KTM: Im Werk gingen die Lichter aus

Weihnachts-Traum: V12-Motor für Vettel und Hamilton

Von Mathias Brunner
​​Die Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel und Lewis Hamilton sprechen vielen Fans aus tiefster Seele: Sie wünschten sich brüllende V12-Motoren statt Hybridtechnik. Die Sehnsucht bleibt unerfüllt.

Sebastian Vettel war knapp sechs Jahre alt, als er zum ersten Mal den Hockenheimring erblickte. «Wir waren nur fürs freie Training da, das war 1993, und es schüttete wie aus Eimern. Wir stoffelten die Waldgerade hinunter, um zur ersten Schikane zu gelangen. Alle Autos waren erst auf ihrer Installationsrunde, fahren wollte bei dem Wetter eigentlich keiner, aber alleine schon bei geringem Tempo das Röhren der Motoren zu hören, der Boden zitterte, du hast die Autos mehr als gehört als gesehen, du hast sie gespürt und gerochen – das war unfassbar, so etwas vergisst du nie wieder.»

Lewis Hamilton hat ähnliche Sehnsucht nach den ohrenbetäubend lauten, hochdrehenden V12- und V10-Motoren. Vor wenigen Jahren hat er im Rahmen einer Medienrunde festgehalten: «Am liebsten hätte ich in der Formel 1 einen V12-Motor. Das wäre wirklich cool, aber das wird nicht passieren. Obwohl es wirklich super wäre, wenn man sich wieder die Ohren zuhalten müsste, wenn ein Formel-1-Auto vorbeirauscht.»

«Richtig laut müsste der Motor meiner Meinung nach sein, wie ein Düsenjet, ein bisschen so wie früher. Ich kann mich noch gut an meinen ersten GP-Besuch von 1996 in Belgien erinnern, als ich im Fahrerlager war und Michael Schumacher reinkam. Alles vibrierte! Wenn du damals an der Strecke warst, hat dich der Sound umgehauen. Heute ist das nicht mehr so, und nicht alle vermissen den Lärm, aber mir persönlich fehlt dieser Sound, ich mag es halt richtig laut.»

Sebastian Vettel ist Traditionalist. Er ist einer der besten Kenner im Formel-1-Feld für Rennhistorie, und er hat über seine Skepsis zur neuen Turbohybrid-Ära der Formel 1 nie ein Geheimnis gemacht. Als er in in diesem Jahr Sotschi seinen Ferrari zur Seite stellen musste, wegen eines Defekts an der kinetischen Energierückgewinnung, knurrte er in den Funk: «Bringt die verdammten V12 zurück!»

Später sagte der Ferrari-Star: «Diese Aggregate sind sehr komplex. Aus technischer Sicht ist das sicher sehr faszinierend, aber ich habe nun eben meine Meinung dazu. Und ich denke auch, dass es keine grossen Vorteile für den Rennsport und auch nicht für die Zuschauer bringt.»

Als die Formel 1 Anfang 2014 in die neue Turbo-Hybrid-Ära ging, sprach Sebastian Vettel vielen Fans aus dem Herzen: «Das hört sich an, als würde der Staubsauger nebenher laufen, aber nicht wie ein Rennauto auf der Strecke.»

Die Akustik war für viele Fans eine komplette Enttäuschung, nicht wenige wandten sich vom Sport ab. Das neue Motorreglement war damals ein Kind des Gedankens, dass Formel-1-Triebwerke mehr Serienrelevanz haben sollen, hinter dem kleinvolumigen Turbomotor mit Mehrfach-Energierückgewinnung steckten FIA-Präsident Jean Todt und die Autohersteller.

Seit 2014 haben wir nun diese 1,6-Liter-V6-Aggregate, sie klingen inzwischen ein bisschen Formel-1-würdiger, aber gemessen am früheren Sauger ist das wie Fahrstuhl-Musikgesäusel gegen ein Hard-Rock-Konzert.

Ich habe es oft erlebt: Jedes Mal, wenn der Formel-1-Zweiplätzer auf die Bahn geht, recken sich sofort die Hälse der Fans und auch vieler Insider im Fahrerlager – SO muss ein Rennmotor klingen! Den besten Sound der modernen Formel 1 bietet ausgerechnet ein uraltes Auto – der Zweisitzer mit dem V10-Saugmotor im Heck. Wenn ich dann die Gesichter der Fans sehe, dann merke ich: Nicht nur Hamilton und Vettel vermissen diese Aggregate.

Dean Locke, Leiter Fernsehen und Medien der Formel 1, weiss: Die Formel 1 kann das Thema Ton nicht totschweigen. «Wir verbessern ständig die Mikros in den Autos und die Mikros, welche die Rennwagen von aussen aufnehmen. Auf einigen Pisten kommt der Ton besser rüber als auf anderen.»

Am Grundproblem können jedoch auch der hellste Techniker und das beste Mikro nichts ändern: Ein 1,6-Liter-V6-Turbo mit Energierückgewinnung am Lader klingt nun mal nicht so spektakulär wie ein hochdrehender 2,4-Liter-V8-Saugmotor.

Der Engländer Andy Cowell – Motorenchef von Weltmeister Mercedes-Benz – sieht aber auch Positives: «Im ersten Jahr war der Ton nicht berauschend, zugegeben. Inzwischen haben wir viel gearbeitet. Die Motoren sind deutlich lauter geworden, ohne jedoch, dass es unangenehm wird. Ich glaube, das hat dazu geführt, dass wir mehr Familien an den Rennstrecken sehen. Früher wollten Eltern ihren Kids keinen kreischenden V8 oder V10 antun. Das hat sich geändert.»

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