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BMW-Aufschwung: «Dieser Mythos wird überstrapaziert»

Von Sebastian Fränzschky
Technikdirektor Chris Gonschor gab im exklusiven Interview mit SPEEDWEEK.com Einblicke in die Entwicklung der BMW M1000RR und erklärte, warum man Toprak Razgatlioglu zu Saisonbeginn kein gutes Paket bereitstellen konnte.

Nach Toprak Razgatlioglus furiosem WM-Erfolg in der Superbike-WM 2024 startete BMW mit dem Ziel in die neue Saison, den Titel zu verteidigen. Im Gegensatz zu Ducati setzte man ein neues Homologationsmodell ein und hatte demzufolge noch mehr Spielraum. Doch Anfang des Jahres folgte der Schock: Das 2024 verwendete Super-Concession-Chassis mit abgeänderter Steifigkeit wurde verboten. BMW musste improvisieren und erlebte keinen guten Start in die Saison 2025. Wir haben uns exklusiv mit Technikdirektor Chris Gonschor über die Entwicklung und die Herausforderungen unterhalten.

Von einem Fehlstart will BMW-Technikdirektor Gonschor nicht sprechen. «Die Geschichte wird momentan etwas extrem dargestellt. Alle reden von einem ganz dramatischen Saisonanfang und plötzlich performt die BMW. Ich denke, dieser Mythos wird momentan überstrapaziert», hielt er im Vieraugen-Gespräch mit SPEEDWEEK.com fest.

Das erste Rennen der Saison beendete Razgatlioglu auf Platz 2 – ein solides Ergebnis. Im Sprint verpasste er nach einem Fahrfehler die Punkte und im zweiten Rennen musste er aufgeben. Der Titelverteidiger sammelte also nur 20 Punkte, während Ducati-Werkspilot Nicolo Bulega nach einem perfekten Wochenende die Maximal-Punktzahl von 62 Zählern auf seinem Konto hatte.

Chris Gonschor blickt zurück: «In Phillip Island konnten wir das neue 2025er-Motorrad erstmalig auf trockener Strecke bewegen. Die Wintertests im November, Dezember und Januar waren feucht. Zudem testeten wir noch mit dem alten Paket. Aufgrund der Regeländerung im Januar konnten wir das neue Paket erstmalig in Phillip Island testen.»

«Wir sind mit dem 2025er-Paket also ein halbes Jahr zu spät in die Analyse und demzufolge auch in die Optimierung gegangen. Für uns war Phillip Island also mehr ein Test als ein Rennwochenende», schilderte der BMW-Technikdirektor. «Wir mussten drei Rennen bestreiten, die wir mehr schlecht als recht bestritten haben.»

Ende März gastierte die Superbike-WM in Portimao. «Es ging in Portimao weiter. Dort holten wir drei Siege», erinnert sich Gonschor. Doch für die Siege musste Razgatlioglu auf seiner Paradestrecke hart kämpfen, während er im Jahr zuvor souverän agierte. «Es waren knappe Siege, doch in einer WM kann es gern knapp zugehen», kommentierte Gonschor.

BMW suchte weiter nach Lösungen, um mit dem Serien-Rahmen die Performance der Saison 2024 zu erreichen. «Wir befanden uns in der Anlaufphase, während die anderen Hersteller einen konstanten Speed hatten», erinnert sich Gonschor.

«Das dritte Event der Saison war Assen. Den Witz kennt man im Deutschen: Assen im Nassen – schwierige Bedingungen, kühle und wechselnde Bedingungen. Zudem erhielten wir von Pirelli neue Entwicklungsreifen», fasst er die Herausforderungen des Assen-Wochenendes zusammen, das für Razgatlioglu abgesehen vom Sprintsieg wenig Erfreuliches bereithielt. Im ersten Rennen wurde er Vierter. Lauf 2 beendete der Titelverteidiger auf einem enttäuschenden achten Platz.

«Das finale Ergebnis in Assen war eine Verkettung unglücklicher Umstände. Das Motorrad war nicht richtig abgestimmt, zudem trafen wir nicht die richtige Reifenwahl für die Bedingungen. Das wirkte sich negativ auf unser Rennwochenende aus», nennt Gonschor die Gründe für die enttäuschende Ausbeute beim Wochenende auf dem TT Circuit Assen.

Neben den technischen Herausforderungen spielte ein weiteres Element eine Rolle: Razgatlioglu arbeitete zusammen mit Manager Kenan Sofuoglu daran, den Aufstieg in die MotoGP zu meistern. Damals gab es eine Reihe von potenziellen Szenarien. Razgatlioglu selbst gestand im Rahmen des Rennwochenendes in Aragon, dass er im Frühjahr keinen freien Kopf hatte und deshalb nicht voll bei der Sache war.

«Portimao und Assen war die Phase, als die ersten MotoGP-Wechselgerüchte entstanden», bestätigt Gonschor. «Es wurde damals von verschiedenen Hersteller gesprochen, nicht nur von dem Hersteller, der es schlussendlich wurde. Das Thema war präsent. Mit Sicherheit hat es den Fokus etwas abgelenkt vom Fahrer. Deshalb ist die Reflexion von Toprak super. Es war ein Baustein. Er war nicht richtig fokussiert. Doch wir waren mit dem Paket auch noch nicht bei 100 Prozent», so der BMW-Ingenieur.

«Es will niemand hören, aber es ist ein Fakt: Zu Saisonbeginn hatten wir einen Trainingsrückstand, weil wir bis Dezember ein Paket entwickelt haben, das wir nicht einsetzen konnten. Diesen Rückstand mussten wir abarbeiten. Mit dem 2025er-Paket verhält sich das Motorrad anders. Doch wir mussten nicht nur den Rahmen ändern, sondern hatten ja auch noch ein neues Grundmodell mit neuem Motor und neuer Aerodynamik. Mit dem Chassis-Thema erhielten wir ein großes Puzzle», erklärt Gonschor.

Dennoch will er den Saisonbeginn nicht als Enttäuschung verbuchen. «Das Triple in Portimao und drei zweite Plätze in Cremona als schlechten Saisonstart hinzustellen, entspricht nicht meiner Interpretation der Situation», so Gonschor.

Beim vierten Rennwochenende der Saison machte BMW eine Erkenntnis, die sich für den Rest der Saison auszahlen sollte: «In Cremona haben wir gelernt, dass wir speziell aus Kurve 10 auf die Gegengerade heraus den Reifengrip, den mechanischen Grip und das Beschleunigungsvermögen besser in Einklang bringen müssen. Das war die Hausaufgabe, die wir aus dem ersten Saisondrittel mitgenommen haben.»

Schlussendlich gelang es BMW, sich auf das Verbot des 2024 verwendeten Rahmens einzustellen. «Unterm Strich ist es ein Wechselspiel aus Hardware, Software und Federung», präzisierte Gonschor die Aufgabe der Ingenieure und verriet, dass BMW in Most zur Schwinge der Saison 2024 zurückkehrte.

«Wir haben zwei verschiedene Schwingen mit unterschiedlichen Philosophien», erklärt Gonschor. «Eine Schwinge verbessert die Beschleunigungsphase, die andere bietet mehr Grip in Schräglage und ein besseres Vertrauen am Kurveneingang. In der Kombination mit dem diesjährigen Chassis hatten wir beim Beschleunigen einige Herausforderungen. Diesbezüglich half uns der Wechsel zur letztjährigen Schwinge, die in Kombination mit dem diesjährigen Chassis einen kleinen Fortschritt geliefert hat. Diese Schwinge verwendeten wir auch, als wir im Vorjahr in Jerez das Saisonfinale gewonnen haben.»

Zwei Rennwochenenden vor Saisonende befindet sich Razgatlioglu voll auf Kurs, seinen Titel erfolgreich zu verteidigen. Momentan führt er mit 36 Punkten Vorsprung auf Bulega. Zudem hat BMW auch in der Herstellerwertung noch die Chance, erstmals die WM zu gewinnen. Der Rückstand auf Ducati beträgt sechs Punkte.

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