MotoGP: Albtraum für Aprilia wird wahr

Bernd Kassner, der vielseitige Kurzzeit-Werksfahrer

Von Thorsten Horn
Bernd Kassner

Bernd Kassner

Nach dem schweren Unfall von Reinhold Roth 1990 wurde der noch relative Neuling Bernd Kassner als Ersatz ins Haifischbecken Motorrad-WM mit einer Werks-Honda geworfen. Nach zweieinhalb Rennen war schon wieder Schluss.

Bernd Kassner ist der Jüngste der bayerischen Rennfahrer-Dynastie Kassner. Sein Vater Horst war 1957, 1959 und 1961 jeweils Deutscher Meister der 250-ccm-Klasse und 1959 auch bei den 350ern. Sein Onkel Helmut brachte es sogar auf fünf nationale Meisterschaften. 1974 feierte er in der 500-ccm-Klasse seinen ersten DM-Titel und ließ diesem 1975, 1976 und 1977 drei weitere folgen. Auch er schaffte es, Doppelmeister zu werden – 1975 konnte er auch die 350er-Kategorie für sich entscheiden.

Mit dieser erblichen Vorbelastung war der Einstieg für Bernd Kassner in den Motorradsport zwar nicht selbstverständlich, jedoch naheliegend. Da auch er es bis zum Deutschen Meister brachte (1992 bei den 250ern), stellt das ein Novum für die DM dar. Zudem war er noch dreimal Vizemeister. «Irgendwas hat immer gefehlt», blickte Bernd Kassner unlängst im Rahmen der diesjährigen ADAC Sachsenring Classic ohne Groll zurück.

Bei dieser geschichtswahrenden Veranstaltung waren der mittlerweile 61-Jährige aus Markt Indersdorf und sein 78 Jahre alter Onkel, wie schon 2022, wieder mit von der Partie. Sein Vater Horst ist leider 2019 im Alter von 81 Jahren verstorben. Am Sachsenring stellten Helmut und Bernd Kassner drei Suzuki RG 500 der Baujahre 1976, 1977 und 1978 in die Box.

«Ich mache so etwas sehr bewusst und sehr gern hier, weil hier einfach das Publikum dafür da ist», erklärte Bernd Kassner am Rande der ADAC Sachsenring Classic 2025 im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. Und weiter: «Ich war letztes Jahr in Dijon, was vergleichbar war. Da war das Publikum auch sehr interessiert und aufsaugend. Dieses Jahr gehe ich noch nach Hockenheim und Assen, mehr nicht. Ich kann das auch nicht so oft machen, denn ich habe für das Motorrad nicht mehr so viele Teile, um es am Laufen zu halten. Ich habe schon viel selbst gefertigt, aber alles kann ich nicht machen. Deshalb setze ich das Motorrad nur bei besonderen Sachen ein.»

Dass er sich für seine zweite Karriere als Classic-Racer einst für eine 500er-Suzuki entschied, hat den einfachen Grund, dass sein Onkel Helmut 1976 die erste käufliche Suzuki in Deutschland erhielt. «Er hat seine erste Suzuki von damals behalten und diese 2018 das erste Mal wieder bei einer Klassik-Veranstaltung gefahren. Da habe ich ihm geholfen, dann hat er mich gefragt, ob ich einmal fahren wolle – da war es um mich geschehen. Wir haben eine zweite hergerichtet, inzwischen hat er zwei und ich eine.»

Angefangen hat Bernd Kassner 1984 im legendären ursprünglichen Yamaha-Cup, der einst für viele deutsche Talente ein probates Sprungbrett in Richtung DM- und WM-Pilot war. In diesem wurde er auf Anhieb Gesamtvierter.

Wegen einiger Rückschläge, wie einem gebrochenen Rückenwirbel, ging es für ihn aber erst 1987/1988 richtig los. 1990 präsentierte er sich als Yamaha-Privatfahrer erstmals in der WM und holte im damals jugoslawischen Rijeka als 15. seinen ersten WM-Punkt.

Im gleichen Rennen geschah der grauenvolle Unfall von Reinhold Roth, woraufhin der talentierte Bernd Kassner ein paar Rennen später wie die Jungfrau zum Kind kam. Nach seinem 13. Platz in Spa-Francorchamps wurde er von Dieter Stappert als Ersatz ins HB-Honda-Team berufen.

«Eigentlich sollte ich das komplette restliche Jahr fahren, doch nach Le Mans, Donington und Anderstorp war schon wieder Schluss. Da wurden verschiedene Absprachen einfach nicht eingehalten. Ich war noch relativ jung und unerfahren. Hinzu kam, dass in der WM andere Reifendimensionen genutzt wurden als jene, die ich als Privatfahrer kannte. Außerdem hatte ich zuvor keinen Test. Ich bin dahin gekommen und einfach gefahren. Das war halt alles sehr schade, sonst hätte es alles etwas anders laufen können», erklärte Bernd Kassner das Dilemma als Kurzzeit-Werksfahrer.

In Le Mans verpasste er die Punkteränge und bei seinem zweiten WM-Rennen auf der HB-Honda in Donington stürzte er. In Anderstorp zog er sich bei einem Trainingssturz eine Gehirnerschütterung zu und musste passen. Somit waren es im Endeffekt nur zweieinhalb Grands Prix.

1991 wechselte er auf einen Production Racer von Aprilia und schaffte nur in Brünn einen WM-Punkt. Damals standen um die 15 Fahrer mit Werksmotorrädern, Werksmaterial oder zumindest A-Kit-Material am Start. Unterschieden wurde dabei noch in A-, B- und C-Kits, die mit entsprechenden Leistungsunterschieden behaftet waren. «Deshalb war es für uns Privatfahrer super schwierig, aber, im Gegensatz zu heute, immerhin alles noch überhaupt machbar.»

Auch 1992 reichte es nur zu einer Fahrt in die Punkte, wobei berücksichtigt werden muss, dass man in jenem Jahr kurzzeitig zur bis 1987 angewandten Punktevergabe bis Platz zehn zurückgekehrt war. 1993 verdoppelte er seine WM-Punktezahl, wobei er ab Saisonmitte mit einem komplizierten Fußbruch, zugezogen in Schleiz, für den Rest des Jahres ausfiel.

1994 wurde Kassner mit neun WM-Punkten Gesamt-25., wobei er viermal als 14. und einmal als 15. ins Ziel kam. Ein weiteres Jahr später sammelte er drei Zähler, was WM-Platz 28 bedeutete. «Da war ich schon nicht mehr regelmäßig dabei. Ich hatte zwar gute Sponsoren, aber dennoch war die komplette WM finanziell nicht mehr machbar. Irgendwann musste man sich auch mal um die Zukunft sorgen und andere Prioritäten setzen.»

Schon vor seiner Rennkarriere verschlug es Kassner 1983 beruflich zu BMW Motorsport. «Damals habe ich die erste Formel-1-Epoche von BMW als Motorenmechaniker mitgemacht. Nachdem diese beendet war, habe ich für die BMW-Tourenwagen gearbeitet. Da hat mir mein unmittelbarer Vorgesetzter Paul Rosche in meiner Motorradzeit viel mit Freistellungen geholfen.»

Nachdem er Ende 1996 den Helm endgültig an den Nagel gehängt hatte, setzte sich Bernd Kassner in die Meisterschule und es kam die zweite BMW-Formel-1-Ära, in der er als Werkstattleiter für die V10-Motoren und danach in der Getriebeabteilung verantwortlich war. Die letzten zehn Jahre war er in der Entwicklung Fahrwerk Motorrad, vorwiegend für Doppel-R zuständig.

Die heutigen BMW-Erfolge basieren demzufolge auch zum Teil auf seiner Arbeit. «Allzu viel kann ja an den Superbike-Motorrädern, im Vergleich mit den Prototypen der MotoGP, nicht gemacht werden. Deshalb muss das Serienmotorrad schon sehr gut sein.»

Seit 1. April dieses Jahres ist Bernd Kassner im Vorruhestand und genießt das Leben, wie bei der ADAC Sachsenring Classic.

Diesen Artikel teilen auf...

Mehr über...

Siehe auch

Zarco-Mania: Regen in Le Mans, Sonne im Herzen

Von Thomas Kuttruf
Das Drehbuch des Frankreich-Grand-Prix war zugleich Action-Thriller und nicht enden wollende Gefühlsschnulze. Die MotoGP hat in Le Mans mit Held Johann Zarco lauter denn je bewiesen, dass beides zusammen möglich ist.
» weiterlesen
 

TV-Programm

  • Mi. 14.05., 17:15, Motorvision TV
    Bike World
  • Mi. 14.05., 17:25, Kinderkanal
    Die Schlümpfe
  • Mi. 14.05., 19:15, ServusTV
    Servus Sport aktuell
  • Mi. 14.05., 19:55, Motorvision TV
    Australian Drag Racing Championship
  • Mi. 14.05., 21:45, Hamburg 1
    car port
  • Do. 15.05., 00:20, Motorvision TV
    Australian Drag Racing Championship
  • Do. 15.05., 01:45, Hamburg 1
    car port
  • Do. 15.05., 03:30, Motorvision TV
    On Tour
  • Do. 15.05., 03:45, Hamburg 1
    car port
  • Do. 15.05., 05:00, ORF Sport+
    Motorsport: FIA-Langstrecken-WM
» zum TV-Programm
6.89 24030830 C1405054512 | 5