht gelungen.

Bei Intact wurde von Teamteilhaber Jürgen Lingg vor einem Jahr Ex-Rennfahrer Dirk Reißmann aus Sachsen als Betreuer für das Nachwuchsteam verpflichtet.

Aber der Aufwand für 2021 wurde verringert. «Letztes Jahr haben wir sechs Junioren unterstützt, in der kommenden Saison sind es noch vier», erklärte Liqui-Moly-Intact-Moto2-Teammanager Jürgen Lingg im Gespräch mit SPEEDWEEK.com.

In der CEV-Repsol-Moto2-Europameisterschaft betreibt Intact das Junior-Team in Zusammenarbeit mit dem malaysischen Sepang-Circuit-Team. Ein Fahrer wird wieder der Malaysier Adam Norrodin sein, den zweiten Platz hat Lukas Tulovic übernommen.

Im European Talent Cup (er wird mit Honda NSR 250 gefahren) macht das Dynavolt Intact-SIC-Junior-Team mit Philipp Tonn weiter, der auch im Red Bull Rookies-Cup aktiv ist. Der zweite Fahrer im ETC wird dort der Malaysier Sharil Sharul Ezwan sein, den alle nur ‚Juan‘ nennen.

Nach acht Jahren will Intact endlich einen neuen deutschen Spitzenfahrer für die WM aufbauen, dazu soll die Lücke zu den Top-Teams wie Marc VDS (drei Moto2-.WM-Titel, 36 GP-Siege, Pons HP 40 Racing, Sky VR46 Italtrans und Gresini Racing geschlossen werden.

Ein Fortschritt gelang 2019, als die Team-WM nur um zwei Punkte verspielt wurde. 2020 schaute nur Rang 5 in der Team-WM heraus, mit 227 Punkten Rückstand auf Sky VR46.

Jürgen Lingg ist zwar Teamteilhaber, Talent Scout, Technical Director und Teamprinzipal in Personalunion und für insgesamt vier Rennserien zuständig.

Er ist aber überzeugt, dass bei Intact genügend Personal für seine Entlastung vorhanden ist. «Wir sind gut strukturiert, und ich empfinde es nicht so, dass mich die Arbeit überlastet», sagt der Allgäuer. «2020 haben wir mit dem Nachwuchs ein bisschen zu viel gemacht, deshalb haben wir das Junior-Team für 2021 etwas reduziert. Denn die Junioren haben uns viel Arbeit gemacht. Ich habe von allen Seiten Unterstützung, egal ob es von den Teamteilhabern ist oder von Karina Homilius. Außerdem nimmt mir Tony Arbolinos Crew-Chief Patrick Mellauner mittlerweile viel ab. Auch unser Lkw-Fahrer Alexander Gaschler hat zusätzliche Aufgaben in der Logistik übernommen. Wir haben uns personell deutlich verstärkt. Da muss ich auch Dirk Reißmann erwähnen, der die Junioren in der CEV betreut und Maurizio Bäumle, den ehemaligen Suter-Geschäftsführer, der sich um die Sponsoren kümmert, aber uns auch bei Verträgen, Analysen und so weiter unterstützt. Außerdem ist uns seine Ansicht von gewissen Dingen hilfreich, wenn es gewichtige Entscheidungen zu treffen gibt.»

Insgesamt ist die Intact-Truppe inzwischen auf 26 Mitarbeiter plus sieben Rennfahrer angewachsen. Es werden natürlich auch Synergien genutzt: So betreuen Geero Beetz und Joan Andreu neben der CEV mit Tulovic und Tonn auch die Energica Ego Corsa von Domi Aegerter im MotoE-Weltcup. Die drei MotoE-Testtage in Jerez gehen heute zu Ende.

Lingg macht sich Gedanken über den spärlichen deutschen Nachwuchs. «Man kann nicht mehr machen, als den Talenten eine Plattform zu geben, die von der Technik und Organisation her funktioniert», sagt er. «Dann müssen sich die jungen Fahrer einfach durchboxen. Aber es lässt sich nicht bestreiten, dass da die Italiener und Spanier viel besser aufgestellt sind als wir. das muss man ganz klar sagen.»

In Deutschland sind in den letzten Jahren viele GP-Talente von Florian Alt über Tim Georgi bis zu Dirk Geiger durch den Rost gefallen, dazu etliche Teilnehmer aus dem Red Bull Rookies-Cup. Viele Talente sind in der IDM gestrandet.

«Die Nachwuchsförderung für die Deutschen ist schwierig. Das beginnt bei den Trainingsmöglichkeiten und geht bis zur Finanzierung», lautet die Bilanz von Jürgen Lingg. «In all diesen Bereichen sind die Südländer viel besser organisiert.»

Anderseits existieren noch nie so viele Teams wie Kiefer, PrüstelGP, Intact und Freudenberg, die sich gezielt um den deutschen Nachwuchs kümmern.

Aber offenbar lässt die Durchsetzungskraft mancher Talente auf internationaler Ebene zu wünschen übrig. Das gelang der Generation mit Bradl, Folger und Cortese deutlich besser, obwohl auch damals die Spanier und Italiener bessere Trainingsmöglichkeiten vorfanden.

Heute geben sich die deutschen Talente schon mit zwei Punkten in der Junioren-WM zufrieden, während die Italiener und Spanier im gleichen Alter bereits in der Moto3-WM um Podestplätze und Siege fighten.

«Wahrscheinlich müssten wir bei der Nachwuchsförderung schon viel weiter unten anfangen», grübelt Jürgen Lingg. «Das hat Sandro schon vor fünf Jahren gesagt.»

SPEEDWEEK.com kritisiert seit Jahren, dass DMSB und ADAC den deutschen Nachwuchs grob vernachlässig, dass in der IDM seit bald zehn Jahren keine GP-Klassen mehr stattfinden und die Talente die Beherrschung von echten Rennmaschinen daheim nicht mehr erlernen können. Zu Zeiten der 125er- und 250er-IDM war das noch anders. Jonas Folger gewann zum Beispiel mit 13 Jahren schon seinen ersten 125-ccm-IDM-Lauf auf dem Salzburgring. Stefan Bradl eroberte den IDM 125-Titel im Red Bull KTM Junior-Team mit 15 Jahren und feierte 2008 mit 19 Jahren schon seinen ersten Podestplatz in Katar. Folger schaffte mit 16 Jahren schon Platz 2 beim 125-ccm-Le Mans-GP.

«Im deutschsprachigen Raum brauchen alle Talente einfach länger für den Durchbruch als die Fahrer aus den Südländern», betont Lingg. «Diese Zeit hat aber kein Fahrer bei uns, weil ihnen vorher schon das Geld ausgeht oder die Lust vergeht, die Berufsausbildung im Vordergrund steht – oder was auch immer. Man hat da oft ein bisschen zu wenig Geduld, wenn ich an Fahrer wie Grünwald, Georgi und Geiger denke. Auch Lukas Tulovic ist so ein Beispiel. Er war 2019 ein Jahr in der Moto2-WM – dann war er weg.»

Lingg macht sich keine Illusionen: «Wenn ein jungter Fahrer international etwas erreichen will, dann musst du den unbedingten Willen an den Tag legen. Wenn es einem Talent reicht, dass es nur dabei ist, kann es nichts werden. Manche Fahrer müssen auch verstehen, dass man Follower in den Sozialen Medien am besten mit Erfolgen gewinnen kann. Das müssen sie irgendwann verstehen.»

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