Ein Hoffnungsschimmer bei der KTM AG

Tech3 fährt 2023 mit Pol Espargaró und Remy Gardner

Von Günther Wiesinger
Das Tech3-MotoGP-Team von Hervé Poncharal steigt 2023 von KTM auf GASGAS um. Raúl Fernandez wird durch Pol Espargaró ersetzt. Und Augusto Fernandez bleibt in der Moto2.

Beim Silverstone-GP verkündeten manche voreiligen Berichterstatter und TV-Reporter, der spanische Silverstone-Sieger und Moto2-Titelkandidat Augusto Fernandez aus dem Red Bull-KTM-Team von Aki Ajo werde 2023 die MotoGP-WM beim Tech3-Team von Hervé Poncharal bestreiten.

SPEEDWEEK.com forschte beim Britischen Grand Prix nach handfesten Informationen zu diesem Thema, das genährt wird durch die Tatsache, dass der 180 Zentimeter große Fernandez zuletzt drei Moto2-Rennen hintereinander gewonnen hat und die WM-Tabelle jetzt 13 Punkte vor Ai Ogura anführt.

«Ich habe an diesem Wochenende bei der Teamvereinigung IRTA und beim Selektions-Komitee Augusto Fernandez und Pedro Acosta für die Moto2-WM 2023 nominiert», erklärte Teambesitzer Aki Ajo auf unsere Nachfrage. «Beide sind akzeptiert worden.»

Tech3-KTM-Teambesitzer Hervé Poncharal gab nur eine ausweichende Antwort: «Das Red Bull KTM-Factory Team wurde bereits bestätigt, es wird aus Brad Binder und Jack Miller bestehen. Das ist klar. Jetzt muss die Fahrerpaarung für unser Satellitenteam entschieden werden.»

Dass Pol Espargaró als Teamleader zu KTM-Tech3 kommt, wird spätestens beim Österreich-GP (19. bis 21. August) öffentlich verkündet. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit wird dann auch Remy Gardner als zweiter Fahrer bei GASGAS-Tech3 vorgestellt. 

Poncharal sagt dazu nur: «Wir haben Remy Gardner im Vorjahr beim Jerez-GP für die MotoGP verpflichtet, die zweite Position ist offengeblieben. Danilo Petrucci und Iker Lecuona wurden in Spielberg informiert, dass der zweite Platz an Raúl Fernández gehen wird. Mehr kann ich nicht sagen.»

Poncharal lobte in den letzten Wochen mehrmals die Fortschritte von Moto2-Weltmeister Remy Gardner, der sich nach dem Mugello-GP klar gesteigert und einen elften Platz eingefahren hat. «Remy hat sich verbessert, seine Leistungen sind seit dem Catalunya-GP besser geworden», freut sich Poncharal. «Er ist ein starker Kandidat für den MotoGP-Platz bei Tech3.»

Dazu ist der Australier ein langjähriger KTM-Schützling, außerdem sind in der MotoGP-Klasse schon genug Spanier unterwegs.

Das französische Tech3-Team steigt auf Wunsch der Pierer Mobility AG nach der Saison 2022 auf GASGAS-Motorräder um, die Bikes werden aber baugleich mit den KTM RC16 sein. «Ja, das ist eine Überlegung», bestätigte Firmenchef Stefan Pierer. 

Was sagt WM-Leader Augusto Fernandez zu dieser Problematik? Würde er 2023 lieber in die MotoGP aufsteigen oder in der Moto2-Klasse bleiben?

Der WM-Spitzenreiter kommt bei dieser Frage ein bisschen ins Grübeln. Dann entgegnet er: «Am liebsten würde ich zuerst einmal die Moto2-Weltmeisterschaft gewinnen.»

Das hört sich nach einem guten Plan an. Aber die Pierer Mobility-Manager können Remy Gardner nicht bis Oktober oder gar November im Ungewissen lassen.

Deshalb kann Teamchef Aki Ajo in Ruhe eine zweite Saison mit dem Duo Fernandez und Acosta planen.

Und KTM könnte dann für 2024 ein Dilemma drohen: Dann werden womöglich Pol Espargaró, Gardner, Augusto Fernandez und Acosta um einen Platz bei GASGAS-Tech3 streiten.

Paco Sanchez, Manager von Remy Gardner, fiel zwar im Mai wegen seiner Kritik an der Qualität des Tech3-Teams und an der unzureichenden Gage für den Australier für 2023 bei Pit Beirer und Hervé Poncharal in Ungnade. Aber er rechnet inzwischen fest mit einer neuerlichen Einigung. «Natürlich kommt es zu Unstimmigkeiten, wenn die Resultate ausbleiben», erklärte Sanchez im SPEEDWEEK.com-Interview in England. «Remy hat gesehen, wie stark die anderen Rookies wie Bezzecchi und Di Giannantonio auf den Ducati waren, die er im Vorjahr in der Moto2 hinter sich gelassen hat. Deshalb war er im Frühjahr enttäuscht. Aber er hat sich inzwischen gesteigert, er hat sich besser an die KTM gewöhnt. Und wir wissen ja: Ein Rookie braucht mindestens ein Jahr, bis er sich in der MotoGP zurechtgefunden hat, am besten zwei.»

Sanchez erklärte auch, dass sich sein Verhältnis zu KTM wieder normalisiert hat. «Ich rede regelmäßig mit Jens Hainbach, auch Pit Beirer hat mir in Silverstone die Hand geschüttelt.»

«Ganz bin ich noch nicht überzeugt von Gardner. Gut, er braucht in jeder Klasse ein bisschen lang», erklärte der KTM-Vorstandsvorsitzende Stefan Pierer im Gespräch mit SPEEDWEEK.com. «Pit Beirer glaubt an Gardner. Ich habe gesagt: 'Ja, Pit, passt, wir haben in diesem Jahr eh noch acht Rennen.' In Assen ist Remy im Rennen zurückgefallen, weil er den falschen Hinterreifen genommen hat, den Medium. Bei KTM brauchen wir oft die härtere Mischung.»

KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer hält an Gardner fest. «Ich werde mit Paco Sanchez ganz normal verhandeln, was Remy angeht, denn wir sind nach wie vor sehr motiviert, unser MotoGP-Projekt mit Remy hinzukriegen», erklärte der KTM-Rennchef. «In Barcelona, auf dem Sachsenring und in Silverstone hat Remy echt gute Wochenenden gehabt. In Assen war es zwar viel schwieriger, aber ich halte es nach wie vor für möglich, Remy als Rookie regelmäßig in den Punkten zu platzieren. Das bleibt ein realistisches Ziel für die zweite Saisonhälfte. Wir haben die Zukunft mit Remy alles andere als aufgegeben; das wollen wir besser hinkriegen. Wir würden am liebsten 2023 mit ihm weitermachen.»

Auch Stefan Pierer wünscht sich, dass Pedro Acosta und Augusto Fernandez 2023 noch einmal das Red Bull-KTM-Team von Aki Ajo bilden. «Das könnte dann wieder ein Erfolgsduo werden wie mit Remy Gardner und Raúl Fernández 2021», hofft Pierer.

Zur Erinnerung: Gardner und Fernández gewannen im Vorjahr 13 von 18 Rennen, sie feierten sieben Doppelsiege und stellten die WM-Ränge 1 und 2 sicher.

«Bei Augusto Fernandez stimmt auch da ganze Umfeld und seine Familie, das sind sehr anständige Leute», lobt Stefan Pierer. «Wenn Augusto in diesem Jahr die Moto2-WM gewinnt, kann er den Titel ja 2023 verteidigen.»

Ergebnis Moto2, Silverstone (7. August):

1. Augusto Fernandez, Kalex, 18 Rd. in 37:38,670 (= 169,2 km/h)
2. Lopez, Boscoscuro, + 0,070 sec
3. Dixon, Kalex, + 0,662
4. Ogura, Kalex, + 1,741
5. Canet, Kalex, + 1,946
6. Vietti, Kalex, + 5,440
7. Roberts, Kalex, + 7,528
8. Navarro, Kalex, + 10,647
9. Salac, Kalex, + 11,646
10. Bendsneyder, Kalex, + 12,259
11. Gonzalez, Kalex, + 14,040
12. Arbolino, Kalex, + 14,802
13. Chantra, Kalex, + 16,098
14. Alcoba, Kalex, + 17,285
15. Aldeguer, Boscoscuro, + 19,253

Ferner:
Schrötter, Sturz

Fahrer-WM Stand nach 12 von 20 Grand Prix:

1. Augusto Fernandez 171 Punkte. 2. Ogura 158. 3. Vietti 156. 4. Canet 127. 5. Arbolino 108. 6. Roberts 106. 7. Dixon 92. 8. Schrötter 88. 9. Acosta 75. 10. Chantra 72. 11. Navarro 70. 12. Bendsneyder 61. 13. Lopez 55. 14. Lowes 51. 15. Arenas 45. 16. Gonzalez 44. 17. Beaubier 40. 18. Aldeguer 38 19. Alcoba 35. 20. Salac 21. 21. Baltus 16. 22. Dalla Porta 10. 23. Manzi 9. 24. Fenati 7. 25. Rodrigo 6. 26. Zaccone 6. 27. Ramirez 5. 28. Kubo 4. 29. Kelly 3. 30. Pasini 1.

Konstrukteurs-WM:

1. Kalex 300 Punkte. 2. Boscoscuro 77. 3. MV Agusta 5.

Team-WM:

1. Red Bull KTM Ajo 246 Punkte. 2. Idemitsu Honda Team Asia 230. 3. Flexbox HP40 197. 4. Elf Marc VDS Racing 159. 5. Mooney VR46 Racing 156. 6. GASGAS Aspar Team 137. 7. Liqui Moly Intact GP Team 123. 8. Italtrans Racing 116. 9. CAG Speed up 100. 10. Pertamina Mandalika SAG 67. 11. Yamaha VR46 Master Camp 57. 12. American Racing 43. 13. Gresini Racing 27. 14. RW Racing GP 16. 15. MV Agusta Forward 5.

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