Der Pechvogel des Jahres: Andrea Dovizioso

Von Sharleena Wirsing
In den ersten Rennen der Saison 2016 klebte Andrea Dovizioso das Pech den Stiefeln. Der Ducati-Pilot wurde in vier der ersten fünf Rennen ohne eigenes Verschulden aus dem Rennen gerissen.

Der Begriff Pechvogel stammt aus der mittelalterlichen Vogeljagd. Damals wurden Vögel mit Leimruten, die auch «Pechruten» genannt wurden, gefangen, an denen die Tiere kleben blieben. Auf diese Weise wurde der «Pechvogel» zum Symbol für jemanden, dem das Schicksal übel mitspielt. Einer der größten Pechvögel der MotoGP-Klasse war in der Saison 2016 Andrea Dovizioso. Gut, was Verletzungen und Rückschläge betrifft, hätten auch Kollegen wie Loris Baz oder Dani Pedrosa diesen Titel verdient, doch was unverschuldete Tiefschläge in den Rennen betrifft, liegt «Dovi» vorne.

Der beste Moment für Ducati-Werkspilot Andrea Dovizioso in der Saison 2016 ist schnell gefunden: sein Sieg in Sepang. Es war «Dovis» erster MotoGP-Sieg seit 2009 und sein erster Triumph für Ducati. Doch die Saison 2016 hielt auch einige Tiefpunkte bereit.

Für den ersten Rückschlag in der Saison von Andrea Dovizioso sorgte sein Ducati-Teamkollege Andrea Iannone, der sich im Anschluss noch öfter als Abrissbirne betätigte.

Beim Grand Prix von Argentinien, dem zweiten Saisonrennen, kämpften die Ducati-Teamkollegen hinter Marc Márquez um Platz 2. Bereits beim Saisonauftakt in Katar hatte Iannone gepatzt. Er stürzte im Kampf gegen Dovizioso auf Platz 2 liegend. Iannone wollte zu viel, bremste spät, kam auf eine weiße Linie und ging zu Boden. Ein Lerneffekt setzte beim ungestümen Iannone dadurch aber nicht ein. Beim zweiten Saisonlauf in Argentinien ging er wieder aggressiv ans Werk. Am Start berührte Iannone das Hinterrad von Marc Márquez und drängte so Dani Pedrosa nach außen. Später patzte er in Kurve 5, als er Valentino Rossi überholen wollte, wodurch Andrea Dovizioso an beiden vorbeipreschte. Als er wieder zu seinem Teamkollegen aufgeholt hatte, versuchte Iannone in der vorletzten Kurve noch an Dovizioso vorbeizukommen, stürzte und riss seinen Teamkollegen mit sich. Dovizioso schob seine Ducati noch über die Ziellinie und wurde als 13. gewertet.

«Nein, nein, ich habe nicht zu spät gebremst. Ich habe am selben Punkt wie immer gebremst, aber ich blieb etwas weiter innen, denn Andrea war außen. Es war seltsam. Ich weiß es nicht Es tut mir leid für Andrea. Glücklicherweise habe ich eine gute Beziehung zu ihm», erklärte Iannone, der den Spitznamen «The Maniac», der Verrückte oder der Wahnsinnige, trägt. Doch das Verhältnis zu Dovizioso war ab diesem Zeitpunkt angespannt. «Einen zweiten Platz auf diese Art und Weise zu verlieren, ist inakzeptabel», wetterte Dovizoso.

Iannone hatte mit dem Abschuss seines Teamkollegen auch den Zorn von General Manager Gigi Dall’Igna auf sich gezogen, einer der Gründe dafür, warum Dovozioso 2017 im Ducati-Team bleibt und Iannone zu Suzuki abwandert. Zudem wurde er von der Race Direction beim nächsten Rennen in Austin in der Startaufstellung um drei Plätze zurückversetzt und erhielt einen Strafpunkt.

Ben Spies scherzte auf Twitter über Iannone, der in Barcelona auch Jorge Lorenzo zu Fall gebracht hat: «Ein gewisser Jemand muss aufhören, vor den MotoGP-Rennen ‹wrecking ball› von Miley Cyrus zu hören.»

Beim dritten WM-Lauf in Austin schlug das Pech bei Dovizioso erneut zu. Das Unglück geschah in der sechsten Runde: Dovizioso hatte sich verbremst und musste in der ersten Kurve weit gehen. Unabhängig davon stürzte Dani Pedrosa am Kurveneingang, seine Honda krachte in Doviziosos Bike. Der Italiener hatte Glück, seine Ducati wurde am Heck torpediert. Hätte es Dovis linkes Bein erwischt, wäre es zermalmt worden. Nach dem Crash bot sich den MotoGP-Fans ein seltener Anblick, als Dani Pedrosa nicht zu seinem Motorrad eilte, sondern zu dem am Boden knienden Italiener lief. Erst nachdem er sich vergewissert hatte, dass Dovizioso in Ordnung ist, schwang sich Pedrosa wieder auf seine Honda. Eine solche Solidarität mit einem Gegner ist nur sehr selten zu beobachten.

Als auch Pedrosa einige Runden später aufgeben musste, ging der Spanier ohne zu zögern in die Ducati-Box. Er entschuldigte sich nicht nur bei Dovizioso, sondern auch beim gesamten Ducati-Team. Obwohl er einmal mehr zur falschen Zeit am falschen Ort war, schob Dovizioso seinen Frust bei Seite und betonte gegenüber der Presse: «Es ist immer enttäuschend, wenn jemand einen Fehler macht. Doch es kommt auch auf die Art an, wie er ihn macht. Wenn man eine lange Karriere hinter sich hat und nie etwas Schlechtes getan hat, wie Dani, dann weiß man, dass er das Risiko also nicht eingegangen ist, um mich zu berühren, anders als beim Vorfall in Argentinien. Wir sind alle am Limit, da können Fehler passieren. Dani ist kein Kamikaze-Fahrer.»

Dann folgte mit Jerez das vierte Saisonrennen 2016. Andrea Dovizioso kam erneut nicht ins Ziel. Diesmal der Grund: Die Ducati Desmosedici des Italieners streikte. Andrea Dovizioso schied wegen einer defekten Wasserpumpe aus. Mit nur 23 Punkten aus Katar und Argentinien rutschte Dovizioso auf den elften WM-Rang ab. Ein Desaster für den 30-Jährigen und Ducati.

Doviziosos Saison verlief zu diesem Zeitpunkt nach Murphys Gesetz: Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen.

Auch im fünften Saisonrennen in Le Mans blieb «Dovi» punktelos. Diesmal trug er jedoch selbst die Verantwortung dafür. Er stürzte nahezu synchron mit Marc Márquez, als sie gleichzeitig die Kontrolle über die Vorderräder ihrer Maschinen verloren.

Als persönlichen Tiefpunkt der Saison 2016 bezeichnete Dovizioso allerdings nicht einen dieser Vorfälle, sondern das Rennen in Barcelona. «Im zweiten, dritten und vierten Rennen hatte ich wirklich Pech, denn ich ging drei Mal leer aus, was nicht meine Schuld war. [Anm.: Nach dem Abschuss durch Iannone überquerte Dovi in Argentinien noch als 13. die Ziellinie und sammelte drei Punkte.] Dabei sind viele Punkte verloren gegangen, denn ich hätte zwei Podestplätze in diesen drei Rennen holen können. Danach war der schwierigste Moment der Saison das Rennen in Barcelona. Im Rennen war ich auf dem falschen Reifen unterwegs, aber wir hatten ohnehin nicht den nötigen Speed. Wenn du im Rennen sehr viele Sekunden auf den Sieger verlierst, ist das wirklich, wirklich schlecht», betonte der Italiener, der als Siebter ganze 41,464 sec auf Sieger Valentino Rossi eingebüßt hatte.

Hätte Dovizioso in Argentinien, Austin und Jerez beispielsweise zwei Podestplätze, sagen wir Platz 2 und 3, und einen fünften Rang eingefahren, hätte er am Ende der Saison 47 Zähler mehr auf dem Konto gehabt. Dies hätte für WM-Rang 4 gereicht. Doch auch ohne diese Zahlenspiele zeigte Dovizioso eine hervorragende Aufholjagd in der Punktetabelle. In den 13 Rennen nach Le Mans sammelte er – trotz Sturz in Assen und Reifenproblemen in Brünn – 138 Punkte, stand vier Mal auf dem Podest, siegte in Sepang und sicherte sich am Ende noch den fünften Gesamtrang. Der Vogel hat sich somit doch noch von der Pechrute gelöst.

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