Aprilia: Vom Sorgenkind zum ersten Ducati-Verfolger
Aprilia Racing ging schwer angeschlagen in die MotoGP-Saison 2025. Die beiden hochgehandelten Neuverpflichtungen auf der Fahrerseite kamen nicht gut in Fahrt oder, im Falle von Jorge Martin, zündeten erst gar nicht. Die Geschichte ist mehr als bekannt. Nach dem nicht enden wollenden Verletzungsdilemma des Weltmeisters inklusive filmreifer Transferhypothesen kam die Nummer 1 erst ab dem Brünn-GP zum Einsatz.
Dazu hatte Marco Bezzecchi selbst mit der Anpassung an die RS-GP zu kämpfen. Nicht zu vergessen: Auch hinter den Kulissen hatte es im Aprilia-Lager relevante Veränderungen gegeben, denn nach dem Abgang des erfolgreichen Entwicklungsleiters Romano Albesiano in Richtung Honda war erst Fabiano Sterlacchini nachgerückt.
Sportlich sah es entsprechend finster aus. Mit Ausnahme des glanzvollen Debüts von Rookie Ai Ogura bei Trackhouse war Aprilia bis zum Silverstone-GP fernab von Spitzenresultaten. Um dann, fast aus dem Nichts, mit dem ersten Sieg in England in den Steilflug zu gehen. Der Start erfolgte im Frühsommer von einem flachen Niveau aus. Noch beim Italien-GP in Mugello sahen die Fans ihre zweite Heimmannschaft auf dem vierten Platz der Herstellerwertung – hinter Honda.
In Assen folgte dann auf einen Schlag eine große Belohnung für die Mannschaft um Massimo Rivola und Testfahrer Lorenzo Savadori, der als Dauer-Ersatz für Jorge Martin die Entwicklungsarbeit im Rennbetrieb erledigen musste. Nach zwei Podestplätzen in den Niederlanden konnte Aprilia Honda und KTM bei den Konstrukteuren in einem Sprung nehmen.
Bei der nächsten Runde in Deutschland schlug Bezzecchi erneut die Konkurrenz aus Österreich und Japan und beim Comeback des Brünn-GP stand dann auch wieder Jorge Martin bereit, der bei seiner Rückkehr WM-Punkte holte und somit Platz 2 bei den Herstellern festigte.
Doch abgehakt ist die Mission für Aprilia damit noch nicht. Denn KTM – und auch Honda – haben ebenfalls den Schubhebel gefunden. Nach der Sommerpause bewiesen besonders die Österreicher erhöhte Schlagkraft. Zwar fiel Maverick Vinales nach einem Sachsenring-Crash aus, dafür übernahm Enea Bastianini und auch Pedro Acosta steigerte sich in den letzten Events wieder in Richtung Bestform. Das ging so weit, dass KTM nach dem Catalunya-GP wieder bis auf zwei Zähler an Aprilia herangefahren war.
Doch statt der möglichen Staffelabgabe in Misano fuhr sich Aprilia wieder frei – dank eines entfesselten Marco Bezzecchi, der in seiner Heimat Marc Marquez gefährlich wurde und nur knapp die Maximalpunktzahl verfehlte, plus einem Technik- und Sturzdebakel im KTM-Lager. Vor dem Japan-GP hat Schwarz 23 Punkte mehr als Orange.
Die bemerkenswerte Kehrtwende im Aprilia-Werksteam schlägt sich auch in der Fahrerwertung nieder. Bereits am kommenden Wochenende könnte Marco Bezzecchi Platz 3 von Pecco Bagnaia übernehmen.
Bei aller Anerkennung für das neu aufgestellte Aprilia-Projekt ist nicht zu übersehen, dass die Konkurrenzfähigkeit in der Königsklasse 2025 insgesamt zugenommen hat. Denn von einer völligen Abgeschlagenheit der Japaner kann keine Rede mehr sein. Auch Honda hat mit fünfzig Punkten Rückstand auf Rang 3 noch theoretische Chancen auf den Vize-Titel bei den Herstellern.
Nach 16 Rennwochenenden hat es der größte Hersteller auf 198 Punkte gebracht. Vor einem Jahr waren es nach 32 Rennen 56 Zähler – und der letzte Platz bei den Herstellern. Selbst Yamaha, derzeit mit 168 Zählern mit der roten Laterne unterwegs konnte im gleichen Zeitraum fast doppelt so viele Punkte holen wie 2024.
Und Ducati? Der einzige Hersteller im Feld mit sechs Bikes hat diesen Teil der Tabelle längst ausgeblendet. Der erneute Titelgewinn wurde bereits beim Catalunya-GP unter Dach und Fach gebracht.
WM-Stand nach 32 von 44 Rennen:
1. M. Marquez, 512 Punkte. 2. A. Marquez 330. 3. Bagnaia 237. 4. Bezzecchi 229. 5. Acosta 188. 6. Morbidelli 180. 7. Di Giannantonio 179. 8. Aldeguer 141. 9. Quartararo 137. 10. Zarco 117. 11. Binder 101. 12. Marini 94. 13. Bastianini 84. 14. R. Fernandez 84. 15. Vinales 72. 16. Ogura 69. 17. Miller 58. 18. Mir 50. 19. Rins 45. 20. Martin 34. 21. Oliveira 24. 22. P. Espargaro 16. 23. Nakagami 10. 24. Savadori 8. 25. A. Fernandez 6. 26. Chantra 1. 27. A. Espargaro 0.
Konstrukteurs-WM:
1. Ducati, 575 Punkte. 2. Aprilia 271. 3. KTM 248. 4. Honda 198. 5. Yamaha 168.
Team-WM:
1. Ducati Lenovo Team, 749 Punkte. 2. BK8 Gresini Racing 471. 3. Pertamina Enduro VR46 Racing 359. 4. Red Bull KTM Factory Racing 289. 5. Aprilia Racing 271. 6. Monster Energy Yamaha 182. 7. Red Bull KTM Tech3 Racing 172. 8. Trackhouse MotoGP Team 153. 9. Honda HRC Castrol Team 144. 10. LCR Honda 119. 11. Prima Pramac Yamaha Racing 85.