KTM gelang 2020 in der MotoGP-WM mit drei Siegen und drei Pole-Positions der Durchbruch. Motorsport-Direktor Pit Beirer verrät das Erfolgsrezept und ein bisher gut gehütetes Geheimnis.
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Das technische Erfolgsrezept des ehemaligen Aprilia-Chefkonstrukteurs Jan Witteveen, der in den GP-Klassen 125 und 250 ccm für mehr als 120 GP-Siege und fast 50 Weltmeistertitel sorgte, war einleuchtend: "Kopiere nie die Japaner, sonst bist du immer ein Jahr im Rückstand." Deshalb setzte er in den zwei kleinen Zweitaktklassen damals Drehschieber-Motoren ein, während die Japaner auf Membraneinlass-Steuerungen setzten. Er baute für die 500-ccm-Klasse 1974 eine V2-Maschine, die von Honda später kopiert wurde. Und Witteveen entschied sich in der MotoGP-WM 2002 für einen 990-ccm-Dreizylinder-Reihenmotor, als alle anderen Hersteller mit Vierzylindern und Honda sogar mit dem V5-Zylinder RC211V aufmarschierten.
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Auch KTM geht eigene Wege. Das begann in der Moto3-Klasse mit dem exklusiven Bohrung-Hub-Verhältnis von 81x48,5 mm, das Honda nach den ersten zwei WM-Niederlagen und 27 Siegen in Serie kopierte, genau wie den Doppelauspuff der 250-ccm-Einzylinder-Viertaktmaschine aus Oberösterreich. Da in der MotoGP-Klasse die Bohrung mit maximal 81 mm vorgeschrieben ist, hatte KTM-Motoren-Konstrukteur Ing. Kurt Trieb dann bei der 1000-ccm-Vierzylinder-KTM RC16 mit den einzelnen 250-ccm-Zylinder-Einheiten schon eine ausgezeichnete Basis. KTM beschritt auch in der MotoGP einen eigenen Weg. Ingenieur Trieb (er war zur Zeit der Dreizylinder-Maschine bei Aprilia Racing tätig) entschied sich zwar aus guten Gründen für das V4-Konzept und ging dann 2017 in Jerez vom Screamer zum Big Bang über, es folgte die gegenläufige Kurbelwelle und auch der V90-Grad-Zylinderwinkel gehört heute zum Standard der V4-Befürworter in der MotoGP-Klasse.
Aber mit dem Gitterrohrstahlrahmen und der hauseigenen WP-Supension sorgte KTM bei den Mitbewerbern für Stirnrunzeln, ja sogar für ein mittleidiges Lächeln. Das habe in der Cross-WM funktioniert und bei der Dakar-Rallye, dazu noch in der Moto3, aber in der Königsklasse sei damit kein Blumentopf zu gewinnen, mutmaßten viele Experten, selbst vor zwei Jahren noch.
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"Es kann uns definitiv keiner vorwerfen, dass wir in der MotoGP-Klasse irgendwelche Konzepte kopiert haben", hält Motorsport-Direktor Pit Beirer fest. "Wir sind ein Motorradhersteller, wir bauen alles In-house und sind stolz auf unsere eigenen Entwicklungen. Du wirst nie in irgendeiner Sportart und in irgendeiner Klasse ganz an die Spitze kommen, wenn du kopierst. Das zeigt sich auch weltweit in anderen Industriesparten. Wenn du nicht innovativ bist, sondern nur die Konkurrenz nachahmst, bist du immer Zweiter oder Dritter. Du musst den Mut haben, eigene Entwicklungsschritte zu machen. Klar, das ist immer der härtere und beschwerlichere Weg, weil du nichts Vergleichbares hast. Aber wenn du mit einer Eigenentwicklung beginnst Rennen zu gewinnen, wird es für die Mitbewerber schwer, deine Technik nachzumachen. Unser Chassis und unsere Suspension kann keiner so einfach nachbauen. Das dazugehörige Know-how befindet sich in Munderfing."
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"Wir beschreiten einen eigenen Weg, er bildet den Charakter der Rennabteilung, der beteiligten Ingenieure sowie aller Mitarbeiter. Das gibt Selbstvertrauen. Das ist genau das, was die Firma braucht, um hervorragende Serienmodelle zu entwickeln und zu erzeugen. Da willst du ja auch nicht kopieren, sondern deinen eigenen Weg gehen, um deine Marke zu stärken und Profil zu gewinnen", sagt Beirer.
Der erfolgreiche schwedische Suspension-Hersteller Öhlins hat seit Casey Stoners WM-Triumph 2007 auf Ducati alle WM-Titel in der MotoGP-Klasse gewonnen und von 2010 bis zum Brünn-GP 2020 alle MotoGP-Siege abgeräumt. Beim GP von Tschechien triumphierte erstmals KTM mit WP-Federelementen und Brad Binder. "Wir haben definitiv am Montag nach Brünn wegen WP die erste Anfrage von einem MotoGP-Konkurrenten bekommen", verrät Pit Beirer im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com. "Aber wir haben damals keine Zeit gehabt, um uns seriös um diese Anfrage zu kümmern", ergänzt er schmunzelnd. "Seither hat sich niemand mehr erkundigt. Im Moment genießen wir es, das WP-Material für uns selber zu verwenden. Auch wenn es die Menschen nicht mehr hören wollen: Wir sind nach vier Jahren in der MotoGP-Viertakt-Klasse im Vergleich zu den Mitbewerbern immer noch sehr jung, die meisten sind seit 2002 oder 2003 dabei. Wir bauen in dieser Kategorie gerade etwas auf. Sobald sich das MotoGP-Projekt für uns so stabilisiert hat, dass wir sagen können, Werks- und Kundenteam sind ein Paket, es funktioniert alles, wir sind endgültig an der Spitze angekommen und bleiben auch dort, werden wir dieses Thema neu besprechen. Natürlich würden wir dann WP-Produkte anbieten. Wir wollen ja für 2022 vielleicht ein zweites MotoGP-Kundenteam besprechen."
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