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Pit Beirer (KTM): «Oliveira auf Augenhöhe mit Pol»

Von Günther Wiesinger
KTM-Rennchef Pit Beirer erklärt im Detail, weshalb Miguel Oliveira ins Factory Team geholt wurde. Er ist überzeugt: «Miguel ist jetzt soweit.» Warnt aber auch: «Zum Topfahrer in der MotoGP wirst du nicht über Nacht.»

KTM hat bisher 307 Weltmeistertitel gewonnen, dazu 100 Siege im Straßen-GP-Sport errungen und 18 Mal in Serie die Dakar-Rallye für sich entschieden. Der Slogan «Ready to Race» wird also seit Jahren konsequent umgesetzt. Und weil der angestrebte Kampf um Podestplätze in der MotoGP-Klasse bisher auf sich warten lässt, wurde der Vertrag für die Königsklasse bei der Dorna bereits bis Ende 2026 verlängert. Den großen Zielen in der MotoGP wurde vor einem Jahr sogar die Rolle als Chassis-Lieferant in der Moro2-WM geopfert.

Das Bull-KTM-MotoGP-Team hat jetzt wie Yamaha und Suzuki die Aufstellung für die WM 2021 präsentiert. Im Factory Team werden die KTM-Eigengewächse Brad Binder und Miguel Oliveira fahren, bei Tech3 der WM-Sechste Danilo Petrucci und der aktuelle Rookie Iker Lecuona.

«Es gibt in der MotoGP so eine Glaubensfrage, welches Motorenkonzept zum Erfolg führt. Wir haben uns beim Einstieg ganz bewusst für V4-Motoren entschieden, weil sie als leistungsstärker gelten. Mittlerweile hat sich bewiesen, das sich die V4-Geräte ein bisschen anders fahren lassen als ein Reihen-Vierzylinder», sagt KTM-Motorsport-Direktor Pit Beirer. «Wir haben nicht nur bei uns teamintern festgestellt, dass der Unterschied zwischen den Konzepten so krass ist, dass manche Fahrer deutliche Schwierigkeiten haben, den Wechsel zu vollziehen. Es gab diese Probleme nicht nur bei uns, sondern es kämpften auch andere namhafte Projekte mit dem gleichen Phänomen.»

Beirer spielt da offenbar auf Jorge Lorenzos erste Ducati-Saison an (nach neun Yamaha-Jahren) und auf den Kummer des Mallorquiners im Vorjahr bei Repsol-Honda. Und bei KTM schaffte Johann Zarco den Umstieg von der sanften und benutzerfreundlichen Yamaha auf die KTM ebenfalls nicht.

«Wir gehen davon aus, dass Danilo Petrucci nach sechs Jahren mit einem V4-Gerät genau auf unsere RC16 passt und er auch damit vorne mitfahren kann.»

Dass Oliveira für seine dritte MotoGP-Saison von Tech3 ins Factory Team transferiert wird und Petrucci von KTM bei Tech3 platziert wird, hat viele Experten überrascht – auch bei den anderen Teams.

Aber KTM und Red Bull verfügen auf diese Weise in beiden gleichberechtigten Teams über starke Fahrer, außerdem wurde der begnadete Miguel Oliveira für seine langjährige Loyalität belohnt, zumal sein Können unbestritten ist, wie seine Bestzeit beim Misano-Test am Mittwoch dokumentiert.

«Es gab während der Corona-Geschichte ein paar sehr menschliche Momente», berichtet Pit Beirer. «Wir hatten zum Beispiel Brad Binder und Miguel Oliveira im Juni bei einer Moto2-Ausfahrt am Spielberg. Danach sind wir mit ihnen abends beieinander gesessen. Da haben wir gemerkt, wie gut sich diese beiden Topathleten verstehen, wie sehr sie von ihrer gemeinsamen Zeit im Ajo-KTM-Team in der Moto3 und Moto2 schwärmten. Sie erzählten auch begeistert von einem Techniker, der mittlerweile wieder bei uns arbeitet. da haben wir gemerkt, dass die beiden eine emotional sehr starke Mannschaft darstellen. bei ihnen geht es nicht um die Debatte: ‚Wer ist hier der größte Held und kann alle anderen verdrängen?‘ Es herrschte eine extrem gute Teamstimmung. In diesem Moment haben wir gemerkt: Brad und Miguel würden in der MotoGP sehr gut zusammenpassen. Denn so ein Team schöpft auch Kraft aus der gemeinsamen Stärke und der ausgezeichneten Stimmung. Das hat sehr gut zusammengepasst. Anderseits ist Miguel inzwischen auch so weit, dass er eine tragende Rolle in diesem Projekt übernehmen kann. Denn man hat heute schon fast wieder vergessen: Er fuhr beim Österreich-GP 2019 vom 13. oder 14. Platz nach vorne an die achte Stelle. Das war das erste Rennen, bei dem er das gleiche Material bekam wie Pol Espargaró und Zarco. Das Tech3-Team erhielt damals nach der Sommerpause ein Technik-Upgrade, das bei Miguel sofort ein Top-Resultat bewirkt hat. In diesem Moment haben wir uns zum ersten Mal gedacht: ‚Gut, jetzt haben wir einen Gegenspieler für Pol auf Augenhöhe, sodass wir gemeinsam mit ihnen ein Motorrad entwickeln können.‘»

Beirer weiter: «Denn jeder Rennfahrer hat einmal einen schlechten Tag oder er zweifelt an der Schlagkraft des Motorrads. Aber wenn dann ein Markenkollege mit demselben Motorrad auf den achten Platz fährt, bist du als Hersteller stabiler und kannst auf diesem Wissen aufbauen. Leider hatten wir den Genuss mit Miguel nur ganz kurz. Denn schon beim nächsten Rennen in Silverstone wurde er von einem unseren Piloten runtergefahren, er hatte er einen schweren Sturz und ist dann die restliche Saison mit einem gerissenen Band in der Schulter gefahren. So ein MotoGP-Bike mit 270 PS zu bändigen, wenn du permanent eine weiche Schulter und Schmerzen hast, ist unmöglich. Deshalb haben wir nachher nie mehr den wahren Miguel gesehen. Miguel hatte dann eine erfolgreiche Operation. Jetzt ist er mittlerweile wieder schmerzfrei und voll da. Er hat auch beim Misano-Test gezeigt, dass er stabil sehr gute Rundenzeiten fahren kann. Dazu gibt er unseren Ingenieuren gutes Feedback für das Motorrad.»

Die Kriterien im Motorsport seien immer die Geschwindigkeit und die Stoppuhr, betont Beirer. «Miguel ist jetzt soweit… Zum Topfahrer in der MotoGP wirst du nicht über Nacht, das ist ein Riesenpaket. Du musst lernen mit dem Team zu arbeiten, welche Informationen du austauschen und wie du den Hinterreifen über die ganze Renndistanz managen musst. Bei diesem Weg gibt es auch keine Abkürzungen. Du brauchst einerseits etwas Zeit, und trotzdem schaffen es nur die Besten der Besten ganz nach oben. Miguel hatte die Chance auf den Platz im Factory Team schon im Herbst 2019. Er hat sie abgelehnt, was ein kleines Störfeuer zwischen uns entfacht hat, als er merkte, dass Brad Binder schneller ins Werksteam kam als er. Aber das sind Dinge, die in Zukunft nicht mehr wichtig sein sollten, sie sind besprochen und abgehakt. Jetzt wollte Miguel die Gelegenheit im Factory Team packen. Und wir haben das Projekt so ausgerichtet, dass alle vier Fahrer das gleiche Material bekommen.»

Pit Beirer berichtet, es habe in den letzten Wochen Einzelgespräche mit jedem MotoGP-Fahrer gegeben. «Und wir haben ganz klar gesagt: Wenn wir zum Beispiel von einer neuen Schwinge nur ein Exemplar haben, dann wird nicht verhandelt, wer sie als Erster bekommt. Es wird nur auf den Punktestand in der Weltmeisterschaft geschaut, und nach diesem Ranking werden die neuen Teile verteilt.»

So sehen die MotoGP-Teams 2020 aus

Repsol-Honda
Marc Márquez, Alex Márquez

Ducati Team
Andrea Dovizioso, Danilo Petrucci

Monster Energy Yamaha
Maverick Viñales, Valentino Rossi

Suzuki Ecstar
Alex Rins, Joan Mir

Red Bull KTM Factory Racing
Pol Espargaró, Brad Binder

Aprilia Racing Team Gresini
Aleix Espargaró, Bradley Smith

Pramac Racing
Jack Miller, Francesco Bagnaia

Reale Avintia Racing
Tito Rabat, Johann Zarco

Petronas Yamaha SRT
Fabio Quartararo, Franco Morbidelli

LCR Honda
Cal Crutchlow, Takaaki Nakagami

Red Bull KTM Tech3
Miguel Oliveira, Iker Lecuona

So sehen die MotoGP-Teams 2021 aus

Repsol-Honda
Marc Márquez, Pol Espargaró

Ducati Team
Andrea Dovizioso? Jorge Lorenzo? Jack Miller

Monster Energy Yamaha
Maverick Viñales, Fabio Quartararo

Suzuki Ecstar
Alex Rins, Joan Mir

Red Bull KTM Factory Racing
Brad Binder, Miguel Oliveira

Aprilia Racing Team Gresini
Aleix Espargaró, Bradley Smith? Andrea Iannone?

Pramac Racing
Jorge Martin, Jorge Lorenzo? Pecco Bagnaia? Johann Zarco?

Reale Avintia Racing
Tito Rabat, Johann Zarco?

Petronas Yamaha SRT
Valentino Rossi, Franco Morbidelli

LCR Honda
Alex Márquez, Cal Crutchlow? Takaaki Nakagami?

Red Bull KTM Tech3
Danilo Petrucci, Iker Lecuona

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