Yamaha steht vor Einigung mit neuem Kundenteam

Jean-Michel Bayle: Wie er Johann Zarco helfen will

Von Günther Wiesinger
Jean-Michel Bayle (rechts) mit Johann Zarco bei der Besichtigung des Sachsenrings

Jean-Michel Bayle (rechts) mit Johann Zarco bei der Besichtigung des Sachsenrings

Der französische Motocross-Star Jean-Michel Bayle (50) fungiert seit Mai als Coach von Johann Zarco. Denn der KTM-Werksfahrer unterliegt starken Gemütsschwankungen.

Nach dem Jerez-GP im Mai verkündete SPEEDWEEK.com exklusiv eine kleine Sensation: Die französische Motocross- und Supercross-Legende Jean-Michel Bayle wird Betreuer und Coach von Johann Zarco, der im ersten Jahr bei Red Bull KTM Factory-Team bisher klar hinter den Erwartungen blieb, nach neun Grand Prix nur bei 16 Punkten hält und sich in der WM auf dem tristen 17. Platz eingependelt hat. Vor einem Jahr bei Tech3-Yamaha kämpfte der Franzose noch um GP-Siege, er fuhr Pole-Positions heraus. Ee hat die MotoGP-WM als bester Privatfahrer 2017 und 2018 als starker Sechster beendet.

Bei Zarco, der 2015 und 2016 immerhin die Moto2-WM gewann und in der MotoGP bereits sechs Podestplätze erobert hat, geht es aber bei Red Bull KTM nicht nur um die verbesserungsfähige Performance auf der Rennstrecke. Zarco muss auch einsehen, dass er als hochbezahlter Werksfahrer manchmal überlegen muss, welche Aussagen er zum Besten gibt. «Shit chassis, shit power delivery», lautete sein Kommentar vor laufender TV-Kamera am Freitag in Jerez. Der KTM-Vorstandsvorsitzende Stefan Pierer war schwer enttäuscht, als ihm das Video zugespielt wurde, nicht zuletzt deshalb, weil er es war, der Zarco im Winter 2017/2018 als erster Hersteller einen lukrativen MotoGP-Werksvertrag angeboten hat. Die Gage dürfte jenseits von 1 Million Euro liegen. Pierer wollte damals weder Lorenzo noch Márquez, sondern den aufstrebenden und auf der Piste respektlosen MotoGP-Rookie aus Frankreich.

Zarco, der sich vor einem Jahr von seinem Manager Laurent Fellon getrennt hat, gibt zu, dass er in den GP-Trainings oft in Stress gerät, wenn er neues Material testen muss und keine Zeit für eine schnelle Runde vorfindet. Dazu klagt er, weil das Fahren mit der KTM so kräfteraubend ist, sein sanfter Fahrstil führt mit dieser kraftvollen V4-Maschine nicht zum Erfolg. Zarcos Team mit Crew-Choef Marcus Eschennbacher hat sich daran gewöhnen müssen, dass oft auch die Lautstärke seiner Aussagen zunimmt. «Der Ton ist laut und rau geworden», fiel KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer bereits beim Texas-GP im April auf.

Ende Juni Assen verausgabte sich Johann Zarco in den ersten zehn Rennrunden, dann parkte er das Motorrad ohne Defekt an der Box und spazierte wortlos zum Hinterausgang. Er habe nicht mehr genug Kraft gehabt, um das Motorrad unter Kontrolle zu halten, ließ er später wissen. Und er klagte: «Wir haben bei KTM seit November 1000 Sachen probiert, aber bisher hat nichts funktioniert.»

Momentan will kaum jemand darauf wetten, dass Zarco auch 2020 für KTM in der Königsklasse fährt. Dass er ins Tech3-Team mit seinbem vertrauten Crew-Choef Guy Coulon abgeschoben und Brad Binder ins Factory-Team geholt werden soll, wird bei KTM dementiert.

Jean-Michel Bayle, 125-ccm-Weltmeister auf Honda 1988 und 250-ccm-Weltmeister auf Honda 1989, danach als erster Europäer «US Supercross-Champion» 1991, hat also bei Zarco ein vielfältiges Aufgabengebiet gefunden. Denn Zarco ist ehrgeizig und extrem talentiert, gleichzeitig unterliegt er heftigen Gemütsschwankungen.

Für diese ist auch Pol Espargaró verantwortlich, der mit der KTM RC16 in diesem Jahr schon 56 Punkte erkämpft hat und der die Kritik von Zarco am Material in ein anderes Licht rückt. Und zu einem Teil auch Fabio Quartararo, der mit 20 Jahren die neue Nummer 1 in Frankreich ist.

Jean-Michel, du hast deine Zusammenarbeit mit Johann im Mai in Le Mans begonnen. Was war dein erster Eindruck? Wo fehlt ihm Erfahrung bei der Rennvorbereitung? Wie kann er sich daran gewöhnen, jetzt Entwicklungsarbeit für ein Werk zu machen?

Zuerst muss ich erwähnen, dass ich Johann vor einem Jahr zum ersten Mal getroffen habe. Er hat mich während der Saison 2028 angerufen und gesagt: «Du warst ein professioneller Fahrer, du kennst die Welt des Motorradsports in- und auswendig. Deshalb habe ich ein paar Fragen an dich.»

Wir haben uns vorher nicht gekannt, wir sind uns zwar ein- oder zweimal über den Weg gelaufen, wir haben aber nicht miteinander gesprochen. Wir haben uns dann zum Abendessen getroffen. Wir haben uns erstklassig und entspannt unterhalten, wir haben einander gut verstanden. Nachher hat er die Saison zu Ende gebracht.
Im vergangenen Mai hat er mich vor Le Mans wieder angerufen, denn er steckte in Schwierigkeiten.
Für ihn war es schwierig, sich um alles zu kümmern… Er hat mich gefragt, ob ich ihm zu Hilfe kommen kann.
Ich habe zugesagt und habe meine Tätigkeit in Le Mans aufgenommen. Das wart der erste Grand Prix für mich mit Johann. Ich wollte mich in erster Linie umschauen, die Situation beobachten. Ich wollte mir einen Überblick verschaffen und einen sehr klaren Eindruck von der Situation bekommen.
Ich wollte ein perfektes Bild von den Vorkommnissen haben.
Sobald ich dieses Bild klar vor Augen hatte, habe ich mich bemüht, die vorhandenen Probleme zu lösen und Johann zu helfen. Natürlich geht das nur Schritt für Schritt.

Wir stecken noch mitten in der Arbeit.

Aber ich glaube, wir haben erste Fortschritte erzielt, das ist mein persönlicher Eindruck.

In welchem Bereich muss sioch Johann Zarco vorrangig verbessern?

Wir beschäftigen uns mit allen Themen. Wir schauen uns die Arbeitsmethoden von Johann mit dem Team an. Wir schauen uns an, aus welchem Blickwinkel Johann seine Situation betrachtet. Wir bemühen uns, Johann in allen Bereichen besser zu machen. Wir möchten ihn in die richtige Geisteshaltung bringen, damit er stärker werden und den Ingenieuren helfen kann, das Motorrad für ihn konkurrenzfähiger zu machen.

Wir tasten alle Aspekte an.

KTM-Firmenchef Stefan Pierer erzählte mir beim Jerez-GP, dass du eine Aufgabe als Coach von Zarco übernehmen wirst. Aber der Kontakt kam durch Johann zustande?

Ja, der erste Kontakt entstand durch Johann.

Aber ich habe Johann erklärt, dass ich bei Honda France für Promotion-Aktivitäten unter Vertrag bin. Deshalb habe ich zu ihm gesagt: Du musst zuerst bei KTM anfragen, ob sie es akzeptieren, wenn sie mich bei den Grand Prix in deiner Gesellschaft sehen. Das hat er getan.

KTM-Renndirektor Pit Beirer kennt mich. Und er hat natürlich eingewilligt. Pit hat gesagt, es ist kein Problem, wenn Jean-Michel zu dem Grand Prix kommt.

Sie haben verstanden, worum es geht und deshalb «JA» gesagt.

Aber der erste Anruf und Kontakt kam über Johann zustande. KTM hat gesehen, dass ich helfen kann. Für mich war es eine Bedingung, dass sie als Werk einverstanden sind mit dieser Zusammenarbeit.

Danach musste ich noch Honda fragen, ob sie mir diese Aufgabe gestatten. Doch die Leute von Honda France sind alle rennsportbegeistert, ich kenne sie seit mehr als 20 Jahren. Und da es um die Hilfe für einen französischen Fahrer ging, haben sie mir die gewünschte Erlaubnis erteilt. Sie sagten: «Du solltest das machen.»

MotoGP-Ergebnis Sachsenring:

1. Marc Márquez. 2. Viñales. 3. Crutchlow. 4. Petrucci. 5. Dovizioso. 6. Miller. 7. Mir. 8. Rossi. 9. Morbidelli. 10. Bradl. 11. Rabat. 12. Pol Espargaró. 13. Iannone. 14. Nakagami. 15. Abraham. 16. Syahrin. 17. Bagnaia. 18. Oliveira.

WM-Stand nach 9 von 19 Rennen:

1. Marc Márquez 185. 2. Dovizioso 127. 3. Petrucci 121. 4. Rins 101. 5. Viñales 85. 6. Rossi 80. 7. Miller 70. 8. Quartararo 67. 9. Crutchlow 67. 10. Pol Espargaró 56. 11. Morbidelli 52. 12. Nakagami 50. 13. Mir 39. 14. Aleix Espargaró 31. 15. Iannone 21. 16. Lorenzo 19. 17. Zarco 16. 18. Rabat 14. 19. Rabat 14. 20. Bradl 12.

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