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Stefan Bradl: «Die ADAC-GP-Projekte sind gescheitert»

Von Günther Wiesinger
Stefan Bradl wundert sich über den fehlenden deutschen GP-Nachwuchs. Und wenn er den Finger in die Wunden legt, entgegnet der ADAC mit Halbwahrheiten.

Stefan Bradl wurde beim GP von Deutschland auf dem Sachsenring gefragt, wie er die Situation des deutschen GP-Nachwuchses beurteile. Er bezeichnete die Situation ohne Umschweife als «beschissen» und machte dem Verband DMSB und dessen Trägerverband ADAC Vorwürfe, weil im reichsten Land Europas mit einer erfolgreichen Motorradindustrie keine gezielte Förderung für künftige GP-Fahrer existiert.

Tatsächlich sieht es mit der Motorrad-Nachwuchsförderung in Deutschland erbärmlich aus, wenn man die Situation in Ländern wie Frankreich, Spanien, Italien oder Grossbritannien vergleicht, wo die Stiftung «Racing Steps Foundation» seit drei Jahren die WM-Karriere des Schotten John McPhee im Racing Team Germany finanziert.

Unglaublich: Die kleine Schweiz hat 2015 trotz Rennstreckenverbots (das gibt es seit 1955!) fünf aktuelle Moto2-WM-Fahrer, Deutschland vier.

Das Team Italia zum Beispiel existiert seit mehr als 25 Jahren in der kleinen WM-Klasse, zuletzt hat es GP-Sieger Romano Fenati hervorgebracht.

Und in Deutschland? Fehlanzeige.

2015 kam kein neuer deutscher GP-Fahrer in die Weltmeisterschaft, in einem 80-Millionen-Land wohlgemerkt.

Das ist zuletzt 2011 passiert. 2009 kam Jonas Folger, 2010 Marcel Schrötter, 2012 stiegen Toni Finsterbusch und Luca Amato ein, 2013 Öttl und Alt, 2014 etablierte sich Luca Grünwald als Stammfahrer im Kiefer-Team.

Der ADAC beteiligte sich nicht oder nur mit nicht nennenswerten Zuschüssen an diesen Bemühungen der Talente?. ?Sie bekamen wegen mangelnder Unterstützung nicht genug Zeit, um sich in der WM bewähren zu können.

Da selbst eine Moto3-Saison heute mindestens 500.000 Euro kostet, ist mit 10.000 oder 20.000 Euro niemandem wirklich geholfen.

Noch etwas: Wo die seit 1992 jährlich von der FIM an den Landesverband fliessenden rund 100.000 US-Dollar gelandet sind, hat in den letzten zwei Jahren beim DMSB niemand aufgeklärt. Sie sollten dem Breitensport zukommen, zur Förderung von GP-Talenten. Kein Wunder, wenn Teambesitzer wie Michael Freudenberg, die sich die Nachwuchsförderung auf die Fahne geschrieben haben, auf den DMSB schlecht zu sprechen sind. Da sind Millionen in dunklen Kanälen versickert.

Aber der DMSB sitzt das aus. Auch Hans Stuck unternimmt in dieser Causa nichts. Der DMSB untersucht sich selber – wie die FIFA.

Eines ist nach dem Sachsenring-GP klar: Von Nachwuchsfahrern wie Jonas Geitner und Max Kappler dürfen wir keine rosige GP-Zukunft erwarten.

Aus diesem Grund haben Teams wie Kiefer und Intact in letzter Zeit keinen deutschen Moto3-Fahrer verpflichtet. Es existiert einfach keiner, der das Zeug zum vielversprechenden GP-Fahrer hat.

Der im GP-Sport unbekannte ADAC-Experte Langendorff konterte inzwischen die Vorwürfe von Stefan Bradl.

Dieser sei im Red Bull Rookies-Cup 2003 und 2005 in der IDM 125 sehr wohl vom ADAC unterstützt worden.

«Langendorff meinte, ich hätte das in meiner Jugendlichkeit wohl vergessen. Dazu möchte ich gerne aus meiner Sicht etwas erwähnen», entgegnet Stefan Bradl. «Ich lasse mich nicht gern in der Öffentlichkeit als vergesslich oder ahnungslos darstellen. Ich kenne Herr Langendorff persönlich nicht, ich hatte mit ihm noch nie Kontakt. Und es ist richtig, ich bin 2003 in den Motorsport eingestiegen und mit 13 Jahren im Red Bull Rookies-Cup gefahren. Ich habe mich normal beworben und wurde aufgrund meiner Leistungen bei der Sichtung akzeptiert. Ich habe alles Sichtungsprüfungen bestanden. Klar, diese Rennserie ist vom ADAC gefördert oder durchgeführt worden, es waren aber viele andere wichtige Partner und Geldgeber dabei, von Honda bis Uvex und weitere Sponsoren und Ausrüsterfirmen. Der ADAC stellt das so dar, als ob er das ganz allein gemacht hätte. Ausserdem haben meine Eltern die Teilnahme-Gebühr von 15.000 Euro bezahlt. Wir haben genau so viel bezahlt wie jeder andere Cup-Teilnehmer. Und pro Sturz mussten wir 500 Euro zusätzlich zahlen.»

Bradl schloss den Rookies-Cup 2003 als Siebter ab, er war aber der einzige aus dem Vorderfeld, der vorher nie Minibike oder Pocketbike gefahren war. Für die weitere Förderung kam er nicht in Betracht, der ADAC wollte ihn zu einem weiteren Cup-Jahr überreden.

Papa Helmut Bradl liess aber seine Kontakte spielen und brachte den Junior für 2014 im Junior-IDM-125-Team von KTM unter, als Teamkollege von Michael Ranseder, der die IDM gewann, Bradl wurde Fünfter.

2005: ADAC-Honda-Team von KTM besiegt

Der ADAC setzte damals in der IDM 2004 ein ADAC-Honda-Team ein mit den Fahrern Georg Fröhlich, Maik Minnerop, Toni Wirsing und Matti Seidel.

Keiner von den ADAC-Schützlingen gewann damals die IDM, denn 2005 siegte Bradl.

«Unser Verdacht war, dass sie beim ADAC gesehen haben, unser KTM-Team ist eine sehr starke Konkurrenz für ihre eigenes Truppe. Wahrscheinlich haben sie das beim ADAC kommen gesehen, denn 2005 hatten wir als Red-Bull-KTM-Fahrer plötzlich ADAC-Kleber drauf», erinnert sich Stefan. «So konnten sie sagen, ein ADAC-Fahrer ist Meister geworden. Aber das ADAC-Sponsoring war sehr gering, denn unser Team ist im Grunde von KTM und Red Bull finanziert worden. Red Bull war schon damals mein grösster Förderer. Der ADAC hingegen hat nur einen kleinen Aufkleber drauf gemacht. Ich bin vor Michi Ranseder deutscher 125-ccm-Meister geworden. 2004 war bei uns ADAC nicht dabei... Beim reichen ADAC ging es meistens darum, brav Aufkleber zu verteilen, die Förderung fiel bescheiden aus. Meinen Papa hat das damals schon geärgert.»

Und wenn der ADAC sagt, er habe Bradl 2005 gefördert, so stellt sich die Frage: Warum tat das das Gleiche mit dem Österreicher Ranseder?

Und dann ?stieg der ADAC 2006 mit Riesenaufwand?, einer Werks-Honda und Erfolgs-Tuner Sepp Schlögl in die 125er-WM ein. Nur bei den hauseigenen Talenten griff der ADAC gründlich daneben: Georg Fröhlich fuhr mit jenem Motorrad, das Tom Lüthi 2005 zum WM-Titel chauffiert hatte, nie in die Punkte... Das Projekt wurde eine Blamage ersten Ranges.

So viel zum Thema Motorrad-Expertise beim Automobilclub ADAC, der vor einem Jahr von einem peinlichen Skandal in den nächsten tappte.

ADAC: Die falschen Talente gefördert

«Aus dem Förderprogramm aus dem Rookies-Cup sind Georg Fröhlich, Matti Seidel, Toni Wirsing und zum Schluss Joshua Sommer herauskommen», hält Bradl fest. «Jetzt frage ich: Wo sind diese Kandidaten heute hingekommen?»

«Wenn heute jemand vom ADAC sagt, ich wurde 2003 und 2005 vom ADAC unterstützt, dann ist das einfach nicht richtig?», betont der 25-jährige Bayer. «Ich hatte keine Privilegien, ich habe mich angemeldet wie jeder andere, wir haben die üblichen Gebühren bezahlt. Und 2005 haben sie uns einen Kleber draufgepappt, weil sie gesehen haben, dass sie im eigenen Team die langsameren Fahrer haben.»

Tatsache ist: Von Sandro Cortese bis zu Folger, Schrötter, Alt, Bradl und Öttl sind alle heutigen deutschen GP-Fahrer durch Eigeninitiative nach oben gekommen, meist durch die finanzielle Unterstützung der Eltern, das Team Raudies, das Kiefer-Team und andere Rennställe, durch die Red Bull Academy (Folger), guten Connections der Eltern wie bei Bradl und Öttl und natürlich Talent. Eine nennenswerte Förderung von DMSB oder ADAC gab es bei keinem.

«Ich bin 2004 in der IDM 125 erstmals gegen Sandro gefahren, der war damals im Team von Dirk Raudies. Ich kann mich nicht erinnern, dass er mal richtig vom ADAC gesponsort wurde», sagt Stefan Bradl. «2005 kam Sandro mit Kiefer in die WM. Da war vom ADAC auch weit und breit nichts zu sehen, wenn ich keine Erinnerungslücke habe. Und Marcel Schrötter ist von Toni Mang und Sepp Schlögl und Adi Stadler entdeckt und gefördert werden. Wenn der ADAC was gemacht hat, haben sie kleine Summen bezahlt und sich dann gross hingestellt wie die grossen Förderer. Aber unter dem Strich ist bei ihren GP-Projekten nie was rausgekommen.»

Bradl weiter: «Der ADAC und der DMSB sind zwei Vereine, die keine Ahnung haben, wie es im modernen Motorradrennsport zugeht. Wann ist zuletzt ein Talent aus dem Junior-Cup in die WM gekommen? Ich sehe beim ADAC im Zweiradbereich nur Sparmassnahmen. Ob er im Autosport mehr investiert, weiss ich nicht. Da gibt es ja immerhin die ADAC GT Masters. Im Zweiradsport muss endlich einmal was passieren.»

«Der DMSB hat von mir bis 2013 rund 220 Euro für eine internationale A-Lizenz verlangt, damit ich in der MotoGP-WM starten darf. Ich habe das für eine Frechtheit gehalten. Also habe ich Kontakt mit ihnen aufgenommen und ihnen erklärt, dass ich eine internationale FIM-Lizenz habe, die mir die WM-Teilnahme erlaubt. Warum sollte ich noch eine DMSB-Lizenz zahlen? Ich habe dann nie mehr eine DMSB-Lizenz beantragt.»

«Ich bin zum deutschen Nachwuchs befragt worden und habe eine ehrlich Antwort gegeben», sagt Bradl. «Wir ist es wurscht, wenn ich jetzt beim ADAC anecke. Aber es ist für deutsche Fahrer, ganz, ganz schwierig, in die WM zu kommen. Es geht nur durch Eigeninitiative. Adi Stadler von Honda hat 20 Jahre lang mit stumpfen Waffen gekämpft, da nützte die ganze Aufopferung nichts, weil es fast nie eine finanzielle Unterstützung gab. Irgendwann muss gehandelt werden. Momentan schaut es mit dem Nachwuchs mau aus.»

Die IDM wurde vom DSMB in jahrelangen Bemühungen erfolgreich zugrunde gerichtet. Als sie Ende 2012 scheintot war, wurde sie in einer Art Kindesweglegung an Sepp Meier, Sepp Hofmann und Bert Poensgen überlassen.

2013 sah ich in Spielberg sechs Teilnehmer in der Moto3-IDM. Zwei Drittel waren Ausländer. 2014 gab es diese Klasse gar nicht mehr. Die hilflosen Wiederbelebungsversuche 2015 kommen zu spät.

Dachten sie beim DMSB und ADAC jahrelang, der Moto3-WM-Nachwuchs werde künftig aus der IDM Superbike kommen? Oder aus dem Yamaha-Cup?

Nein. Sie dachten an gar nichts.

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